Die besten Abschlüsse als Landwirt EFZ im ganzen Aargau machen zwei Jahre in Folge die Lernenden vom Neuhof in Birr.

Wie kommt das? Die Berufsbildnerin und die Junglandwirte geben Antwort.

Es braucht coole Typen

«Diese Lehrstelle ist alles andere als 0815», stellt Willy Bertschi aus Lupfig voran, 24 Jahre, Erstberuf Landmaschinenmechaniker, Abschluss als Landwirt EFZ mit dem Notenschnitt 5,7 vor einem Jahr. «Ich habe sehr viel an Sozialkompetenz gelernt», ergänzt Raphael Amgwerd aus Hünenberg, 26 Jahre, Erstberuf Elektroniker, Abschluss als Landwirt EFZ diesen Monat mit 5,8. Und Betriebsleiterin Sabine Rinderknecht sagt: «Ich hatte grosses Glück mit den beiden. Sie sind sehr coole Typen.»

Das müssen sie auch sein, denn Neuhof-Mitarbeitende brauchen mehr als landwirtschaftsspezifische Kompetenzen. Auf dem Betrieb arbeiten Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen mit, oft wurden sie straffällig. Der Neuhof ist eine Stiftung mit Wohn- und Ausbildungsangebot, den Grundstein gelegt hat Johann Heinrich Pestalozzi im 18. Jahrhundert. Der berühmte Pädagoge betrachtete das bäuerliche Leben als Ideal, einfach und in enger Verbindung mit der Natur.

Die erstklassigen Lehrabschlüsse auf seinem ehemaligen Betrieb hätten ihn gefreut.

Spannend und anstrengend

Die Chefin sucht jeweils schon bei der Einstellung von Lernenden nach gefestigten Personen und informiert sehr offen, was sie erwartet. Denn sie arbeiten mit den internen Jungs mit ihren schwierigen Geschichten und leiten sie an. Diese Betreuungsarbeit sei spannend und ganz schön anstrengend, sind sich die Junglandwirte einig. «Beide haben einen guten Draht zu den Jugendlichen gefunden», sagt Sabine Rinderknecht. Die angehenden Landwirte seien sogar zu Vorbildern für Heimbewohner geworden.

Dass externe Lernende eingestellt werden, hat sie eingeführt. Bei den internen Jugendlichen ist der Beruf Landwirt mässig beliebt.

«Als Landwirtin musst du selber denken können», erklärt Sabine Rinderknecht ihr Lehrprinzip. «Ich lasse den Jungen viel Freiheit, stelle aber auch hohe Ansprüche.» Viel Theorie habe sie mit Willy und Raphael nicht büffeln müssen, auch in den praktischen Arbeiten seien sie stark gewesen. Beide sind auf Landwirtschaftsbetrieben aufgewachsen.

Ihr Rezept in der Schule, wenn es mal mühsam wurde oder sie etwas nicht verstanden haben: Lerngruppen bilden, sich hineinknien und den Knoten lösen. «Sonst holt es dich später ein», stellt Raphael Amgwerd klar.

Fragen statt Anweisungen

«Sabine hat viel Geduld und nimmt sich Zeit, aber sie fordert dich auch», sagt Willy Bertschi über seine ehemalige Berufsbildnerin. Sie stelle Fragen, statt einfach Anweisungen zu geben. «Da fängst du an zu studieren, wie du das auf deinem eigenen Betrieb haben möchtest», sagt Raphael Amgwerd.

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Meisterlandwirtin Sabine Rinderknecht absolvierte ihre Ausbildung, als Frauen in der Landwirtschaft noch Exotinnen waren. Sie ist auf dem Biobetrieb Neuhof seit drei Jahren als Betriebsleiterin angestellt. Zuvor führte sie den Bereich Rindviehhaltung am Strickhof und arbeitete auch im Ausland. Sie liebe Herausforderung und Abwechslung, sagt sie über sich, «und ganz besonders das Ausbilden von jungen Menschen.»

Der Neuhof bezieht als Stiftung keine Direktzahlungen, Ziel der Geschäftsleitung ist trotzdem eine schwarze Null. «Da bin ich noch nicht ganz angekommen, aber unterwegs», kommentiert die Betriebsleiterin. Auch sie ist ehrgeizig.

Erst mal voll in die Praxis

Ab August betreut sie einen neuen Lernenden, einen über 40-jährigen Zweitausbildner. Zudem geht ein interner Jugendlicher ins zweite Ausbildungsjahr als Agrarpraktiker.

Ist die Betriebsleiterschule für Bertschi und Amgwerd ein Thema? Beide winken ab, jetzt wollen sie erst mal ganz in die Praxis. Bertschi arbeitet noch 80 Prozent auswärts, Amgwerd sammelt in den nächsten Monaten weitere Landwirtschaftserfahrung. Ab nächstem Jahr steigen beide voll auf den elterlichen Betrieben ein und setzen dort ihre Ideen um.

Neuhof in Birr AG
Betriebsleiterin Sabine Rinderknecht, von der Stiftung Neuhof angestellt
LN 34 ha
Produktionsart Bio-Knospe
Tierhaltung 12 Angus-Mutterkühe (Natura-Beef-Kanal und Direktvermarktung), 30 Mutterschweine und einige Mastschweine, 4 Pensionspferde
Weiteres Kompostieranlage (rund 2000 t pro Jahr), Hochstammobstbäume, Betreuung von Jugendlichen aus dem Wohnheim bei Arbeitseinsätzen
Arbeitskräfte Betriebsleiterin, 1 Mitarbeiter Vollzeit, 1 bis 2 Lernende