Diese Geschichte beginnt dort, wo Konrad Klötzli zu Hause ist: in Achseten im Berner Oberland. In der Nähe von Adelboden führt der Bergbauer zusammen mit seiner Frau Therese und den drei Kindern einen Milchwirtschaftsbetrieb mit reinen Simmentalerkühen. Aktiv bauern tut er heute nicht mehr. Doch er steht immer noch jeden Morgen im Stall und hilft überall mit, wo er gebraucht wird. «Unser Sohn Markus führt jetzt den Betrieb mit seiner Familie», sagt der 71-Jährige zufrieden. «I bi halt no chli dr Chnächt», sagt der versierte Bergbauer im breiten Oberländer Dialekt.

Seine Vorfahren

Konrad Klötzli stammt aus einer alt-bernischen Küherfamilie. Seine Vorfahren kamen aus dem Schangnau BE, sein Urgrossvater musste sich 1861 in Frutigen BE auf Anordnung des Kantons dort einbürgern lassen, wo er damals zu Hause war. Viele kennen Klötzli nicht nur als erfolgreichen Reinzüchter, sondern auch als langjährigen Präsidenten der IG Anbindestall. Dieses Amt hatte er acht Jahre lang inne, letzten Frühling übergab er es an den Nationalrat Thomas Knutti. «Es war eine schöne und lehrreiche Zeit, und ich bin überzeugt, wir haben mit der IG schon einiges erreicht», hält er nachdrücklich fest. Mit Albert Rösti und Guy Parmelin hat es der schlaue Bergbauer sogar fertiggebracht, dass schon zwei Bundesräte der Einladung der IG Anbindestall gefolgt sind. «Ich habe gelernt, dass man die Anliegen meistens nur über das politische Parkett erreicht», sagt Klötzli und erzählt im gleichen Atemzug, dass auch Christoph Blocher, Esther Friedli oder Markus Ritter und weitere namhafte Persönlichkeiten Mitglieder der IG Anbindestall sind.

Klötzli ist auf dem Bergbauernbetrieb in Achseten in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. «Meine Eltern hatten fünf Kühe im Stall, ein paar Hühner und dazu noch ein paar Hektaren stotziges Land», erzählt er von seinen Jugendjahren. Doch der Vater habe die Familie mit fünf Kindern durchgebracht, ohne gross einem Nebenerwerb nachzugehen. «Äs isch halt äs cheibe wärchigs Heimetli gsi», meint der rüstige Rentner. Deswegen konnte er auch nie eine Lehre absolvieren, sondern wurde nach der Schule zu Hause auf dem Hof gebraucht.

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Unglaublich interessiert

«In den 1970er-Jahren konnte man an der Bergbauernschule auf dem Hondrich die Lehrlingsprüfung noch mit der Winterschule verbinden», weiss Konrad Klötzli. Und dies hat er auch gemacht: «Ich war unglaublich interessiert, vor allem an der Viehzucht. Ich zog das Gelernte regelrecht auf, ohne grosse Mühe kam ich durch die Schule», erzählt er von seiner Hondrich-Zeit. Der Zusammenhalt in der Klasse sei extrem gut gewesen, noch heute würden Freundschaften unter den Schülern bestehen. Natürlich hätten sie auch ab und zu mal einen Streich gespielt.

Mit Feuerwehrschläuchen

«Einmal gingen ein paar Klassenkameraden an einem Abend hinunter nach Wimmis in das Restaurant Bären in den Ausgang. Da wir im Internat waren, war dies streng untersagt», erzählt Konrad Klötzli. Sie telefonierten dann den Kameraden in die Beiz und liessen ausrichten, dass der Hondrich-Direktor vor der Türe stehe und sie unbedingt nach Hause kommen müssten. «Als wir die Kameraden im Anmarsch sahen, hatten wir die Feuerwehrschläuche schon ausgerollt. Doch anstatt Feuer hiess es Wasser frei. Es gab eine riesige Wasserschlacht, die erst in den Zimmern endete», erzählt er vom Abenteuer. Keiner der Lehrkräfte habe je einmal Wind davon bekommen, und bevor am Morgen wieder die Schule begann, war alles geputzt und aufgeräumt.[IMG 5]

Nach der Hondrich-Zeit ging es für Klötzli wieder nach Hause auf den Bergbauernbetrieb. Dem jungen Landwirt hatte es die Reinzucht immer mehr angetan. «Ich versuchte alles, um an die besten Simmmentalerstiere heranzukommen», erzählt er. Schon Vater Klötzli war ein begeisterter Reinzüchter. Mit der Kuh Helvetia brachte er auch einen besonderen Zuchterfolg hervor. Helvetia wurde als junge Kuh an Gottfried Oesch verkauft. Sie wurde später an der Sila 100 im Jahr 1990 Klassensiegerin und holte auch an der Bernischen Eliteschau einen Spitzenplatz.

