Manchmal wird aus einem Kindertraum eine Erwachsenenrealität. «Weil ich als Kind Blumenpflückerin werden wollte», schreibt Margrit De Colle als Begründung auf ihre Website, wieso sie Biobäuerin für nachhaltige Schnittblumen wurde. «Ich liebe Blumen, die Natur und die Menschen, und ich wollte Blumen pflücken und daraus Schönes gestalten, aber unbedingt vor der Haustür, quasi super regional, immer jahreszeitlich, fair zu Mensch, Tier und Umwelt.»
Japanische Blumenkunst
Margrit de Colle kam im österreichischen Kärnten zur Welt. Sie besuchte erst eine Modeschule und absolvierte dann ein Studium in Soziologie und Wirtschaft. Während der Studienzeit begann sie mit Ikebana, der japanischen Kunstform des Blumen-Arrangements. «Für mein Herz», wie sie erklärt. Später verschlug es sie beruflich zwei Jahre nach Nigeria. Nach ihrer Rückkehr heiratete sie und war in einer PR- und Eventagentur tätig. Dann kamen ihre Kinder auf die Welt. «Damit ändert sich auf einmal alles im Leben.»
Da sie in der Stadt nicht glücklich war, zog sie aufs Land. Sie begann, in der österreichischen Steiermark Bio-Schnittblumen selbst anzubauen und auch gleich darüber zu erzählen. Denn als sie vor zwanzig Jahren mit dem Projekt «Vom Hügel» startete, interessierte sich in der Blumen- und Dekorationswelt kaum jemand für soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit. «Also musste und wollte ich selbst ein Projekt starten», erklärt Margrit De Colle. 2008 schloss sie die Meisterausbildung als Floristin ab – und arbeitet seither, «so wie ich will», wie sie auf ihrer Website schreibt: «als Bio-Blumenbäuerin und Gestalterin, wild, pur und nachhaltig».
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Mittlerweile hat sie zwei Bücher zum Thema geschrieben. Zudem gründete sie die «Slowflower»-Bewegung mit, einen Verein für Blumenbäuerinnen und -bauern sowie Floral-Designer, die sich auf nachhaltige Schnittblumen spezialisieren.
Keine Subventionen
Heute bewirtschaftet Margrit De Colle gemeinsam mit ihrem Lebenspartner und 10 Mitarbeitenden 7 ha Fläche auf ihrem Hof. «Wir kultivieren Bio-Schnittblumen, Kräuter, essbare Blüten und Gemüseraritäten», erklärt sie. Dazu kommen pro Jahr etwa 100 Gartenführungen, Workshops und Seminare rund ums Thema «Slowflowers». «Mein Projekt erhält keine Subventionen», so Margrit De Colle. «Da stehe ich mit Kopf und Kragen, Haus und Hof allein im Hintergrund.»
«So manche Bäuerin hat lieber Blumenbeete als Milchkühe»
Margrit De Colle, wie sieht derzeit ein typischer Arbeitstag auf Ihrem Hof aus?
Da es später hell wird, sind wir erst um sieben Uhr auf dem Feld. Die Dahlien sind in der Vollblüte, wir sind fleissig am Ernten. Wir bauen immer mehr Blumen an, als wir brauchen, damit sie die Menschen, die den Hof besuchen, bewundern können. Diese Menge und Vielfalt rettet uns zudem, wenn in einem schwierigen Jahr mal eine Blumenart ausfällt.[IMG 4]
Was hat sich seit den Anfängen und Ihrem ersten Buch verändert?
Ich bin nicht mehr allein mit meinen Ideen. Damals gab es nur ein paar englische Bücher zum Thema und keine Workshops. Doch ich hatte die Hoffnung, dass es andere Blumenpflückerinnen im Herzen gibt und dass sich bald mehr Menschen für das Thema «Slowflowers» interessieren.
Wer interessiert sich für «Slowflowers»?
Ich begleite viele Workshops und merkte, dass sich das Interesse vom Privaten ins Unternehmerische verlagert hat. So manche Bäuerin hat lieber Blumenbeete als Milchkühe. Oder die Blumen sind ein ergänzender Betriebszweig. Für viele ist es erst ein Hobby, das sich mit der Zeit zu einem eigenen Blumenunternehmen entwickelt.
Was ist wichtig, damit die Bio-Blumen gedeihen?
Der richtige Standort, ein guter Boden, Vielfalt statt Einfalt sowie Geduld. Es braucht auch eine Fruchtfolge, doch nicht so streng wie beim Ackerbau. Wir bauen zusätzlich viel Gemüse an, das ergänzt sich super.
Gab es Erfahrungen, die Sie rückblickend als Anfängerfehler einstufen?
Ich habe zu oft ja gesagt, wollte es zu vielen recht machen. Zudem habe ich mit mehrjährigen Pflanzen gestartet. Da wartet man, bis man ernten kann.
Wie gross ist das Interesse der Kundinnen und Kunden?
Seit zwei Jahren werden verstärkt Bio-Schnittblumen nachgefragt. Aus Holland höre ich, dass Bauern grossen Blumenproduzenten das Land nicht mehr verpachten wollen, weil zu viele chemische Mittel eingesetzt werden.
Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit vermitteln?
Ich betreibe ein Bio-Blumen-Bildungsprojekt. Wir ernten hier auf dem Hof nur 20 Prozent aller Blumen, die wachsen. Doch wir lassen alle wachsen, um den Besucherinnen und Besuchern zu zeigen, wie Blumen natürlich gedeihen. Es geht mir um die Wissensvermittlung und um das Blumenglück. Das ist mein Thema. Das gibt mir Energie in harten Zeiten.
Buchtipp:
Nachhaltige Schnittblumen
Slowflowers – vom Anbau bis zum Verkauf
200 Seiten, Haupt Verlag