Sie liegt im Berner Jura an der Südflanke des Chasserals, die Métairie de la Petite-Douanne oder auf Deutsch die Alpwirtschaft Twannbergli. Auf 1303 m ü. M. geht hier die Familie Bühler aus Courtelary BE schon seit vier Generationen z Alp. Dieses Jahr zum hundertsten Mal. Heute sind es Daniel und Heidi Bühler mit ihrer Familie, vorher waren es Daniels Eltern Alfred und Gertrud Bühler. Von Mitte Mai bis Ende Oktober dauert jeweils der Alpsommer. 43 Kühe, 70 Rinder und rund 50 Alpschweine nimmt die Familie Bühler mit auf den Berg. Die Milch wird dort oben zu Alp-Gruyère AOP verarbeitet, die Métairie ist für ihr Fondue bei der Gästeschar weitherum bekannt.

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Sie könnten ein Buch schreiben

Die BauernZeitung hat Alfred und Gertrud Bühler getroffen. Sie haben das Twannbergli über 60 Jahre lang geprägt. Sie haben die Alp, die der Burgergemeinde Twann gehört, zu dem gemacht, was sie heute ist. Sie könnten ein Buch schreiben über ihr Leben, über ihre strengen Arbeitstage. Sie erzählen, wie einmal der Blitz eingeschlagen hat. Erzählen, wie früher der Viehhandel gelaufen ist. «1925 konnte mein Grossvater das Twannbergli pachten», weiss Alfred Bühler noch.

Er selber sei im Alter von dreieinhalb Monaten mit seinen Eltern zum ersten Mal auf die Alp gekommen. «Als ich älter war, sagte ich immer am ersten Abend meiner Mutter unter der Küchentüre, dass ich lieber zu Hause schlafen möchte und nicht auf dem Berg», erzählt der heute 86-Jährige lachend am Küchentisch. Das Älplerleben und die Kühe haben Alfred Bühler schon als kleinen Bub geprägt.

«Ich wollte nie etwas anders lernen als Bauer. Schon als Vierjähriger stand ich auf der Futterkrippe und band die Kühe selber an», weiss er noch. 28 Kühe hatte damals sein Vater gealpt. Gemolken wurde von Hand, der Käse nach alter Tradition in einem Hängekessi auf offenem Feuer hergestellt. Eines hatte der junge Bühler aber schon früh im Blut: das Handeln mit Vieh. «Wenn ich jeweils auf der Alp den gut einstündigen Schulweg unter die Füsse nahm, wollte ich immer diese und jene Kuh beim Nachbar kaufen», sagt er. Dass einmal der Viehhandel bei ihm zu einem wichtigen Standbein werden könnte, ahnte er damals noch nicht. Später, am 27. Januar 1962, hat Alfred Bühler dann seine Frau Gertrud, oder, wie alle zu ihr sagen, Trudi, kennengelernt. Die junge Frau aus Rütschelen im Oberaargau arbeitete in dieser Zeit bei Chocolats Camille Bloch in Courtelary. An einem Jodlerabend hat es dann gefunkt: «Es war Liebe auf den ersten Blick», sagt Alfred Bühler voller Stolz.

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Am gleichen Strick

60 Jahre seien sie jetzt verheiratet. «Am 10. April konnten wir unser Jubiläum feiern», so Trudi Bühler. Sie, die in all den Jahren ihren Mann auf der Alp wie auch auf dem Talbetrieb unterstützte, blickt auf ein arbeitsreiches Leben zurück. «Eine bessere Frau hätte ich mir nicht wünschen können», lautet die Liebeserklärung von Alfred Bühler. Sie wussten, was sie aneinander hatten, zogen am gleichen Strick. «Mitteilen, was einen beschäftigt, und sagen, wo man hingeht, das haben wir uns immer versprochen», so das Ehepaar.

