Nadia Barmettler, Anita Knuchel, Bäuerin im Rollstuhl, war nur unfallversichert, da sie das Risiko, zu verunfallen, grösser einschätzte, als zu erkranken. Was meinen Sie dazu?

Nadia Barmettler: Leider ist die landläufige Meinung, dass Invaliditäten hauptsächlich durch Unfälle bedingt sind. Dabei lassen sich nur rund acht Prozent der Invaliditätsfälle auf Unfälle zurückführen, während 80 Prozent krankheitsbedingt sind. Bei den Todesfällen sind vier bis fünf Prozent auf Unfälle zurückzuführen, während rund 90 Prozent krankheitsbedingt sind. Die Agrisano weist die Bauernfamilien immer darauf hin, Krankheit und Unfall gleichwertig abzusichern. Wir bieten eine Kombiversicherung für Unfall und Krankheit an.

Sind solche Versicherungen nicht sehr teuer?

Dies hängt stark vom jeweiligen Angebot und den Leistungen ab. Die Prämie ist in der Regel altersabhängig und steigt meist mit zunehmenden Alter. Dass nicht mehr solche Versicherungen abgeschlossen werden, hängt oft damit zusammen, dass bei Versicherungen für das Krankheitsrisiko im Gegensatz zu denjenigen für Unfallrisiko eine Gesundheitsprüfung notwendig ist und sie deshalb häufig weniger empfohlen werden. Man sollte die Versicherungen immer möglichst jung und solange man gesund ist, abschliessen.

Heinz Knuchel wies für seine Frau Anita Knuchel einen Lohn für Betriebsarbeiten in der Buchhaltung aus, das wirkte sich positiv auf die IV-Rente aus. Wie geht man da vor?

In diesem Fall wird die Ehefrau als familieneigene Mitarbeiterin angestellt. Ihr Lohn wird somit der AHV-Ausgleichskasse angemeldet und der Betriebsleiter bezahlt die AHV- Beiträge.

Als familieneigene Mitarbeiterin untersteht die Ehefrau, im Gegensatz zu familienfremden Angestellten, nicht den obligatorischen Sozialversicherungen in der zweiten Säule. Mit einer freiwilligen Risikoversicherung kann sie den fehlenden Risikoschutz decken. Mit einem AHV-pflichtigen Einkommen kann die Ehefrau steuerbegünstigt in die freiwillige berufliche Vorsorge Säule 2b einzahlen und/oder mit der freiwilligen Säule 3a fürs Alter sparen.

Kann man unentgeltliche Arbeiten, wie zum Beispiel Angehörigenpflege, gegenüber der ersten Säule geltend machen?

Für die Pflege von Angehörigen haben Versicherte Anspruch auf Betreuungsgutschriften, wenn sie in auf- oder absteigender Linie Verwandte oder Geschwister betreuen.

Die Betreuungsgutschrift muss jährlich bei der kantonalen Ausgleichskasse im jeweiligen Wohnkanton geltend gemacht werden. Sie wird wie die Erziehungsgutschriften (versicherte Eltern haben für die Jahre, in denen ihnen die elterliche Sorge über eines oder mehrere Kinder unter 16 Jahren zusteht, Anspruch auf Erziehungsgutschriften) in die Rentenberechnung einbezogen.

Erziehungs-und Betreuungsgutschriften können nicht kumuliert werden. Betreuungsgutschriften können damit nur für Jahre geltend gemacht werden, in denen kein Anspruch auf Erziehungsgutschriften besteht.

Welche Leistungen zahlt die IV in der Regel, wenn jemand auf dem Bauernhof in den Rollstuhl kommt?

Dafür gibt es keine pauschale Antwort. Bei der IV gilt: Eingliederung vor Invalidität. Falls also ein Küchenumbau oder eine Anpassung der Infrastrukturen hilft, dass die Bäuerin weiterhin verschiedene Tätigkeiten selber ausführen kann, werden diese Investitionen eher getätigt.

Was können Sie selbständigerwerbenden Landwirten als Vorsorge gegen Invalidität sonst noch raten?

Man sollte unbedingt den Erwerbsausfall bei Invalidität versichern. Wer das nicht macht, hat nur Anrecht auf die Leistungen aus der ersten Säule. Das sind Beträge zwischen 14 220 und 28 440 Franken pro Jahr. Damit kann der Lebenshaltungsbedarf oft kaum gedeckt werden.

Bei der Agrisano orientieren wir uns an Richtwerten, die zur Weiterführung des gewohnten Lebensstandards dienen. Diese werden individuell, ausgehend von Alter, familiärer Situation und aktuellem Einkommen, angepasst. Bei einem durchschnittlichen Familieneinkommen von 80 000 Franken empfehlen wir eine Deckung für den Betriebs-leiter von 72 000 Franken, für mitarbeitende Familienmitglieder 48 000 Franken pro Jahr. Nach Berücksichtigung aller anderen zu erwartenden Leistungen (erste Säule, Pensionskasse usw.) berechnen wir dann die noch benötigte Versicherungs-deckung. Es lohnt sich aber auf alle Fälle, die Vorsorgesituation durch eine Fachperson überprüfen und sich beraten zu lassen. Denn jede Situation ist sehr individuell.

Von wem oder wo bekommt man Hilfe, wenn man sich von den Versicherungen ungerecht behandelt fühlt?

Es lohnt sich der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung. Der Casemanager der IV (für den Fall zuständige Person) sollte jedoch Unterstützung leisten.