Rund drei Stunden dauert der steile Aufstieg von der letzten Parkmöglichkeit bis zum Hochplateau, wo die Schafe der Älplerfamilie Gwerder sömmern. Das Weidegebiet liegt sehr idyllisch, der kleine Bergsee und der markante Felsgipfel geben ein herrliches Bild ab. Das abgeschiedene Plätzchen, das bis vor fünf Jahren noch ein Geheimtipp von Einheimischen war, hat sich mittlerweile schon fast zu einem Instagram-Hotspot entwickelt, mit unliebsamen Folgen für die betroffenen Älpler.
Hunde an Tränkestelle
«An den letzten schönen Sommer-Wochenenden zelteten jeweils rund 30 Personen um den kleinen Bergsee, der unseren Schafen eigentlich als Wasserquelle dienen würde», erklärt Älpler Heinz Gwerder. Da teils auch Hunde dabei waren, mieden seine Tiere das Gebiet rund um den See. Dass die Schafe an heissen Tage dadurch zu wenig Wasser aufnehmen, würden die wenigsten der Touristen bedenken. «Mein Bruder schickte kürzlich eine grössere Zahl an Wildcampern vom besagten Platz weg, worauf diese ihre Zelte einfach an einem anderen Ort aufstellten», so Gwerder weiter.
«Es gibt Menschen, die haben keinen Respekt vor der Natur.»
Der Muotathaler Schafälpler Heinz Gwerder ärgert sich.
Bekannt durch Social Media
Die Route zum erwähnten Platz ist auf keiner Karte als Wanderweg eingezeichnet. Dass dennoch so viele Menschen den malerischen Platz aufsuchen, ist den sozialen Medien zuzuordnen.
«Vor einiger Zeit wurde ein Foto von diesem Ort in der SRF-Sendung Meteo zu den fünf schönsten Bildern des Jahres gekürt und auch im Flughafen Kloten wurde das Foto während längerer Zeit auf einer Grossleinwand an tausende von Touristen präsentiert», erklärt Heinz Gwerder die plötzliche Beliebtheit seiner Schafalp. Irgendeinmal habe dann noch jemand ein Foto mitsamt einer Routenbeschreibung in den sozialen Medien publiziert. «Früher war der Weg für Ortsunkundige kaum zu finden, heute ist dieser bereits stark ausgetreten», so der Muotathaler Landwirt.
Kein Respekt vor Eigentum
Alpweg Rigi
Mitte Mai dieses Jahres wurde auf der Rigi ein Themenweg rund um die Alpwirtschaft eröffnet. Dieser erste Alperlebnisweg im Kanton Schwyz wurde in enger Zusammenarbeit der Unterallmeind-Korporation Arth (UAK), dem Alpwirtschaftlichen Verein des Kantons Schwyz, Schwyz Tourismus sowie zahlreichen Alp-Pächtern und lokalen Partnern realisiert. Auf der acht Kilometer langen Wanderung können Interessierte an acht Stationen mehr über das Leben der Rigi-Älplerinnen und -Älpler erfahren. Ein Ziel des Themenwegs ist es auch, das gegenseitige Verständnis zwischen Alpwirtschaft und Tourismus zu fördern.
Die steigende Zahl von Wanderern führte zu einem weiteren Problem. Die Weidezaunnetze, die als Herdenschutzmassnahme aufgestellt wurden, werden von den Wanderern beim Drübersteigen regelmässig umgedrückt. Das schwächt einerseits den Herdenschutz, anderseits steigt auch die Gefahr, dass die Schafe ausbrechen. «Wie überall ist es natürlich nur ein kleiner Teil, der sich rücksichtslos benimmt. Es gibt aber schon Menschen, die überhaupt keinen Respekt vor Natur und privatem Eigentum haben», so der 52-jährige Landwirt weiter.
Liegengelassener Abfall sei nur die Spitze des Eisbergs. «Damit sie ein Lagerfeuer machen konnten, entfernten sogenannte Naturliebhaber auch schon Holzpfähle von meinen Zäunen und verbrannten diese. Die verschlossene Tür unserer kleinen Schäferhütte wurde diesen Sommer schon zum zweiten Mal aufgebrochen», so Heinz Gwerder frustriert.
Als Älpler könne er dem Treiben nur machtlos zusehen. Weise man die Camper auf ihr Fehlverhalten hin, führe das höchstens zu Beleidigungen. Doch grossmehrheitlich sehe er sowieso nur die Spuren der Verfehlungen, die Camper selber kämen erst gegen Abend, wenn er auf seiner weit entfernten Kuhalp beim Melken sei. Auch die Polizei sei machtlos, denn Schäden wie die aufgebrochene Tür seien kaum zu beweisen.
Zelt einfach liegengelassen
Von ähnlichen Erlebnissen kann auch Beat Holdener berichten, der am Aufstiegsweg zum erwähnten Platz ebenfalls eine Alp bewirtschaftet: «Ende Mai dieses Jahres, als weiter oben noch zu viel Schnee lag, zählte ich auf meinen Weiden elf Zelte.»[IMG 2]
Nicht selten seien darunter auch Personen, die keine Ahnung hätten, wie schnell das Wetter in den Bergen umschlagen könne. «Im letzten August habe ich ein junges Paar auf ein aufziehendes Gewitter hingewiesen. Die zwei haben sich aber dadurch nicht von ihrem Vorhaben abbringen lassen, ihr Zelt mitten auf der Weide aufzustellen.»