Noch vor dieser Zeit stand vor allem der Natursprung im Mittelpunkt. Der Stier Alexander von Adolf Bach aus Gstaad BE war damals hoch angesagt. Alexander stand am Thuner Munimärit im ersten Rang, alle sprachen von diesem Exemplar. «Seine Mutter Graziella war legendär, sie war mit ihren Söhnen die Stammkuh der damaligen Simmentaler Reinzucht und ich wollte unbedingt ein Kalb von diesem Alexander haben», weiss Klötzli noch.

Warten beim Stier

Als eine ihrer Kühe brünstig wurde, organisierte Konrad Klötzli einen Fuhrmann und fuhr mit der Fracht Richtung Gstaad BE. Mit einem alten Militär-Jeep und einer alten Viehbänne ging es zuerst das Tal hinunter Richtung Spiez BE, dann vier Kilometer nebendran wieder das Tal hinauf Richtung Gstaad und weiter nach Feutersoey BE – über 80 km war die Reise. «Das war schier eine Ewigkeit und als wir schliesslich fast nachts in Feutersoey beim Muni ankamen, mussten wir noch fast eine Stunde lang warten und zuschauen, bis der Stier unsere Kuh endlich decken wollte», sagt Kötzli und lacht noch heute über das Abenteuer. Hundert Franken habe ihn damals der Natursprung mit Alexander gekostet, dazu kam noch der Transport. «Äs schöns Chäubli hets dr führ nähr gäh», weiss er noch. Man sei halt in dieser Zeit ehrgeizig gewesen und man wollte nur das Beste für die Viehzucht.[IMG 6]

Eine Enttäuschung

«Auch mein Vater war nicht anders. Einmal lief er mit einer Kuh zum Muni nach Frutigen hinaus. Chutz habe der Stier geheissen, ein Stier, der in aller Munde war. Doch als mein Vater über die Stalltüre in den Stall hineinschaute, sah er nur einen Bodesuri statt eines Prachtexemplars und war natürlich alles andere als erfreut», erzählt Konrad Klötzli eine weitere Anekdote.

Auch die Viehschauen hatten damals noch eine grosse Bedeutung gehabt. Obwohl man die Kühe nur mit Wasser, Seife und der Reisbürste wusch, war man immer mit grossem Eifer dabei. «Abraham German aus Adelboden war in dieser Zeit eine grosse Legende in der Reinzucht», sagt Konrad Klötzli anerkennend.

Doch auch er selbst hatte in seiner aktiven Zeit mehr als eine Schönheit hervorgebracht. «Wir hatten einmal mit Jolanda eine schöne Älpler-Weissenbach-Tochter im Stall, die als Erstlingskuh mit dem Maximum punktiert wurde», weiss er noch. Die Händler gaben sich nach der Schau die Türklinke in die Hand, doch Klötzli blieb hart, wollte zuerst selbst einige Nachkommen aus seiner Kuh. Erst nach dem dritten Kalb habe er sie an Gottfried Oesch in die Schwarzenegg BE verkauft. «Mit Godi konnte ich immer gut handeln, der war gradlinig und ehrlich», so der Bergbauer. Mit dem Erlös habe er seinerzeit seinen ersten Ladewagen angeschafft. «Das war dann schon eine enorme Arbeitserleichterung für uns», weiss er noch.

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Grosser Halt im Glauben

Im ganzen Tal und auch bei der Familie Klötzli hat der Glaube bis heute einen grossen Stellenwert. «Wir finden Halt in ihm und wir spüren, dass es uns guttut», so der 71-Jährige. Dieser Glaube habe ihnen auch geholfen, als ihr Bub Adrian mit einem Herzfehler und einem Down-Syndrom 1984 auf die Welt kam. «Wir haben nie gehadert damit, es war aus Gotteshand und der Bub war eine grosse Bereicherung für uns», sagt er. Adrian sei ein unglaublich interessierter Bub gewesen, kannte alle Abstammungen der Kühe im Stall. «Obwohl ihm die Ärzte nur fünf Lebensjahre gaben, starb er am 23. Oktober 2019 mit 35 Jahren», sagt Konrad Klötzli.[IMG 9]

Fleiss und Herzblut

Heute gehen es Konrad und seine Frau Therese Klötzli etwas ruhiger an. Ihr Sohn Markus und dessen Frau Christa halten zwischen 12 und 15 Simmentalerkühe. Weiter sind noch der Haflinger-Hengst Noé und eine Stute im Stall. Der Hof Marchbach bildet die unterste von drei Stufen. Im Frühling geht es auf die Vorweide und dann weiter auf die Alp Schnitta hinauf. Neben der Landwirtschaft hat sich Markus einen Namen als Sattler gemacht. Seine geschnitzten Lederriemen für Treicheln und Glocken sind gefragt. «Die Zeiten haben sich in den letzten 80 Jahren in der Landwirtschaft massiv verändert», sagt Vater Kötzli. Zunehmend eine grosse Belastung für die Betriebe seien die verschiedenen Aufzeichnungspflichten und die Kontrollen. «Doch mit viel Fleiss, Herzblut und gutem Familienzusammenhalt lassen sich die vielfältigen Herausforderungen meistern», ist er überzeugt.

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