Beim Mangosetzling greift Miriam Mikayo David in den Boden und hält eine Handvoll Erde vor sich: «Schau nur, wie dunkel diese Erde hier ist! Da drüben beim alten Maisfeld ist sie rot.» Vor fünf Monaten hat die Bäuerin an einem Workshop erstmals von Agroforstwirtschaft erfahren und danach sofort begonnen, ein Feld entsprechend zu bewirtschaften.  

Die Farm der 38-Jährigen misst gerade einmal eine Hektare und liegt im kenianischen Bezirk Makueni. Die Bäuerin muss sich allein um die drei Söhne im Schulalter und die Farm kümmern. Ihr Mann arbeitet in Nairobi, um die Familie finanziell zu unterstützen. Während nebenan die Maispflanzen weit auseinander stehen, gedeiht um Miriam David herum das neu angelegte Feld in üppigem Grün. In Reihen unterteilt wachsen hier Getreide, Maniok, Erdbeeren, Kürbisse und allerlei Gemüse – flankiert von Setzlingen von Bananen-, Avocado- und Papayabäumen. «Hirse und Spinat habe ich bereits geerntet», freut sie sich. 

Auf Mischkultur setzen, statt Ernteausfälle managen 

Früher habe sie ausschliesslich Mais und Bohnen angepflanzt und auf synthetische Pestizide gesetzt. «Und trotzdem konnte ein Insekt eine ganze Ernte vernichten», erklärt Miriam David. «Im Workshop habe ich gelernt, dass die Chemikalien für meinen Körper und meine Kinder schädlich sind.» Seither verwendet sie keine synthetischen Pestizide mehr und setzt auf natürliche Methoden, um Schädlinge fernzuhalten. Im Workshop hat sie auch erfahren, wie wichtig es ist, auf ihrer kleinen Farm eine Mischkultur anzupflanzen: «Wenn jetzt der Mais von einem Schädling befallen wird, können wir immer noch andere Pflanzen ernten, die die Insekten nicht interessieren.» 

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Organisiert wurde der Workshop von Biovision, einer Schweizer Stiftung für ökologische Entwicklung für Menschen in Subsahara-Afrika. Dank dieses Projekts hat die Familie von Miriam David jetzt mehr Abwechslung auf dem Teller, ein kleineres Risiko für Ernteausfälle und damit mehr Ernährungssicherheit sowie ein zusätzliches Einkommen. Hier im Süden Kenias ist es trocken. «Die grosse Herausforderung ist das Wasser», sagt die Bäuerin. In der Trockenzeit muss sie es in Kanistern vom kleinen Stauwehr herschleppen. Bis zu 20-mal am Tag. Um künftig noch mehr Regenwasser sammeln zu können, wünscht sie sich einen grösseren Tank.  

Das Wasser in der Regenzeit speichern

Doch Miriam David verlässt sich nicht auf Unterstützung. Sie handelt selbst: «Ich muss in der Regenzeit Wasser speichern, damit man die Schönheit der Farm sehen kann.» Und so finden sich überall auf ihrem Land Gräben, die das kostbare Regenwasser zurückhalten sollen. Der grösste, gleich unter den alten Bäumen bei ihrem neuen Feld, ist über zwei Meter tief. Auch diesen, so versichert sie lächelnd, habe sie ganz allein ausgehoben: «I’m a strong woman!» Sie sei eine starke Frau, sagt sie und ergänzt: «Das war harte Arbeit, aber es funktioniert.» Für sie ist klar: Nur das Wasser sichert die Ernte, und die Ernte braucht es, damit ihre Kinder satt werden. 

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Stolz ist Miriam David auch auf ihre eigene kleine Saatgutbank: In einfachen Tütchen und Säckchen bewahrt sie aktuell die Samen von Koriander, Papau, Schwarzem Nachtschatten und Kürbissen auf. Für sie bedeutet diese Saatgutbank Unabhängigkeit: Sie muss niemanden um Saatgut bitten und kann ihr Land eigenständig weiter bepflanzen. 

Nachhaltige Landwirtschaft verbindet 

Miriam David gehört zu den rund 500 Bäuerinnen und Bauern, die für das Projekt Urban Nutrition – zu Deutsch: Ernährung in der Stadt – mit nachhaltigen Anbaumethoden Lebensmittel produzieren. Zweimal die Woche bringt ein Lieferwagen ihre Avocados, das Blattgemüse und die Süsskartoffeln in die Hauptstadt Nairobi. Dort landen die Produkte jedoch nicht in Supermärkten, sondern im Armenviertel Viwandani. Verkauft werden das Obst und das Gemüse im projekteigenen Laden und bei fünf Mama Mbogas, wie die Strassenverkäuferinnen hier genannt werden. 

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Urban Nutrition zeigt, wie es gelingen kann, dass alle voneinander profitieren: Weil Miriam David und die anderen Bauernfamilien aus Makueni nachhaltig anbauen, erhalten die Menschen im Armenviertel gesunde Lebensmittel, die den ersteren wiederum einen Zusatzverdienst ermöglichen. Und Miriam David wird, sobald sie den Mais geerntet hat, auch das alte Feld mit der noch roten Erde in einen Agroforst verwandeln. Ihre Begeisterung hält an und wirkt weit über ihre Farm hinaus: «Ursprünglich stamme ich aus dem Massai-Land. Meine Familie dort setzt allein auf Mais, Bohnen, Milch und Fleisch. Doch jedes Mal, wenn sie mich hier besuchen kommt, zeige ich ihnen die Veränderungen auf meiner Farm. Mit der Zeit werden sie von uns lernen.» 

Der Autor arbeitet als Redaktor bei der Stiftung Biovison

Die Stiftung Biovision
Biovision setzt sich für nachhaltige Ernährungssysteme ein – vom Feld bis zum Teller. Die Stiftung fördern nach eigenen Angaben «agrarökologische Ansätze, soziale und faire Wertschöpfungsketten und Ernährungssicherheit im Einklang mit der Natur». Biovision wurde 1998 vom Schweizer Insektenforscher und Träger des Alternativen Nobelpreises Hans Rudolf Herren gegründet. «Unsere Projekte und Initiativen tragen dazu bei, das Leben von Bauernfamilien zu verbessern und die Umwelt zu schützen», schreibt die Stiftung. «Dabei setzen wir auf Agrarökologie. Dieser ganzheitliche Ansatz umfasst neben nachhaltigen Anbaumethoden und sozialverträglichem Wirtschaften auch den Dialog auf politischer Ebene. So begegnen wir den globalen Herausforderungen wie Hunger, Klimawandel und Biodiversitätsverlust.»
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