Als das Zelt dann vom Gewitter zerstört wurde, klopften sie an Beat Holdener’s Alphütte und baten um Unterschlupf. «Nachdem die Jugendlichen die Nacht in unserem Stall verbringen durften, hielten sie es aber nicht einmal für nötig, vor ihrem Abstieg ins Tal ihr zerfetztes Zelt aufzuräumen», so Beat Holdener.
Gebäude nun abschliessen
Was ihn besonders stört, ist, dass kaum jemand fragt, ob er sein Zelt aufstellen darf: «Das dürfte man von Menschen, die die Nähe zur Natur suchen, eigentlich erwarten. Das wäre einfach nur anständig. Die ganze Zeit aber den Aufpasser zu spielen, dafür habe ich weder Zeit noch Lust. Das frustriert nur.» Unerfreulich sei auch, dass er mittlerweile infolge Diebstahlgefahr seine Gebäude auf der Alp abschliessen müsse.
«Das Wetter kann bei uns in den Bergen schnell umschlagen.»
Wildcamper suchten bei Beat Holdener auch schon Schutz vor Gewitter.
Kaum Handhabe bei Schäden
Die Oberallmeind-Korporation Schwyz (OAK) als Grundeigentümerin versuchte bisher, das Thema Wildcamping pragmatisch anzugehen. «Mittels Informationstafeln an stark frequentierten Punkten auf unserem Alpgebiet,die gratis an die Älpler abgegeben werden, klären wir über ein respektvolles Verhalten in der Natur auf», erklärt Dominik Hämmerli, Sachbearbeiter Alp bei der OAK.[IMG 3]
Für konkretere Massnahmen habe man aktuell schlicht keine Handhabe. «Bis wir ein Fehlverhalten auf unseren abgelegenen Alpen entdecken, sind die verursachenden Personen meist schon lange weg. Und auch wenn wir diese noch antreffen würden, wäre es uns nicht erlaubt, ihre Personalen zu verlangen», so Dominik Hämmerli weiter. Somit sei auch kein Rechtsweg möglich.
Ob zukünftig, ähnlich wie im Kanton Glarus, an stark frequentieren Punkten im OAK-Alpgebiet ein Campingverbot durchgesetzt werde, sei im Moment noch offen.
Unterschiede bei der Rechtslage
Die rechtliche Lage in der Schweiz ist nicht einheitlich. Die Kantone bzw. Gemeinden haben jeweils eigene rechtliche Bestimmungen. Der TCS hat auf seiner Website eine Übersicht über die kantonalen Regelungen erstellt. Ein generelles Verbot fürs Wildcampen gilt gemäss dem TCS in Naturschutzgebieten, im Schweizerischen Nationalpark, in eidgenössischen Jagdbanngebieten, in Wildruhezonen und dort, wo ein allgemeines Betretungsverbot herrscht. Generell ist ein Notbiwak überall erlaubt, ebenfalls die Übernachtung auf einem Privatgrundstück, sofern der Grundstückbesitzer einverstanden ist.
Um herauszufinden, wem ein Stück Land gehört, sollte man sich bei der Gemeinde erkundigen. An immer mehr touristischen Hotspots werden allerdings Aktivitäten wie Wildcampen, Biwakieren oder Drohnenflüge vollkommen verboten. So gilt beispielsweise im Kanton Glarus seit kurzem an beliebten Instagram-Hotspot wie dem Klöntal, dem Oberblegisee oder dem Panixerpass gebietsweise ein Wildcamping-Verbot. An besonders exponierten Tourismus-Hotspots wie beim Oeschinensee im Berner Oberland wurde in der Vergangenheit sogar eine Reservationspflicht eingeführt.
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Littering kann Tiere lebensgefährlich verletzen
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«Schwyz sagt dem Littering den Kampf an! Wir setzen auf Sensibilisierung, Information und auf die Mithilfe jedes Einzelnen», so der Kanton Schwyz in einer Medienmitteilung. Ob Zigarettenstummel, Fast-Food-Verpackungen oder Plastikflaschen – die Spuren seien überall sichtbar: an Grillplätzen, an Seeufern, auf Parkplätzen, in Parks und in Dörfern und Städten. Besonders belastet durch Littering seien Wiesen entlang von stark befahrenen Strassen. Für das Vieh besonders gefährlich sind dabei Aludosen. Die Mähmaschine zerschneidet diese zu Kleinteilen mit sehr scharfen Kanten, welche die Tiere beim Fressen lebensgefährlich verletzen könnten. Damit das nicht vorkommt, sammeln die Bäuerinnen und Bauern den weggeworfenen Abfall vor jedem Schnitt ein. Entschädigung erhalten sie dafür keine und ein Restrisiko bleibt, da man nie allen Abfall findet. Den Dreck der anderen aufzusammeln, ohne dafür etwas zu erhalten, sei eine frustrierende Arbeit, vor allem wenn keine Besserung erkennbar sei, wie entlang der Strassen.
Wer beim Littering erwischt werde, bezahle in Siedlungsgebieten 80 Franken Busse, in der freien Natur sogar 250 Franken, ist aus der Medienmitteilung weiter zu entnehmen. Neben der Polizei hätten die Kontrollorgane der Forst-, Natur-, Jagd- und Fischereiaufsicht die Befugnis, Strafen auszusprechen.