«Meine schönsten Kindheitserinnerungen? Mit meinem Vater und meiner Schwester im Pferdestall oder beim Spielen im grossen Garten», sagt Laura Kreis. Geboren und aufgewachsen ist die 31-Jährige in Deutschland – die ersten sechs Lebensjahre verbrachte sie mit ihrer Familie in der Nähe von Frankfurt. Nach der Trennung der Eltern zog die Familie nahe an die Schweizer Grenze, wo sie heute noch lebt. Ihr Stiefvater ist Schweizer, sodass sie sich in beiden Ländern zu Hause fühlt.
«Wir hatten Kaninchen, und mein Vater hatte ein Pferd – das war für mich als Kind das Grösste.» Schon als Sechsjährige begann Laura Kreis mit Reitunterricht. Auch der Garten ist ihr bis heute präsent – die jährliche Osternestsuche begeistert sie noch immer.
Agronomie statt Tiermedizin
Schon früh reifte in ihr der Wunsch, Tierärztin zu werden. Doch es kam anders: «Ich habe den Numerus clausus nach dem Gymnasium knapp verpasst – nur drei Punkte fehlten», erinnert sich Laura Kreis. Da man diesen Test nur einmal pro Jahr absolvieren kann, suchte sie nach einer sinnvollen Überbrückung – und begann schliesslich ein Agronomie-Studium an der ETH Zürich. Doch das Studium war ihr zu theoretisch und naturwissenschaftlich geprägt. «Mathematik, Chemie und Physik spielen dort im ersten Jahr eine grosse Rolle – das war einfach nicht meins und fiel mir auch nicht leicht.»
Aufgeben kam dennoch nicht infrage. Sie orientierte sich neu – und fand im Agronomie-Studium an der HAFL in Zollikofen mit der Vertiefung Pferdewissenschaften eine Richtung, die besser zu ihr passte. «Ich finde einfach, die Landwirtschaft ist eine praktische Branche – das hat mir an der ETH gefehlt.» Rückblickend würde sie jederzeit wieder an die HAFL gehen – heute jedoch mit der Vertiefung Nutztierwissenschaften, wegen besserer Berufschancen und weil sie über Pferde bereits viel Vorwissen mitbrachte. «Die Pferdebranche in der Schweiz ist halt doch sehr klein.»
«Ich durfte alles machen»
Die Praktika im Rahmen des Studiums prägten sie nachhaltig: drei Monate in einem Dressurstall bei Solothurn, wo sie tief in den Alltag mit Sportpferden eintauchen konnte – und danach neun Monate auf einem vielfältigen Betrieb im Fricktal mit Milchkühen, Mutterkühen, Pferden, Ackerbau, Futterbau, Hofladen und Eventgastronomie. «Das war ein hervorragender Einstieg in die Landwirtschaft. Ich durfte auf beiden Betrieben alles machen, und das habe ich sehr geschätzt.»
Diese Zeit war für die Agronomin die Bestätigung: Die Landwirtschaft ist ihr Berufsfeld, hier gehört sie hin. «Am Abend müde zu sein und zu sehen, was man den ganzen Tag gemacht hat – das gibt einem ein richtig gutes Gefühl.»
Nach dem Studium arbeitete Laura Kreis ein Jahr als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Nationalgestüt in Avenches. Die Kombination aus Forschung, Praxis, Beratung und Unterricht empfand sie als ideal – und die Umgebung mit den Pferden war für sie natürlich ein Pluspunkt.
Anschliessend wechselte sie in ein junges Start-up nach Zürich, das einen medizinischen Sensor für Pferde entwickelte – ein Gurt, der Vitaldaten wie Temperatur, Herz- und Atemfrequenz aufzeichnen konnte. «Die Arbeit im Start-up war spannend, mit einem kleinen, motivierten Team. Es herrschte Gründergeist. Und man lernt unglaublich viel, weil man überall mitanpacken muss.»
Doch irgendwann geriet das Projekt ins Stocken, und Laura Kreis spürte, dass es Zeit war für einen neuen Abschnitt. «Ich wusste: Wenn ich jetzt nicht den Schritt raus aus der Pferdewelt mache, bleibe ich mein Leben lang nur dort.» Ganz einfach war der Wechsel nicht: In den Vorstellungsgesprächen war oft die erste Frage, warum sie sich bewerbe, obwohl sie bislang hauptsächlich mit Pferden gearbeitet habe. «Diese Vorbehalte, dass ich mich nur dafür interessiere oder nur das kann, haben mich schon etwas geärgert», räumt sie ein.
