Kerzen stehen für Besinnlichkeit. Davon ist im Fabrikladen der Firma Balthasar im luzernischen Hochdorf nur wenig zu spüren. «Bei uns räblet es, auch online», freut sich Hanspeter Grosjean, Leiter Verkauf und Marketing. Das Unternehmen gehört zu den grösseren Kerzenherstellern in Europa. Allein in Hochdorf werden jedes Jahr rund 20 Millionen Kerzen hergestellt.

Der Kerzenbranche kommt es zugute, dass seit Pandemie-Beginn mehr Wert auf Behaglichkeit gelegt wird. Aber es gibt einen Haken. «Das Flugzeug­kerosin ist der Taktgeber für unsere Kerzen», weiss Hanspeter Grosjean.

Vor allem Paraffin

Denn über 90 Prozent der Kerzen bestehen aus Paraffin, einem Nebenprodukt der Treibstoffproduktion. Wird weniger geflogen, braucht es auch weniger Kerosin. Daher ist der Rohstoffpreis im Vergleich zum Vorjahr um 60 Prozent gestiegen. Da der Rohstoffanteil bei einem günstigen Produkt wie Kerzen 70 bis 80 Prozent des Herstellungspreises ausmacht, wirkt sich das auch auf den Verkaufspreis aus.

Aus ökologischen Gründen hat das auf Rohöl basierende Paraffin schon seit Jahren einen angeschlagenen Ruf. Durch optimierte Abläufe fallen zudem bei der Kerosinherstellung immer weniger Abfälle an. Das ist gut für die Umwelt. Für die Kerzenproduzenten ist es ein Grund mehr, sich nach anderen Rohstoffen umzusehen. Gar nicht so einfach. «Nicht jeder Rohstoff eignet sich für jede Kerze», erklärt Hanspeter Grosjean.

Nachhaltig ist gefragt

Dazu kommt: «Das Interesse an nachhaltigen Kerzen ist deutlich gewachsen», wie auch Anna Maag weiss. Ihre Firma Sternkerze im zürcherischen Eglisau bietet stern-förmige Kerzen, Zylinder- und Tafelkerzen aus verschiedenen Rohstoffen an, die in sozialen Organisationen in der Schweiz gefertigt werden.

Eine Paraffin-Alternative heisst Stearin. Es wird hauptsächlich aus pflanzlichem Öl und/oder tierischem Fett gewonnen. Oft, aber nicht immer, können Rest- und Abfallprodukte verwendet werden. Doch auch hier lauern ökologische Fallstricke. So wird ein sehr grosser Anteil des weltweit benötigten Stearins aus Palmöl gewonnen. Nur wenig davon stammt aus Plantagen mit dem Nachhaltigkeitszertifikat RSPO.

Gängige Kerzen-Rohstoffe
 
Übertauchte Kerzen: Sie bestehen aus maschinell gepresstem Paraffinpulver, einem Nebenprodukt der Kerosinproduktion. Die Basis ist Rohöl. Der Kern der Kerzen ist weiss, der Kerzenmantel eingefärbt.  

Rustico- oder Raureif-Kerzen: Auch sie bestehen meist aus Paraffin, manchmal aus einem Paraffin-Stearin-Gemisch. Sie werden gegossen und sind durchgefärbt. Die Oberfläche der Raureif- oder Rustico-Kerzen entsteht durch eine spezielle Abfülltechnik.

Stearin-Kerzen: Der Rohstoff sind tierische und/oder pflanzliche Fette und Öle, etwa Schlacht- oder Fischabfallprodukte, nicht essbare Reste aus der Lebensmittelproduktion, Palm-, Soja-, Raps- oder Olivenöl. Je nach Rohstoffen sind sie vegan oder eben nicht. Stearinkerzen sind gegossen und durchgefärbt.  Sie sind schwerer als Paraffinkerzen, weniger anfällig auf Zugluft und Wärme.

