In den vergangenen Tagen hat die Schweiz grosse Temperaturschwankungen erlebt. Am Morgen des 20. Januar sank das Thermometer in höher gelegenen Alpentälern zum Teil bis auf −30 Grad. Auch im Mittelland wurden zum Teil deutlich unter −10 Grad gemessen, die eisige Luft hatte die Schweiz somit fest im Griff. Einige Tage später wurden dann an den gleichen Orten in den Alpen über 10 Grad gemessen und im Mittelland stieg das Thermometer sogar auf über 17 Grad. Wie kommt es in der Schweiz zu so grossen Temperaturänderungen innert so kurzer Zeit?

Blick auf Europa

Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf die grossräumige Zirkulation im Winter in Mitteleuropa und die entsprechende Herkunft der Luftmassen, die für diese Temperaturen verantwortlich sind.

Im Winter herrschen in Europa in der Regel grosse Temperaturunterschiede. Während der dunklen Wintermonate kühlt der Norden oft sehr stark ab, während sich vor allem in Richtung Atlantik milde Luftmassen halten. In Mitteleuropa im Allgemeinen und im Alpenraum im Speziellen treten im Winter sehr unterschiedliche Wetterlagen auf. Nord- oder Ostlagen bringen oft sehr kalte Luftmassen in die Schweiz, während West- bis Südwestlagen milde Luftmassen vom Atlantik bringen.

Einen solchen markanten Wechsel der Luftmassen hat die Schweiz in den vergangenen Tagen erlebt. Am 18. Januar hat eine Kaltfront die Schweiz überquert und dahinter floss kalte Polarluft zu den Alpen.

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Optimale Bedingungen

Mit der Kaltfront gelangte nicht nur kalte Luft in die Schweiz, sondern auch feuchte, und es bildete sich auch eine Schneedecke. In den folgenden Nächten klarte dann der Himmel auf, was zu tiefen Temperaturen führte. In klaren Nächten über einer Schneedecke wird es besonders kalt, weil verschiedene Faktoren zusammenwirken, um optimale Bedingungen für einen noch wirkungsvolleren Wärmeverlust zu schaffen:

  • Schnee ist ein guter Reflektor für Infrarotstrahlung, die von der Erdoberfläche abgestrahlt wird. Klare Nächte ermöglichen einen sehr guten Strahlungsaustausch zwischen der Erdoberfläche und dem Weltraum. Da die Schneedecke eine reflektierende Oberfläche bietet, wird mehr Wärme von der Erde abgestrahlt.
  • Schnee ist ein sehr guter Wärmeisolator. Vor allem frisch gefallener Schnee enthält viel Luft, die die Wärme des Erdbodens gut isoliert. Die Luft über der Schneedecke kann also ungehindert abkühlen.
  • In klaren Nächten kühlt die Luft über der Schneedecke schnell ab, da es keine Wolken gibt, die die abgestrahlte Wärme zurückhalten würden.
  • Schnee hat im Vergleich zu Wasser eine deutlich geringere spezifische Wärmekapazität. Das bedeutet, dass er weniger Wärme speichern kann. In der Nacht kann der Schnee daher schnell abkühlen und die Temperaturen darüber sinken stark ab.

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Plötzlich wieder wärmer

All diese Faktoren führten dazu, dass die Schweiz am Morgen des 20. Januars bei klirrender Kälte erwachte. Im Engadin wurden −27 Grad gemessen, auf der Glattalp (unbewohntes Gebiet) sogar unter −30 Grad. Im Mittelland sank die Temperatur zum Teil deutlich unter −10 Grad, wie beispielsweise in Aadorf/Tänikon mit −15 Grad.

Ein ganz anderes Bild präsentierte sich nur ein paar Tage später. Am Morgen des 24. Januar wurden in Samedan im Oberengadin über 10 Grad gemessen, also fast 40 Grad mehr als noch vier Tage zuvor.

Tagsüber sorgte der milde Wind auch auf der Alpennordseite für hohe Temperaturen und es wurden am Nachmittag beispielsweise in Giswil 17,8 Grad erreicht.

Die Wetterlage hatte sich komplett umgestellt und mit starkem Südwestwind gelangte Luft vom Atlantik in die Schweiz. Der Ursprung der Luft lag in der nördlichen Karibik, und so war es nicht verwunderlich, dass nach der klirrenden Kälte nur einige Tage später der Schnee in den tiefen Lagen weitgehend verschwunden war und erste zaghafte Frühlingsgefühle aufkommen konnten.

Nicht aussergewöhnlich

So spektakulär diese Temperaturschwankungen sind, so sind sie doch nicht aussergewöhnlich und widerspiegeln das Winterklima in der Schweiz gut.

Durch die grossen Temperaturunterschiede in und rund um Europa sowie den sich rasch wechselnden Windströmungen können sich klirrende Kälte und frühlingshafte Luft in der Schweiz immer wieder innert kurzer Zeit abwechseln.