Eine scharfe Kante übersehen – und schon blutet der Finger. Was tut der findige Bauer, der seine Arbeit nicht unterbrechen möchte? Er klebt ein Stück Klauen- oder Isolierband um den Finger. «Bei Landwirten und Handwerkern sehen wir das immer noch zu oft», sagt Doris Küttel, Apothekerin in der Apotheke in Bonstetten ZH. «Doch das sollte man wirklich nicht machen, den Leim dieser Klebebänder bekommt man kaum mehr aus der Wunde.»

Regelmässig kommen Kundinnen und Kunden zur Wundversorgung in die Apotheke, um sich Spriessen oder Zecken entfernen zu lassen, aber auch mit Brand-, Schnitt- oder Schürfwunden. «Bei der Wundversorgung solcher Wunden geht man heute andere Wege. Doch das wissen viele bislang nicht», erklärt Doris Küttel weiter.

Feucht statt trocken

[IMG 2] Früher liess man die Wunde «trocknen», dabei bildet sich Schorf. Das hat seine Tücken. Zum einen steigt das Risiko der Narbenbildung. Zum anderen juckt die Kruste meist und man beginnt, daran zu kratzen. So können Bakterien in die Wunde gelangen. «Heute setzt man daher auf feuchte Wundheilung. Damit nimmt man dem Körper die Arbeit ab, eine Kruste zu bilden», sagt Doris Küttel. Die Wunden heilen im Milieu besser, sie sind nicht selten schon nach fünf bis sechs Tagen zu. Konkret geht man nach aktuellem Wissensstand am besten so mit kleineren blutenden Ver-letzungen um:

Spülen: Die Wunde etwas bluten lassen und Steinchen oder Dreck mit Trinkwasser aus der Wunde spülen. Kein See-, Fluss- oder Trogwasser verwenden.

Entscheiden: Kann man das selbst verarzten oder sollte ein Profi ran, muss die Wunde zum Beispiel genäht werden? Als Faustregel gilt, dass man kleine saubere Schnitte, die nicht länger als drei Zentimeter und nicht tiefer als fünf Millimeter sind, in der Regel selbst versorgen kann.

Desinfizieren: Zum Beispiel mit einem Desinfektionsspray. Wenn nicht sicher ist, ob die Wunde noch genäht werden muss, besser keine jodhaltige Desinfektionsflüssigkeit verwenden. «Die rote Farbe macht es den Ärztinnen und Ärzten schwer, die Wunde richtig zu sehen», sagt Doris Küttel.

Unterstützen: Wenn vorhanden, ein Wundgel auf die Wunde tupfen (z. B. Merfen, Octenidin oder Octenisept Gel). «Das darin enthaltene Octenidin ist ein Breitband-Antiseptikum. Es schützt und hilft bei der Heilung.»

Schützen: Die Wunde mit einem passend grossen Pflaster abdecken. Die ersten drei Tage das Pflaster zweimal täglich wechseln, dann einmal täglich. Die Wunde so lange bedeckt halten, bis sich ein rosa Häutchen gebildet hat.

Tipps für die Wundversorgung

  • Klaffen die Wundränder auseinander, ist noch Dreck in der Wunde, ist das Gewebe verletzt oder liegt die Wunde über einem Gelenk, sollte man besser direkt in die ärztliche Praxis. Das gilt auch für stark oder pulsierend blutende Wunden.
  • Falls die Haut um die Wunde herum nach einigen Tagen stark entzündet ist, sollte eine noch stärker desinfizierende, Silber- und antibiotikahaltige Creme aus der Apotheke besorgt werden.
  • Keine fetthaltige Salben in Schnittwunden geben. «Die Wundränder wachsen sonst nicht gut zusammen», so Doris Küttel.
  • Falls genäht werden muss, sollte dies nicht später als zwei Stunden nach der Verletzung in Angriff genommen werden.
  • Bei nicht allzu tiefen Schnittwunden können Wundverschlussstreifen (wie z. B. Steri-Strip) quer darüber geklebt werden, damit die Wundränder zusammenkommen.
  • Nichts auf die Wunde legen, das verklebt. Geeignet sind spezielle Wundauflagen mit einer beschichteten, glänzenden Seite. Sie dürfen direkt auf die Wunde, am besten mit einem Tupfer Wundgel dazwischen.

Verwirrende Auswahl

Die Auswahl an Pflastern in Apotheken und Drogerien ist gross, doch falsch machen kann man nicht viel. «Man kann nach eigenen Vorlieben entscheiden, etwa ob das Pflaster für sensible Haut geeignet oder wasserabweisend sein soll», so Doris Küttel. Spezialpflaster kommen manchmal in der professionellen Wundversorgung zum Einsatz, wie sie die Spitex anbietet, oder auf ärztliches Rezept. «Als Grundausstattung für den Hausgebrauch reichen ein Schnellverband, Wundkompressen, Desinfektionsspray und Wundgel.»

Im Alltag bewährt haben sich zudem Hydrokolloid-Pflaster, zum Beispiel bei Blasen an den Füssen oder kleinen Verbrennungen. Sie nehmen Wundflüssigkeit auf, polstern und schützen.

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Bei Insektenstichen sind Gitterpflaster einen Versuch wert. Mit ihrer Gitterstruktur sorgen sie für eine Spannung auf der Haut, sodass im Idealfall der Juckreiz ohne den Einsatz von Chemie nachlässt. Manchmal hilft aber auch Mutter Natur: «Wer bei einer Wanderung von Bremsen oder Mücken geplagt wird, kann sich am Wegrand ein Blatt Spitzwegerich pflücken und über die Einstichstelle reiben», sagt Doris Küttel. «Der Pflanzensaft ist juckreizstillend und entzündungshemmend.»