Ein Landwirt (Name der Redaktion bekannt) hat Husten und leichte Grippesymptome. Er entscheidet, sich dem Covid-19-Test zu unterziehen, und erhält nach wenigen Tagen den Bescheid: positiv. Auch seine Frau wird positiv getestet. Das Paar bewirtschaftet einen Milchwirtschaftsbetrieb ohne Angestellte und ohne Unterstützung der älteren Generation. Wohl etwas blauäugig und im Wissen, dass es fast unmöglich sein dürfte, jemanden zu finden, der in dieser kurzen Zeit für eine Aushilfslösung zur Verfügung stehen könnte, arbeiten die beiden weiter und erledigen die anfallenden Stallarbeiten. In Absprache mit dem Käsereibetrieb, der ein Schutzkonzept vorliegen hat, bringt die Bäuerin auch täglich die Milch in die Käserei. Während sie im geschlossenen Fahrzeug sitzt, pumpt der Käser derweil die Milch ab. Es kommt zu keinem Kontakt.
Auf den Polizeiposten
Mit leichten Grippesymptomen, aber ihrer Ansicht nach längst in der Lage, die Tiere zu versorgen, verbringen die beiden die Quarantänezeit zu Hause und im Stall, wenige Meter daneben. Doch noch vor Ablauf dieser Zeit erhalten die beiden die Aufforderung, auf dem Polizeiposten Auskunft zu geben. Denn gegen das Bauernpaar wurde Anklage erhoben. Diese sei von einem Anwaltsbüro eingegangen. Der Kläger ist eine Privatperson, der die beiden beschuldigt, sich nicht an die geltenden Massnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gehalten zu haben, da sie die Isolationszeit nicht im Wohnhaus, sondern auch im Stall und auf dem Traktor verbrachten. Der betroffene Landwirt versucht, sich bei Behörden und Verbänden schlauzumachen. Zu seinem besonderen Fall erhält er, wie er meint, wenig aussagekräftige Antworten. «Man sollte, wenn möglich, die Tiere anderweitig betreuen lassen, oder den Kontakt auf ein Minimum beschränken, aber die Versorgung müsse sichergestellt sein», weiss der Betroffene. «Ja, was heisst das jetzt konkret für mich?», fragt er. Er habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, wo nötig informiert. Auch der Milchverarbeiter (Name der Redaktion bekannt) sah keine Probleme mit dem Vorgehen der Familie. «Wir sind nicht die einzigen Milchproduzenten, die an Corona erkrankt sind», erklärt der Betroffene, der von Seiten Milchverarbeiter vernommen hat, dass diverse solche Fälle bekannt sind.
Wenig Information
Zur Frage, was ein an Covid-19 erkrankter Landwirt nun tun und lassen soll, verweist das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) auf Anfrage der BauernZeitung auf seine Übersicht online, insbesondere auf die Rubriken Betrieb und Gesundheit. Zum konkreten Fallbeispiel kann das BLW nicht weiter Stellung nehmen und verweist auf die Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit (BAG) und empfiehlt, mit einer kantonalen Stelle zu sprechen. Beim BAG verweist man bereits auf der Website auf das BLW.
Kanton nennt ein Ziel
Der Kanton Bern gibt nach zweifacher Nachfrage Auskunft. «Ziel der Isolation ist es, dass die positiv getestete Person nicht in Kontakt mit anderen Menschen kommt und diese anstecken könnte. Generell müssen Personen in Isolation auf ihrem Grundstück bleiben und dürfen keinen Kontakt zu anderen Menschen haben während der ganzen Dauer der Isolation», heisst es bei der Gesundheits-, Sozial- und Integrationsdirektion des Kantons Bern. Laut dieser Stelle «sollten» die Landwirte einen Betriebshelfer suchen oder eine andere Lösung finden, um den Hof weiter betreuen zu können. Abhängig von den Bedingungen auf dem Hof könne zudem vom Kantonsarztamt die Einzelsituation beurteilt werden, «um zur bestmöglichen Lösung zu gelangen.» Wer sich einer angeordneten Isolation entziehe, könne mit einer Busse bestraft werden. Das Epidemiengesetz sehe dazu Bussen bis 5000 Franken vor.
Die Begriffe «sollten» und «könnten» hat der Betroffene in seiner Recherche auch oft vernommen. «Man kann uns nirgends wirklich weiterhelfen», sagt der Bauer, der von einer äusserst belastenden Situation spricht. Auch beim Bauernverband tönt es ähnlich. Dieser rät: «Befinden sich Personen in Isolation (aufgrund von Symptomen oder positivem Testresultat), sollen sie zuhause bleiben. Die Nutztiere auf dem Betrieb sollten wenn möglich durch eine andere Person betreut werden oder, wenn nicht anders möglich, der Kontakt auf ein Minimum beschränkt werden. Die Versorgung der Tiere muss gewährleistet sein.» Dem Landwirt hilft das nicht wirklich weiter. «Was heisst ‹wenn möglich› und was versteht man unter Versorgung, beispielsweise einer Milchkuh?», fragt er. Die Tatsache, dass ein Landwirtschaftsbetrieb nicht öffentlich zugänglicher Raum sei und auf seinem Hof auch kein solches Angebot bestehe, wie beispielsweise ein Hofladen, habe ihm die Sicherheit gegeben, dass er nichts Gesetzeswidriges tue. Er, wie auch seine Frau hätten alles unternommen, die Isolation zu befolgen. Dabei habe seiner Meinung nach aber der Betrieb mit den Tieren auf dem Hof nicht leiden dürfen.
Es fehlt an Unterstützung
«Wir sind nicht die Einzigen, es kann jeden treffen, vielleicht ist da morgen schon der nächste Fall, wie wir jetzt einer sind. Es braucht dringend mehr Hilfestellung. Derzeit ist das alles irgendwie nur Grauzone», schliesst der Landwirt.
Weitere Informationen: www.sbv-usp.ch/de/schlagworte/coronavirus/