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«Mich stört, dass in den Medien die konventionellen Landwirte und -innen meist durch eine Spritze repräsentiert werden, während man die Biolandwirte zu Wort kommen lässt»: Das sagt Nadine Widmer, Bauerntochter und Film-Studentin aus Oberkulm AG. «Mit der Spritze fahre ich gar nicht gerne durchs Dorf, da wird man komisch angeschaut»: Das sagt Roland Hubler, Landwirt aus Wiedlisbach BE, Protagonist in ihrem Kurzfilm «Integriert – Zwischen Umwelt & Preis».
Viele Reaktionen
Die 27-Jährige studierte Film an der Hochschule Luzern und beschloss, einem konventionellen Betrieb mit ihrem Abschlussfilm eine Plattform zu geben. Roland Hubler und sein Vater Robert bewirtschaften nach IP-Suisse- und ÖLN-Richtlinien.
Ihre Protagonisten suchte Nadine Widmer unter anderem mit einem Aufruf auf der Webseite der BauernZeitung. Innert kurzer Zeit bekam sie gegen 40 Antworten, auch von Biobauern und -bäuerinnen. Von diesen erntete sie vor allem Verständnis. «Sie sagten mir, dass es für die konventionellen Berufskollegen unangenehm sein müsse, sich immer rechtfertigen zu müssen.» Etwa 12 Höfe besuchte Nadine Widmer daraufhin und führte dabei viele gute Gespräche.
Ihre beiden Film-Landwirte fand sie dann doch per Zufall über eine Freundin. Der Bauernhof, den Roland Hubler letztes Jahr von seinem Vater übernommen hat, liegt an einer Ausfahrt der A1 und zudem direkt an einer grossen Hauptstrasse. «Ich wollte keinen idyllisch gelegenen Betrieb, der auch in einer Werbung gezeigt werden könnte», sagt Widmer. Ausserdem habe sie sich von Anfang an wohl mit den beiden gefühlt, «sie vertreten für mich die Bauernschaft, so wie ich sie kenne. Offen, überlegt, innovativ und mit einer individuellen, auf ihren Standort angepassten Produktion.»
Kamera machte erst nervös
Roland Hubler war hin- und hergerissen, als er die Anfrage bekam. «Die Vorstellung, vor der Kamera zu stehen, machte mich einerseits nervös. Gleichzeitig fand ich es ein spannendes Projekt.» Den Ausschlag für sein Ja gab dann Nadine Widmers Intention, den konventionellen Bauern eine Stimme zu geben. «Wir bauern schliesslich auch nicht schlecht», sagt Hubler. Da müsse man schon mitmachen, wenn schon einmal jemand etwas Gutes auf die Beine stelle. Schliesslich höre oder lese man heute schon fast jeden Tag etwas Schlechtes über die Landwirtschaft.
Also drehte Nadine Widmer mit ihrem Team auf dem Hof. Sieben Tage lang, im März und April dieses Jahres. Hinter der Kamera stand Robin Füglistaller, für den Ton war Kathleen Moser verantwortlich. «Es herrschte schnell ein grosses Vertrauen zwischen uns allen. Und ich konnte Roland und Robert Hubler provokative, wie auch persönliche Fragen stellen», erzählt Widmer.
Viele Szenen hatte sie auch bewusst gesucht: So kam zum Beispiel während des Drehs der Pflanzenschutzberater auf dem Betrieb vorbei. Roland Hubler sagt, auch wenn es am Anfang ungewohnt gewesen sei, habe man das Kamerateam schnell vergessen. «Sie sind uns immer hinterhergelaufen und wir haben normal gearbeitet», fasst er die Erfahrung zusammen.
Ungeschönte Realität
Gespielt wirkt im Film tatsächlich nichts, Vater und Sohn wirken in ihren gemeinsamen Sze-nen genaus vertraut wie authentisch, etwa wenn der Sohn den Vater auffordert, den Hofhund einzufangen, der eben die umliegenden Gärten unsicher macht. Es sind Alltagsszenen, ungeschönte Realität, wie sie wohl tagtäglich auf vielen Höfen der Schweiz abspielt, aber auch persönliche Einblicke ins Familienleben.
Eine Überraschung für Nadine Widmer war Senior-Landwirt Robert Hubler. «Er kam sehr offen auf die Kamera zu, man merkte, dass er die aktuelle Diskussionen ansprechen wollte.» Roland Hubler war sich bewusst, was ein Film auslösen kann und wägte seine Worte anfangs Dreh noch vorsichtiger ab.
Der fertige Film deckt in siebzehn Minuten viele Themen ab – das Gemüse, dass die beiden direkt vermarkten, die Ansprüche von Konsumentenseite, die auch im Hofladen hoch sind, der viele Abfall, die Roland Hubler auf der Weide seiner Mutterkühe findet. Den Film hat Roland Hubler vor wenigen Tagen zum ersten Mal gesehen, er gefalle ihm gut, sagt er. Zuvor durften sein Vater und er schon einmal den Rohschnitt sichten.
Filmfestivals stehen an
Einen Film zu realisieren ist teuer. Das Equipment, die Räumlichkeiten, etwa für Schnitt und Sounddesign (beides von Joe Berger) und die Mentor(innen) stellte die Hochschule Luzern zur Verfügung. Von der Berner Filmförderung bekam Nadine Widmer einen finanziellen Zustupf, «so konnte ich meinem Kameramann einen Lohn bezahlen und die Spesen decken.»
Co-Produzent der Abschlussfilme der Hochschule Luzern ist oft das Schweizer Fernsehen. SRF kauft sich mit einem Budgetzuspruch auch die Ausstrahlungsrechte. Bis das Werk dort gezeigt wird, dürfte es aber etwa ein Jahr gehen. Zuerst sind die Filmfestivals an der Reihe. Bei den meisten dürfen eingereichte Filme nämlich nicht älter sein als ein Jahr. Nadine Widmer würde sich aber auch sehr freuen, den Film an Anlässen zur Landwirtschaft zu zeigen und Diskussionen damit auszulösen.
Sie hat mittlerweile ihren Bachelor-Abschluss in der Tasche. Nun will Widmer Berufserfahrung in der Filmbranche sammeln und sucht aktuell einen Job bei Produktionsfirmen, etwa als Regie-Assistentin. Sie würde irgendwann gerne auch wieder ein eigenes Filmprojekt angehen. Die Nähe zur Landwirtschaft bleibt indes – ihre Brüder führen den Familienbetrieb nach IP-Suisse-Richtlinien weiter.
Kontakt zur Regisseurin
Bei Fragen zum Film ist Nadine Widmer unter widmernadine@gmx.net oder 079 791 50 44 zu erreichen.