Ladina Lötscher nimmt zügig die Wäsche wieder vom Trockenständer vor der Tür, obwohl sie noch feucht ist. «So wird das nichts», sagt die Bäuerin und blickt zum Himmel, der erneut mit regenschweren Wolken verhangen ist. Dennoch sieht man vom Hof der Familie weit ins Tal.

Rund um Haus und Stall stapelt sich Holz. «Das Dach war undicht», erklärt Ladina Lötscher und zeigt bei einem Kaffee auf die noch unverkleidete Decke in der Küche. «Wir sind am Sanieren, obwohl wir das gerne der nächsten Generation überlassen hätten. Uns gefiel das alte Haus, wie es war.» Sie lebt hier in Pany GR mit ihrem Mann Abraham und den vier Kindern Ilona, Fabian, Alwin und Svenja auf 1300 Metern über Meer.

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Zwei Hauptbetriebszweige

Die Familie konnte den Bergbauernhof im Jahr 2013 kaufen. Zuvor hatten ihn Abrahams Eltern Agnes und Hanspeter Lötscher in Pacht geführt. Die Eltern sind mittlerweile pensioniert, helfen aber beide noch aktiv mit. Zum Biobetrieb gehören 51 Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche, aber nur acht Hektaren sind Eigenland. «Der Rest sind verteilte Parzellen, viele davon sind schon seit Generationen in Pacht.»

Traum verwirklicht

Für Abraham Lötscher war klar, dass er auf dem Hof Geissen halten will. «Das war schon als Bub sein Traum», erklärt seine Frau. Die mittlerweile 105 Milchgeissen sind einer der beiden Hauptbetriebszweige. Sie leben in einem modernen, 2016 erbauten Stall «mit allem Komfort» und moderner Melkanlage. Der andere Betriebszweig sind die 16 Milchkühe. Ladina Lötscher kümmert sich nebst dem Haushalt um Buchhaltung, Büro und Vermarktung. Sie ist zudem im Vorstand der Genossenschaft Biokäserei Prättigau, in der auch die Milch des Hofs verarbeitet wird. Dort arbeitet sie auch Teilzeit im Verkauf.

Betrieb gemeinsam leiten

Aufgewachsen ist die 40-Jährige in Schiers «in einem Einfamilienhaus. Doch meine Mutter ist Bauerntochter.» Nach der Schule entschied sich Ladina Lötscher für eine Lehre als Drogistin. «Das war eine Notlösung», erinnert sie sich schmunzelnd. «Ich war schon damals lieber am Heuen und auf dem Hof meiner Tante.»[IMG 3]

Später absolvierte sie am Plantahof die Bäuerinnenschule und dann die Betriebsleiterschule. «So können wir Lehrlinge ausbilden.» Den Hof leiten sie und ihr Mann gemeinsam. «Ganz nach dem Prinzip, jeder macht das, was ihm besser liegt. Doch wir kennen beide unseren Betrieb und können uns gegenseitig vertreten.»

Projekt für Gitzivermarktung

Zusätzlich ist Ladina Lötscher beim Projekt «Pro Montagna Bio Berggitzi aus Graubünden» engagiert, 2021 lanciert von der Hilfsorganisation Coop Patenschaft für das Berggebiet. Sie amtet dort als Produzenten-Vertreterin. Denn obwohl das Interesse an Geissenkäse deutlich gestiegen ist, ist die Vermarktung des Gitzifleisches eine Herausforderung, da es zu wenig bekannt ist.

«Das Gitzi gehört dazu, wenn man Geissenkäse will», erinnert Ladina Lötscher. «Wenn wir auf dem Hof Geissenmilch produzieren, dann machen wir das mit Wertschätzung für das Gitzi.» Dank dem Coop-Projekt, weiteren Kunden wie Gebana und der Direktvermarktung ist das auf dem Hof von Familie Lötscher und auf weiteren Betrieben in der Umgebung möglich. Aktuell machen zwölf Bündner Bergbauernfamilien und eine Bergmetzgerei beim Projekt mit.

Viel Mehraufwand

Landwirtschaftliche Geissenhaltung bedeute einen Mehraufwand, aber nur wenig Wertschöpfung, sagt Ladina Lötscher. Zwar bekämen sie einen fairen Milchpreis. Doch es sei zu wenig Milch da, damit die Käserei in Jenaz das ganze Jahr über die Nachfrage nach Käse bedienen könne. Zudem fehlt es bisher an Sömmerungsweiden für die Geissen, was gerade im Berggebiet wichtig wäre. «Doch da sind wir zuversichtlich, dass das ändert.»

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Herzblut für die Vermarktung

Auch wenn die eigentliche Geissenhaltung Abraham Lötschers Leidenschaft ist, spürt man, dass seine Frau mit viel Herzblut in der Vermarktung engagiert ist. Bei den Milchgeissen setzen die beiden Betriebshalter auf saisonales Abgitzlen. Ab Juli läuft ein Bock mit der Herde mit. In der Weihnachtszeit kommen dann bis zu 70 Tiere pro Woche auf die Welt. «Gut, dass dann alle Kinder daheim sind, denn das gibt immer viel zu tun.»

Lebendige Tiere

Mit dem Auto geht es zur Weide oberhalb des Betriebes, auf der die Geissen derzeit grasen. Im Berggebiet ist an so manchen Steillagen die Beweidung oft nur mit Kleinvieh möglich. Da Geissen auch Pflanzen fressen, die andere Weidetiere verschmähen, helfen sie mit, dass die Gebirgsweiden nicht verbuschen, und sie festigen mit ihrem Tritt den Untergrund.

Kaum nähert sich ein Mensch dem Zaun, kommen die Tiere neugierig näher. Ladina Lötscher steigt über den Zaun und wird sofort umringt und angestupst. «Mir sind die Geissen manchmal etwas zu stürmisch», sagt die Bäuerin mit einem Lächeln, «da sind mir die Kühe lieber.»

Weitere Informationen: www.geiss-pur.ch