Auf dem Viehhandel

Im Jahr 1971 konnten Alfred und Trudi Bühler den Talbetrieb und den Twannberg von Alfreds Eltern übernehmen. Nun waren sie Herr und Meister auf der Alp und auf dem Hof. Alfred Bühler wusste, wie man aus einem Betrieb das Maximum rausholte. «Wir haben immer viel gearbeitet. Besonders während der Alpsaison», sagt er. «Wenn mein Mann auf dem Viehhandel war, ging ich mit den Kindern am Abend schon in den Stall», weiss Trudi Bühler noch. Doch auf der Alp hat sie vor allem eins gemacht: in der kleinen Küche unzählige Fondues für die Gästeschar zubereitet. «Der Rekord war einmal an einem Mittwoch, da habe ich für 110 Portionen Käse gerieben», sagt sie. Während der Alpsaison habe sie auch die Weiden von Stauden und Unkraut befreit. «Ich weiss nicht, wie viele Steine ich weggetragen habe», sagt sie.

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Wenn die Gäste ins Twannbergli kommen, bestellen sie meistens Fondue. «Einmal hat ein Gast sogar morgens um 7 Uhr ein Fondue bestellt», sagt Alfred Bühler. Das Brot dazu wird bis heute von Bühlers selbst gebacken. «Am Morgen vor dem Melken habe ich jeweils den Teig geknetet, damit wir am Mittag immer frisches Brot hatten», erzählt Trudi Bühler von ihren strengen Arbeitstagen. Man habe es einfach gemacht und nicht viel studiert dabei. «Wir durften all die Jahre auf eine treue Kundschaft zählen, sogar aus Frankreich kamen Leute zu uns», sagen beide dankbar. Alfred Bühler war am Berg für das Käsen und am Abend im Alpbeizli für die Gäste zuständig. Er war ein Könner seines Werkes: «Rund 250 000 Kilo Gruyère-Alpkäse habe ich in all den Jahren hergestellt», sagt er bescheiden. Heuen im Tal, die Weiden auf der Alp in Schuss halten, Zäunen, Käsen – all das nahm jeweils sehr viel Zeit in Anspruch, doch die ganze Familie half mit.

Daneben zog es Alfred Bühler immer wieder auf den Viehhandel. «Wir tränkten früher keine Kälber selber ab. Wir kauften die Rinder und vor allem im Herbst und Winter die Erstlingskühe neu dazu.» Gefunden hat er seine Lebware im Berner oder Neuenburger Jura. «Die La Brévine war mein Hauptgebiet», sagt er. Einzelnen Bauern habe er während den 1960er- bis 1990er-Jahre bis zu 400 Tiere abgekauft. Danach wurden die Kühe einen Sommer lang auf dem Twannberg gesömmert und gemolken.

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Die ersten Kunden

Ab Juli und August kamen dann die ersten Kunden. Bauern aus dem Berner Seeland, aus dem Gürbetal, ja sogar Händler aus der Ostschweiz und kauften bei Bühlers tragende Kühe ein. «Die Tiere blieben dann bis Ende Alpsaison noch bei uns, damit wir unser Käsekontingent erfüllen konnten», sagt der 86-Jährige. In den 1950er- und 1960er-Jahren betrugen die Kuhpreise ab 2800 Franken. In den 1980er-Jahren war die Blütezeit des Handels. Damals bekamen die Talbauern für eine gekaufte Bergkuh zusätzlich noch 1500 kg Milchkontigent dazu. «7000 Franken für eine Kuh war damals keine Seltenheit», weiss Alfred Bühler noch.

«Wir schleipften Bang in den Stall.»

Alfred Bühler erzählt, wie sie alle Kühe schlachten mussten.

