«Bediene dich» sagt Lucia Schmid lächeln und zeigt in der Küche auf die wundervoll hergerichtete Platte. «Ich habe Gurken, Tomaten und Feigen, alles aus meinem Garten, gefüllt mit unserem Schlossere Meerrettichfrischkäse zubereitet». Das lässt sich die Schreiberin nicht zweimal sagen: Es schmeckt vorzüglich. «Es ist auch sehr gesund», erklärt die Bäuerin.
Vor fast 30 Jahren haben Lucia und Willy Schmid, den Betrieb von Willys Eltern übernommen und kurz darauf auf Bio umgestellt. «Es war dazumal keine einfache, aber eine kluge Entscheidung», schaut Lucia Schmid zurück. «Vor fünf Jahren besuchten wir den Hof von Andreas Würsch in Büren/NW. Andreas gilt als ‹der› Demeterbauer, seine Begeisterung schwappte zu mir herüber.» Inzwischen haben Lucia und ihr Sohn die Ausbildung für Demeter absolviert und betreiben nun eine biodynamische Landwirtschaft.
Zuerst Lehrerin und dann Bäuerin
Lucia Schmid ist gelernte Primarlehrerin. Sie absolvierte zudem eine Weiterbildung zur Religionslehrerin mit Spezialisierung auf heilpädagogischen Religionsunterricht. Sie unterrichtete jahrelang. Neben der Erziehung ihrer fünf inzwischen erwachsenen Kinder und den Arbeiten in Haus und Hof absolvierte sie zudem die Bäuerinnenschule. Ihr Mann und sie teilen die Arbeiten auf, und dank guter Planung und viel Arbeit konnten sie ihren kleinen, aber gut positionierten Betrieb Anfang dieses Jahres ihrem Sohn Quirin übergeben. «Quirin meint, dass der Betrieb nicht grösser werden müsse, aber er wolle das, was er mache, gut machen», so Lucia Schmid.
Die Hofübergabe wurde gut geplant
Quirin zeigte schon früh Interesse, den Hof zu übernehmen. Sie hätten sich gut vorstellen können, bis 65 den Betrieb zu führen, «aber wenn die Jungen übernehmen wollen, sollen sie das dürfen. Nun sind wir halt bei ihm angestellt», sagt Lucia Schmid schmunzelnd. Die Übergabeplanung dauerte zwei Jahre. «Durch die Berater der LBBZ Schüpfheim bekamen wir sehr gute Unterstützung und Quirin konnte seine Ideen einbringen.» Sie zeigt auf dunkelbraun gescheckte Kühe auf einer nahen Wiese. Das seien Normande und Quirins Wahl – eine Zweinutzungsrasse, nicht zu gross, gut für Fleisch- und Milchproduktion.
Schmids halten 12 Milchkühe, deren Demeter-Milch von der Neuen Napfmilch als Demeter-Vollmilch in den Verkauf gelangt. Dazu kommen 20 Spiegelschafe, deren Lammfleisch vermarktet wird, und als drittes Standbein den Schlossere Meerrettich. 2018 verlieh Pro Specia Rara ihrem Meerrettich das Gütesiegel. «Seither dürfen wir ihn mit dem Namen Schlossere Meerrettich auszeichnen», erklärt Lucia Schmid.
Eine Leidenschaft für Meerrettich
Auf dem knapp 20 Hektar grossen Schlossermatt-Betrieb in Willisau hegen und pflegen Schmids in der 19. Saison Meerrettich auf rund 80 Aren. Den ersten Meerrettich konnten sie nicht vermarkten. Sie gaben nicht auf, schrieben diverse Grosshändler an, was sich später als richtig erwies: «Ein Biopartner aus Seon ist seither Hauptabnehmer unseres frischen Meerrettichs.»
Vor 12 Jahren begann die Familie, den Meerrettich zu trocknen und pulverisieren. Sie wollten das Pulver auch als Tierfutter vermarkten. Leider ohne Erfolg, da es für die Landwirte zu teuer war. «Wir reichern unser Tierfutter noch immer mit Meerrettich an, weil er für die Tiere sehr gesund ist», sagt Lucia Schmid.
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Per Zufall bekam ein Gastronom aus Solothurn ein Glas Meerrettichpulver zur Hand. «Er war hell begeistert und lud mich ein, an einem Markt in Appenzell teilzunehmen». Es sei ein richtiger und wichtiger Entscheid gewesen. Inzwischen trifft man die umtriebige Bäuerin an namhaften Märkten in der ganzen Schweiz, wo sie mit viel Freude ihren Meerrettich frisch, als Pulver, als Frischkäse und als Chutney mit Gemüse und Früchten aus ihrem Garten an die Kundschaft verkauft. Zudem sind ihre Produkte in diversen Geschäften und übers Internet erhältlich.
