Katzen sind hierzulande das beliebteste Haustier. Rund 780'000 Stubentiger waren laut Tierverkehrsdatenbank Identitas Ende November 2024 registriert. Die effektive Anzahl liegt aber wohl bei über zwei Millionen, schätzt Identitas. Denn anders als bei Hunden gibt es für Katzen keine Registrationspflicht. Eines haben Katzen mit Hunden aber gemeinsam – beide können zubeissen. Beisst eine Katze, sind jedoch häufig nur zwei kleine rote Stellen zu sehen, die vielleicht nicht einmal bluten. Dadurch werden solche Bisse oft unterschätzt.
Die Mundbakterien sind schuld
Katzenzähne sind lang und spitz und können tief ins Gewebe eindringen. Und mit dem Speichel gelangen auch Keime und Bakterien ebenso tief ins Gewebe. Blutet die Wunde zudem nur wenig, sind die Bakterien quasi gefangen, schreibt etwa die Krankenkasse Sanitas auf ihrer Website. Dass ein Unterschätzen von Katzenbissen zu weitreichenden Folgen führen kann, weiss auch Gabriel Waldegg, Facharzt FMH für Allgemeine Innere Medizin und leitender Arzt Medizin am Spital Emmental in Burgdorf. «Nicht selten entwickeln sich hartnäckige Infektionen», erklärt der Mediziner. Bei Bissen an der Hand können zudem Sehnen, Gelenke oder Knochen verletzt werden.
Eine lokale Infektion kann im schlimmsten Fall eine Blutvergiftung auslösen.
Der Mediziner Gabriel Waldegg rät daher nach einem Katzenbiss, bei dem unklar ist, wie tief er ist, zu einem Arztbesuch
Reinigen schützt vor Infektion
Eine Bisswunde muss schnell und gründlich gereinigt werden. Ist der Biss nur oberflächlich, reicht es, die Haut zu desinfizieren, um die Bakterienlast zu vermindern. Dies gilt auch für kleine Kratzer. Tiefere Verletzungen müssen jedoch durch ärztliches Fachpersonal mit einer Kochsalzlösung ausgiebig gespült werden. Bei ausgedehnten und komplexen Bissverletzungen, wie zum Beispiel an den Händen oder im Gesicht, brauche es eine Behandlung durch entsprechende Fachärztinnen.[IMG 2-3]
Gabriel Waldegg rät: «Bei Unsicherheit und Unklarheiten über die Art oder die Tiefe der Wunde, bei Bissen im Gesicht oder an der Kopfhaut sowie an der Hand sollte immer eine ärztliche Fachperson die Verletzung beurteilen. Dies gilt vor allem für Kinder.» Das passiert beim Arztbesuch:
- Gründliche Untersuchung der Bisswunde.
- Gesucht wird nach einer Infektion, eitrigem Ausfluss und eingeschränkten oder schmerzhaften Gelenkbewegungen.
- Gründliche Reinigung und Desinfektion der Wunde.
- Entfernen von allfälligen Geweberesten.
- Falls nötig, Zusammensetzen oder Zusammennähen der Wundränder.
- Prüfung, ob Starrkrampf-Impfung aufgefrischt werden muss.
- Entscheid, ob Antibiotikatherapie notwendig ist.
«Gerade bei tieferen Gewebeverletzungen wird die Antibiotikatherapie nach Tierbissen niederschwellig empfohlen, um Komplikationen zu vermeiden.» Und: «Die Verletzung sollte nach Möglichkeit fotografisch dokumentiert werden», erklärt der Arzt. Nach der Behandlung ist ein Ruhigstellen der Gelenke angezeigt. Dies führe dazu, dass entzündetes Gewebe oder eine infizierte Wunde besser heilen können. Zudem trage die Vermeidung einer zusätzlichen mechanischen Reizung, ähnlich wie die Antibiotikatherapie, zur Vermeidung einer Infektion bei und gehöre zur Infektionsbehandlung dazu.
Hohe Gefahr für Risikogruppen
Werden Bisswunden von Katzen nicht von Beginn weg korrekt behandelt, können Komplikationen durch Infektionen und tieferliegende Verletzungen auftreten. «Eine zunächst lokale Infektion kann sich in den Körper ausbreiten und im schlimmsten Fall eine Sepsis (Blutvergiftung) auslösen», warnt Gabriel Waldegg. Gefährdet seien vor allem gewisse Risikogruppen mit geschwächtem Immunsystem. Und weiter führt er aus: «Dazu gehören Personen, welche an Nieren- oder Leberproblemen leiden, Organ transplantiert wurden, bei denen die Milz entfernt wurde oder eine Immunschwäche aus einem anderen Grund vorliegt. In diesen Fällen müssen die schweren Infektionen mit Antibiotika, welche direkt in die Vene verabreicht werden, behandelt werden, was in der Regel einen Spitalaufenthalt bedingt.»
Katze muss nach einem Biss nicht eingeschläfert werden
«Eine Katze, die einen Menschen gebissen hat, muss eingeschläfert werden.» Es gibt Personen, die diese Meinung mit der Begründung vertreten, dass das Tier «Blut geleckt habe, die Beisshemmung verliere und immer wieder zubeisse.» Ob das wirklich so sei, wollte die BauernZeitung von Judith Ramseier wissen, Gross- und Kleintierärztin in der Tierarztpraxis Rösslimatte, Aarberg BE. «Überhaupt nicht. Eine Euthanasie bei einer Katze, die gebissen hat, ist nie einfach so gerechtfertigt», erklärt sie.
Reflex wird kleiner
Beissen geschehe bei Katzen instinktiv und gehöre zum Verhalten dazu. Hauskatzen würden jedoch oftmals lernen, ihrem Menschen gegenüber toleranter zu werden und im Reflex viel seltener und weniger heftig zu beissen, als sie es natürlicherweise tun würden.
Judith Ramseier erachtet es als wichtig, die Katze tierärztlich abklären zu lassen, um die Ursache für den Beissvorfall zu finden. «Mögliche Ursachen können Schmerzen, Krankheit, Angst, Bedrohung, Eifersucht, Rangordnungsdifferenzen, Stress oder zu heftiges Spielen sein.» Dementsprechend könne das Tier therapiert werden. Um ein gesundes Tier einzuschläfern, brauche es eine gründliche Abklärung und Abwägung. Das schweizerische Recht sehe aber keinen allgemeinen Lebensschutz vor. «Ein sehr schwieriges Verhalten eines an und für sich gesunden Tieres kann im Einzelfall als vernünftigen Grund zur Euthanasie angesehen und somit gesetzeskonform sein», erklärt Judith Ramseier. Aus ethischer Sicht würde sie eine gesunde Katze nicht euthanasieren. Könne das Tier nicht beim Besitzer bleiben, gebe es die Möglichkeit der Verzichtserklärung. «Die Katze bleibt dann in unserer Obhut, bis wir für sie einen geeigneten neuen Platz gefunden haben», erklärt die Tierärztin.
Warnung vor dem Biss
Judith Ramseier betont, dass Katzen oftmals gezielt warnen würden, bevor sie zubeissen. Erste Anzeichen von Drohungen können ein Schwanzzucken, Fauchen, Fellsträuben oder Knurren sein. Oftmals legen die Katzen auch die Ohren flach an oder versuchen zu kratzen, bevor sie beissen. «Bei solchen Anzeichen ist es ratsam, Abstand zu halten und die Katze in Ruhe zu lassen», rät die Tierärztin.