Über 9000 Franken

Natürlich hatte man auch viele «Stürmis» dabei, die gerne den Preis runterdrückten oder ohne «Märte» nicht vom Platz gingen. «Ich hatte immer eine klare Linie. Stimmte der Preis, war jedes Tier verkäuflich», so der Altlandwirt. Einmal habe er im Herbst einem Viehzüchter aus dem Berner Seeland zwei schöne, nähige Rinder abgekauft. Das eine wurde eine gute Nutzkuh, das andere eine Ausstich von einer Erstlingskuh. Es ging nicht lange, da klopften schon die ersten Viehhändler aus dem Berner Oberland an der Türe, sie wussten wohl, dass bei Bühlers etwas Spezielles im Stall steht. Auch Fritz Graf aus Aeschi bei Spiez kam eines Tages vorbei. «Graf sagte zu dieser und zu jener Kuh etwas, doch ich wusste genau, was er eigentlich wollte», erzählt Alfred Bühler die Geschichte. Bei der schönen Erstlingskuh blieb Graf stehen und meinte nur: «Was isch mit dere»? «Unverkäuflich», sagte ich damals. Graf zog darauf die Geldbörse aus der Kuttenbluse und legte eine, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht Tausendernoten auf das Stallbänkli. «Wie mängi bruchsch no?», fragte Graf damals. «Ich sagte zu ihm, bei einem anderen würde ich 10 000 Franken verlangen, weil du es bist, leg noch 500 Franken dazu», so Bühler. Graf liess sich nicht lange lumpen und legte auch noch die restlichen fünf Hunderternötli aufs Stallbänkli.[IMG 6]

«Mein Sohn Daniel hatte danach am anderen Morgen nicht mehr mit mir gesprochen, wollte der mit unserer Ausstichkuh doch an die Viehausstellung nach Saignelégier JU fahren», weiss Alfred Bühler noch. Doch er sagte ihm: «Was bringt es uns, wenn der Kuh vielleicht in zehn Tagen das Euter kaputt ist?» Sein Motto war immer: Lieber «gröjig» verkauft als «gröjig bhalte». Es gab auch Käufer, denen fehlte zum Beispiel an der Herbstschau noch eine Spitzenkuh in der Klasse 3. Diese suchten sie dann bei Bühlers im Stall.

Am Markt in Nods

Früher konnte man gutes Vieh auch jeweils am 12. Mai am Märit in Nods BE erwerben. Viele Hirtschaften aus dem Chasseral kauften sich dort vor Alpbeginn die nötigen Kühe ein. «Mit rund 90 Kühen liefen wir Hirten dann von Nods über den Chasseral und verteilten sie dann auf den Bergen auf die bestimmten Hirtschaften», erinnert sich Alfred Bühler an die Zeit zurück, als der Viehhandel seine Blütezeit hatte. Er erinnert sich auch noch daran, wie die verkauften Kühe vom Twannbergli bis 1968 im Bahnhof Courtelary in Bahnwagons verladen wurden und dann über Biel in alle Himmelsrichtungen zu ihren Käufern gefahren wurden.

Alle Kühe schlachten

Doch Alfred Bühler erzählt auch von Schicksalsschlägen, zum Beispiel als sie am 13. Februar 1967 alle Kühe schlachten mussten. «Wir schleipften mit zugekauften Tieren Bang in den Stall. Auf Anordnung des Tierarztes mussten wir damals alle Kühe schlachten», weiss er noch. Oder als am 4. Juni 1982 um 16 Uhr ein unscheinbares Gewitter über den Twannberg hinwegzog. Zweimal gab es ein kräftiges Gedonner und ein Blitz schlug in eine Weidetanne ein. «Vier von unseren Kühen wurden damals vom Blitz getötet, dabei auch unsere schöne Lila, die damals am meisten Milch gab», weiss der Züchter noch.[IMG 7]

Rückblickend können sie sagen: Sie haben alles richtig gemacht. Auf dem Twannbergli konnten sie die Gebäude 1985 im Baurecht kaufen und im Jahr 1987 einen neuen Stall erstellen. Auch in der Alpkäserei gab es eine Veränderung: «Im Jahr 2003 installierten wir für 45 000 Franken einen Dampfkessel», sagt Alfred Bühler. Aus gesundheitlichen Gründen können Trudi und er heute nicht mehr jeden Tag auf der Alp sein. «So ist das Leben. Die Alten gehen, die neue Generation kommt», sagen sie und schauen sich gegenseitig an.