Tipps zu frischem Meerrettich
Den frischen Meerrettich im Wasser aufbewahren, wenn möglich in einem Brunnentrog.
Frische Meerrettichwurzeln lassen sich gut einfrieren. Gefroren raffeln, was direkt benötigt wird, den Rest eingepackt wieder ins Gefrierfach legen.
Frische Meerrettichstücke können den Winter über auch in der Blumenkiste oder in der Blumenrabatte vor dem Haus gelagert werden.
Frisch geriebenen Meerrettich nie herumstehen lassen, er verliert sehr rasch an Schärfe, also sofort in einem Dip vermengen oder in eine Sauce einrühren.
Meerrettich eignet sich vor allem für die kalte Küche. Er sollte nicht mitgekocht werden. Eine Möglichkeit ist, Meerrettich mit Rahm zu verrühren und kurz vor dem Servieren ins Risotto zu geben. Oder Meerrettich vermengt mit geschlagenem Rahm auf die Suppe geben.
Ganze Wurzel wird verwertet
Auf dem Feld zeigt Lucia Schmid, wie sie mit einem Blackeneisen einen Meerrettich ausgräbt: «Normalerweise machen wir das mit einer Maschine», sagt sie lächelnd. «Es ist dennoch eine harte Arbeit.» Verwendet werden alle Teile der Wurzeln: Die schönen Wurzeln kommen in den Verkauf, die verletzten werden getrocknet und zermahlen, der Abschnitt wird zum Tierfutter verarbeitet.
Das Kraut lassen sie auf dem Feld zurück. Es verwelkt und dient dann als Humus. Die Ernte dauert von Mitte Oktober bis Ende März. Bei der Meerrettich-Ernte hilft, soweit möglich, die ganze Familie mit. Das Rüsten, Aussortieren, Produzieren und der Verkauf liegen in Lucia Schmids Händen. «Es ist sehr viel Arbeit, doch ich liebe es», sagt sie. Wichtig sei etwas Planung, sodass etwa die Schafe und Kühe nicht auch in dieser Zeit kalbern.
Zurück auf dem Hof, zeigt Lucia voller Freude ihren Bottich, wo sie die Demeterpräparate zubereitet. Sie erklärt das Vorgehen und wie es für sie sehr meditativ wirke. Sie spricht von Kuhhorn, Hornkiesel, Abreifen, Bergkristall – Demeterprodukte zu produzieren, erfordert besonderes Wissen.
Fünf Fragen
Wie belohnen Sie sich selbst?
Ich nehme mir zwei Stunden Zeit für eine Bike-Tour im hügeligen Napfgebiet und geniesse dabei die Freiheit in der Natur und das Abschalten aus dem Alltag.
Welches ist Ihr Lieblingsplatz?
Den kann ich in kurzer Zeit erreichen: Ein paar Minuten auf der Schafweide inmitten der gwundrigen Wollknäuel zu sitzen.
Was ist Ihnen in einer Beziehung wichtig?
Gegenseitige Toleranz, Respekt und Wertschätzung.
Wohin würden Sie gerne einmal reisen?
Ich möchte im hohen Norden die Polarlichter erleben.
Welches Menu gelingt Ihnen immer?
Härdöpfustock und Schwedenbraten mit Gemüsegratin.
Das ganze Tier verwerten
Bei den Treibhäusern zeigt die Bäuerin auf die Tomaten und die prallen Melonen und im Garten wächst reichlich Gemüse. «Wenn man sich selbst versorgen kann – ist das doch ein wahres Geschenk», sagt die Bäuerin. «Das gilt auch für die Fleischproduktion. Wir lieben unsere Tiere und so begleiten wir diese bis zur Schlachterei.» Wichtig ist ihr zudem, das ganze Tier zu verwerten.
Die Natur, das Ernten, Verarbeiten, Hegen und Pflegen liegen der ehemaligen Lehrerin sehr am Herzen. So gibt sie jeden Mittwochmorgen auf ihrem Betrieb SchülerInnen einer heilpädagogischen Schule aus Sursee die Möglichkeit, mitzuhelfen. «Sie erledigen Arbeiten, die gerade anstehen und dürfen somit miterleben, wie Produkte entstehen», erklärt Lucia Schmid.
Weiterarbeiten und die Freiheit geniessen
Für ihre Hobbies nimmt sich Lucia Schmid trotz der vielen Arbeit Zeit. Einmal in der Woche singt sie in Willisau in einem Chor. «Das ist Seelenbalsam für mich.» Mit dem Velo oder wandernd sei sie viel im Napfgebiet unterwegs. Nicht zuletzt freut sich über die Besuche von Kindern und Enkelkindern. «Ich würde mich freuen, noch ein paar Jahre weiterzuarbeiten und mir trotzdem gewisse Freiheiten herausnehmen zu dürfen», sagt sie. «Es wäre schön, weiterhin gebraucht zu werden.»