Von Pferden zu Mutterkühen
Doch der Wechsel in die Landwirtschaft gelang. Heute arbeitet Laura Kreis bei Mutterkuh Schweiz als Projektmitarbeiterin in einem Team von elf Mitarbeitenden im Bereich Herdebuch. Sie betreut täglich Anfragen von Landwirtinnen und Landwirten per Telefon oder E-Mail, ist zuständig für die Anerkennung und Registrierung ausländischer Zuchtstiere, organisiert mit einem Kollegen die Weiterbildung für das Expertenteam, begleitet ein grosses Digitalisierungsprojekt im Expertenwesen, ist im Organisationskomitee der Fleischrinderschau Swissopen tätig und hilft bei der Organisation der Stierenmärkte. Auch die Social-Media-Kanäle für Produzent(innen) betreut sie. Hinzu kommen gelegentliche Unterrichtstätigkeiten an landwirtschaftlichen Schulen sowie redaktionelle Beiträge für die Verbandszeitschrift.
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Diese Abwechslung schätzt Kreis sehr: «Es ist nicht einfach reine Büroarbeit – man ist auch draussen unterwegs, hat Kontakt mit den Bauernfamilien und kann eigene Ideen einbringen und umsetzen.»
Ihre Nähe zur Mutterkuhhaltung kommt nicht von ungefähr: «Nach den Pferden sind Mutterkühe meine Lieblingstiere in der Landwirtschaft. Ich mag dieses Natürliche – dass das Kalb bei der Mutter bleiben darf. Und ich finde sie einfach schön – wohlgenährt, kraftvoll, elegant.»
Ein Herz für Exoten
Wenn Laura Kreis eines Tages selbst einen Hof führen könnte – ein Thema, das sie beschäftigt, auch wenn die Suche danach schwierig ist –, wären Mutterkühe gesetzt. Ihre Lieblingsrassen sind eher exotisch: die kanadischen Speckle Park, robust, genügsam, mit hervorragender Fleischqualität, oder die australischen Murray Grey, die golden schimmern, sehr fleischig sind und sich durch ihre Anpassungsfähigkeit und Hitzetoleranz auszeichnen.
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Privat schlägt ihr Herz immer noch für Pferde. Sie besitzt zwei: eine ältere Holsteiner Stute mit Sehnenproblemen, die sie nun spazieren führt und mit Bodenarbeit fit hält – sowie den jungen Lusitano Orgão, den sie vor drei Wochen aus Portugal geholt hat. «Er kann schon einiges, ist aber noch nicht ganz fertig ausgebildet.»
Dressur ist ihre Leidenschaft. Sie ist zwar früher Turniere geritten und plant dies auch mit Orgão wieder, legt aber heute mehr Wert auf die Harmonie in der täglichen Arbeit. «Wenn mir jemand sagt, das sieht jetzt richtig schön aus – das bedeutet mir mehr als eine Platzierung.»
Kritik an der Dressurszene begegnet Laura Kreis differenziert: «Es gibt schwarze Schafe, ja – gerade im Spitzensport zählt Geld in einzelnen Fällen mehr als das Tierwohl. Aber vieles wird auch von Leuten kritisiert, die oftmals nicht viel Ahnung davon haben.» Kürzlich hat sie zusätzlich die Ausbildung zur Reitlehrerin in Deutschland abgeschlossen.
Der Hund darf mit
Laura Kreis lebt in Bözen AG, nur 15 Minuten vom Büro in Lupfig entfernt – wohin auch ihr Hund Oskar, eine französische Bulldogge, täglich mitdarf. Ihr Partner ist Koch mit eigenem Restaurant – eine Kombination, die vielleicht eines Tages gut zu einem eigenen Hofkonzept passen könnte.
Die Herausforderungen in der Mutterkuhhaltung sieht sie realistisch: internationale Konkurrenz, hoher Kostendruck, zunehmende Tierseuchen wie Blauzunge oder drohende MKS-Fälle.
Und dennoch ist Laura Kreis überzeugt: «Die Schweizer Mutterkuhhaltung hat Zukunft. Unsere Kleinstrukturiertheit ist eine Stärke. Die Nähe zur Bevölkerung ist ein grosses Plus – in jedem Dorf gibt es noch Höfe, überall sieht man Kühe auf der Weide. Das ist nicht selbstverständlich.»
Fünf Fragen
Was macht Sie schlaflos?
Wenn es einem meiner Tiere nicht gut geht.
Wie belohnen Sie sich selbst?
Mit einem guten Essen in einem schönen Restaurant mit meinem Partner oder extra viel Zeit im Stall.
Welche Tätigkeiten im Alltag erachten Sie als sinnlos?
Warten in einem Stau.
Welche Person (lebend oder bereits verstorben) würden Sie gerne einmal kennenlernen?
Jessica von Bredow-Werndl.
Worauf achten Sie bei einem Mann oder einer Frau zuerst?
Auf gepflegte Hände und schöne Zähne.