Bienenwachskerzen: Sie werden aus Bienenwachs gegossen, verströmen beim Abbrennen einen einzigartigen Duft und sind eher teuer. Denn für ein Kilogramm Bienenwachs muss ein Bienenvolk ein Jahr lang arbeiten. Von Natur aus haben Bienenwachskerzen eine gold-gelbe Farbe. Doch es gibt sie auch gebleicht und gefärbt. Ein Grossteil des in der Schweiz verwendeten Bienenwachses für Kerzen stammt aus Australien, Kanada und Neuseeland.

Aus regionalen Rohstoffen

Vermehrt setzten Kerzenherstellerinnen daher auf regionale Rohstoffe wie etwa Raps. Also gibt es bald Kerzen aus Schweizer Raps? Hanspeter Grosjean winkt ab. «Alle wollen Schweizer Raps, der ist im Handel schwer umkämpft.» Das Unternehmen verwertet daher Rapsöl aus Deutschland. «Aber auch das ist unter Beschuss.»

Als «Rolls Royce» unter den Kerzenrohstoffen gilt das Stearin aus Olivenöl. Dafür wird Oliventrester verwendet, der bei  der Ölgewinnung zurückbleibt. Doch die zur Verfügung stehende Trestermenge reicht nicht weit.

Hoffen auf synthetisches Paraffin

Die Firma Balthasar selbst produziert in Hochdorf die «Swiss Natural Candle». Der Rohstoff ist tierisches Stearin und ein Soja-Reststoff, der nicht essbar ist. Das Unternehmen tüftelt zudem an Nachhaltigkeitsprojekten und hofft auf synthetische Paraffine, mit denen Kerzen in einigen Jahren CO2-neutral hergestellt werden.

Es brauchte allerdings einige Jahre, bis die Kundinnen nachhaltig produzierte Kerzen auch tatsächlich kaufen. So wurden in Hochdorf schon 2013 eine entsprechende Serie hergestellt – doch die Nachfrage war gering. «Ab 2018 lief es plötzlich und seit dem letzten Jahr kommen wir mit der Produktion kaum mehr nach.»

«Wir sind dieses Jahr gefordert, da die Nachfrage nach europäischen Raps- und Olivenwachskerzen hoch ist», sagt auch Anna Maag. «Die fleissigen Hände in den Eingliederungsstätten in Zürich, Winterthur und Basel sind laufend am Nachproduzieren.»

Kerzentipps

Sicherheit: Kerze auf eine feuerfeste Unterlage stellen. Nicht unbeaufsichtigt lassen!

Umgebung: Keine Zugluft, nicht direkt neben einen Heizkörper oder ein Cheminée stellen.

Distanz: Kerzen mit mindestens zehn Zentimetern Distanz zueinander aufstellen.

Docht: Er sollte etwa einen Zentimeter lang sein. Für eine schöne Flamme sollte sich die Dochtspitze beim Brennen leicht krümmen und aus der Flamme herausragen.

Brennteller: Mit diesem Begriff wird der – meist flüssige – Wachsbereich rund um den brennenden Docht bezeichnet. Damit eine Kerze ruhig brennt, Streichholz- und Dochtreste, aber auch Glimmer und Lackreste immer entfernen.

Wenn es flackert und russt: Steht die Kerze im Durchzug? Wenn nein, Kerze löschen, Brennteller reinigen. Fünf Minuten warten. Docht kürzen. Wieder anzünden. Hilft das alles nichts, kann es an der Qualität der Kerze oder des Dochtes liegen. Ein Hinweis auf gute Kerzen ist das «RAL»-Etikette der «Gütegemeinschaft Kerzen» auf der Unterseite.

Kerzen lagern: Ist ein alter Hut. Früher mussten Paraffinkerzen trocknen, da lohnte sich das Lagern. Heute wird anders produziert, die Kerze ist von Anfang an kompakter. Jede Kerze brennt so lange, wie es auf der Etikette angegeben ist. Auch Kerzen tiefzukühlen lohnt sich nicht.