Ab Bauma wird die Strasse schmäler, die Häuser weniger, der Wald mehr. Gegenverkehr fehlt bis zum Dorf Sternenberg auf 900 Meter. Ab da führt ein schmales Strässchen zweieinhalb Kilometer bergab zum Schürlihof. Nun ist klar, warum Martina Guyer vor dem Besuch schrieb: «Hier noch der Link auf Google Maps, so dass Sie uns finden am Ende der Welt.»
Die 38-jährige Landwirtin wohnt seit zweieinhalb Jahren hier. «Am Anfang hat es sich wie Auswandern angefühlt, einzig Sprache und Währung haben sich nicht geändert gegenüber meinem früheren Wohnort Wettswil am Albis», erinnert sie sich lachend bei der Begrüssung.
Frühe Liebe zu Tieren
Als Erstberuf hatte sich Martina Guyer Primarlehrerin ausgesucht. Sie verbrachte aber viel Freizeit auf dem Pachtbetrieb von Verena Schindler und ihrem Vater Peter Fenner in der Folenweid in Stallikon. Weil sie schon immer Tiere liebte, plante sie, dereinst diese Pacht zu übernehmen. Deshalb starteten Martina und ihr Freund Andreas Guyer die Ausbildung zum Landwirt und heirateten während der Lehre. Als Bewerber der Pacht Folenweid schafften sie es schliesslich nicht in die Endrunde.
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Über Bekannte des Vaters erfuhren sie, dass der Schürlihof in Sternenberg mit 8,5 Hektaren steilem Land und 9 Hektaren Wald zu kaufen sei. Die Besitzer Hans und Elsbeth Lüthi waren gewillt, an die jungen Leute zu verkaufen, aber Martina Guyer verlangte eine Bedenkzeit. «Ich konnte mir zuerst nicht vorstellen, so abgelegen zu leben», erinnert sie sich. Dennoch wählte sie bewusst eine Lebensform mit wenig Luxus und naturnahem Leben in der Bergzone II.
Der Start war turbulent
Im Sommer 2019 wurde der Kauf abgewickelt und bereits im Herbst zügelte Martina Guyer ihre Hühner und Schafe auf den Schürlihof. Im Sommer darauf schloss sie die Ausbildung als Landwirtin ab, unterrichtete aber bis zu den Sommerferien 2021 weiter in Bonstetten am Albis. Sie schloss das Schuljahr mit ihren damaligen 3.-Klässlern ab.
Am 14. Juli 2021 zog sie endgültig zu ihrem Mann auf den Schürlihof. «Ab Tag eins war ich beim Umbau des Stalls dabei, betreute Feriengäste und bewarb mich für ein Teilpensum der Unterstufe an der Primarschule Sternenberg», schaut sie zurück und wundert sich, wie sie damals alles schaffte. Doch der Aufwand hat sich gelohnt: «Auf dem Schürlihof fand ich meinen Frieden, weil ich täglich um meine Tiere sein kann.»
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Limousin, Angus und Dexter
Weil zeitgleich die Pacht auf der Folenweid endete, konnte das Paar viel vom Inventar übernehmen, dazu schenkten die leidenschaftlichen Limousin-Züchter Verena Schindler und ihr Vater ihnen einige Zuchttiere. Später kamen drei trächtige Angus-Kühe dazu. Weil die Naturwiesen des Schürlihofes vor allem aus steilen Weiden bestehen, kauften sie zusätzlich drei Dexter-Kühe.
Die Angus kreuzen sie mit den Rassen Wagyu und Lowline Cattle. Letztere sind sehr kleine, genetisch hornlose Angus. Als leichte Tiere verursachen sie weniger Trittschäden beim Weiden. Die Limousin-Kühe werden mit genetisch hornlosen Stieren besamt, denn die junge Landwirtin will den Kälbern die Schmerzen einer Enthornung ersparen.
Wichtige Nebenerwerbe
Heute, im Januar 2024, ist das Ehepaaar Guyer wirklich angekommen auf dem Schürlihof. Mit drei Rindviehrassen sei zwar der Aufwand beim Besamen grösser, doch die Dexter würden das Gras auch an Steilhängen fressen, betont Martina Guyer. Sie verkaufen im Internet Rind- und Lammfleisch direkt.
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Im Sommer bieten sie Gästen Zeltübernachtungen an in der einzigartigen Landschaft des Sternenbergs, wo in klaren Nächten der Sternenhimmel intensiv leuchtet. Der tägliche Umgang mit ihren Tieren bedeutet für Martina Guyer Erholung, Abstand von der Schule und dem Rest der Welt. «Eine Schulklasse und eine Viehherde funktionieren ähnlich», erklärt sie lachend.
Traum: finanziell unabhängig
Ihr Mann Andreas liebt das Snowboarden im Tiefschnee und bietet im Winter Schneetagbegleitungen neben der Piste an. Martina Guyer gönnt sich gelegentlich eine Auszeit mit Kolleginnen. Beide sind eingespannt in Hof- und Auswärtsarbeit, aber drei Tage Ferien hat sich das Paar seit der Hofübernahme gegönnt.
«Wir finanzieren unseren Hof mit unseren Nebenerwerben», ist sich Martina Guyer bewusst. Das sei der Preis für ein Leben auf dem eigenen Hof mit super Wohnlage. Doch sie blickt vertrauensvoll in die Zukunft. Ihr Ziel ist, mit ihrem Mann eine Familie zu gründen und dass der kleine Hof finanziell unabhängig vom Nebenerwerb wird.
Weitere Informationen: www.schafseckel.net
Fünf Fragen an Martina Guyer
Was können Sie besonders gut?
Mit Tieren umgehen.
Welchen Traum möchten Sie verwirklichen?
Ein Buch schreiben. Ich bin dran, es handelt von Tieren.
Welches ist Ihr Lieblingsplatz?
Auf der Wiese, wo unser Gästezelt steht, im Liegestuhl den Sonnenuntergang geniessen.
Wie lautet Ihr Lebensmotto?
Ich bin selber verantwortlich für mein Leben und mein Glück.
Welche Arbeit liegt Ihnen gar nicht?
Büroarbeit und Steuererklärung. Wenn zusätzlich der Compi Macken hat, werde ich wahnsinnig.