Taro, Oca oder auch Yacon: Das sind nicht etwa trendige Babynamen, sondern essbare Pflanzen, auch für hiesige Gärten. Denn da sich das Klima verändert, lohnt es sich für Gärtnerinnen und Gärtner, Neues auszuprobieren.
Milde Winter und Hitzesommer. Mehr Wind und Starkregen und immer mal wieder Hagelkörner gross wie Pingpongbälle. Welche Gemüse und Kräuter kommen damit klar, auch ohne den Einsatz von Chemie? Und auf welche lieb gewonnenen Klassiker muss man deshalb nicht verzichten?
Nicht weniger, sondern anders
Sabine Reber und Markus Kobalt haben mit «Der essbare Garten» darüber ein Buch geschrieben. «Beim Gemüse ist nicht weniger möglich, sondern anders», sagt Sabine Reber. Sie ist Redaktorin, Gartenkolumnistin und hat als Autorin über 20 Bücher herausgegeben.
«Wir wollen den Leuten zeigen, dass es für die veränderten Klimabedingungen neue Pflanzen gibt, durch Selektion und Züchtung», ergänzt Markus Kobelt. Er ist Besitzer und Gründer der Baumschule Lubera. Die dazugehörigen Betriebe in der Schweiz und in Deutschland produzieren zusammen mehr als eine Million Pflanzen, vor allem essbare.
Neue Art von Bauerngarten
Tatsache ist: Durch die Veränderung des Klimas hat so manch alte Bauerngartenpflanze heute einen schweren Stand. «Der klassische einjährige Gemüseanbau der letzten 100 Jahre mit seinen einheitlichen Beetchen und Monokulturen wird problematisch: Er braucht viel Wasser, viel Gift und sehr viel Arbeit. Das ist passé», schreiben Reber und Kobelt im Buch.
Sie möchten Mut machen für einen wilderen, vielfältigeren Garten. «Neue Pflanzen, wiederentdeckte alte Pflanzen und neue Sorten machen das Gärtnern auch unter den veränderten Bedingungen einfacher und lustvoller.» Dazu gehört, dass vermehrt Pflanzen aus anderen Teilen der Welt Einzug in unsere Gärten finden.
Anpassungsfähige Erfolgspflanzen
Das ist eigentlich nichts Neues. «Dass nur alte Sorten gute Sorten sind, stimmt so nicht. Das gilt auch für Aussagen wie, ‹das war schon immer so›», weiss Sabine Reber. «Wir wären ohne fremde Pflanzen aufgeschmissen», sagt Pflanzenzüchter Markus Kobelt und plädiert dafür, den Begriff «Neophyt» nicht nur als etwas Negatives anzusehen. «Aus warmen Regionen stammende Fruchtgemüse wie Gurken, Tomaten oder Kürbisse passen sich seit 500 Jahren an. Nicht zuletzt sind fremde Pflanzen, die sich bei uns durchsetzen, auch erfolgreiche Pflanzen.»
Ein Umdenken ist auch aus anderen Gründen angesagt. «15 Pflanzenarten liefern weltweit 95 % unserer Nahrungsenergie», schreiben die beiden im Buch. 90 % aller Züchtungsbemühungen betreffen ebenfalls diese Arten. 60 % des weltweiten Kalorienbedarfs decken wir Menschen mit nur drei Pflanzen: Mais, Weizen und Reis. «Allein schon aus Risikoüberlegungen ist es dringend notwendig, diese dürftige Auswahl zu ersetzen.»
«Der Garten kann dabei als Labor für die Landwirtschaft betrachtet werden», so Markus Kobelt. «Denn in der Landwirtschaft gibt es bis heute kaum resistente Sorten, da dort ganz andere Prioritäten gesetzt werden.» Neue Züchtungen für den Privat- oder Bauerngarten sollten aber nicht nur resistent sein, sondern auch im Geschmack überzeugen und einfach anzubauen sein.
Schmackhafte Exoten
[IMG 2] Oder man probiert gleich etwas ganz anderes aus, wobei wir wieder bei Taro, Oca und Yacon wären.
Taro: Die Pflanzen mit ihren dekorativen, grossen Blättern kann man in Asia-Läden kaufen. Sie brauchen viel Feuchtigkeit, sind aber hitzeresistent. Die Knollen der Pflanzen sind in Asien, Afrika oder auch auf Hawaii ein bewährtes Grundnahrungsmittel. Die bis zu vier Kilo schweren Knollen werden wie Kartoffeln verarbeitet.
Yacon: Das Gewächs stammt aus den Hochlagen der Anden, sie wachsen fast überall und das Wetter ist ihnen weitgehend egal. Sie bilden grosse schmackhafte Knollen, die roh oder gegart gegessen werden können.
Oca: Diese Pflanze stammt ebenfalls aus den Anden, schon die Inkas kannten sie. Die Pflanze mag es aber halbschattig bis schattig. Sowohl die Blätter und Triebe als auch die Knollen des Sauerklees sind essbar, sowohl roh als auch gekocht.
Ewige Gemüse
Sabine Reber und Markus Kobelt sprechen sich zudem dafür aus, wieder vermehrt mehrjähriges oder ewiges Gemüse anzubauen: einmal setzen, jahrelang ernten. Dazu gehören zum Beispiel Meerrettich, Ewiger Kohl, Meerkohl, Topinambur, Spargel, Rhabarber, Schnittknoblauch, Heckenzwiebeln, Cardy und Artischocken.
Für mehrjährige Pflanzen spricht so einiges: Man muss nicht jeden Frühling neue Samen und Setzlinge kaufen und diese dann hegen und pflegen. Das spart Zeit und Nerven und ist auch nachhaltiger. Zudem wird der Boden weniger beansprucht. Viele Gemüsestauden sind robust und wachsen auch bei Wetterkapriolen munter weiter. Nicht zuletzt brauchen sie deutlich weniger Betreuung, was bei den oft übervollen Tagen in der Landwirtschaft nicht zu verachten ist.
Manchmal ist weniger mehr
Generell liegt Sabine Reber und Markus Kobelt am Herzen, dass Pflanzen wieder vermehrt als Lebewesen betrachtet werden, nicht als Wegwerfprodukte. «Manche sehen sie eher als Dekorationsgegenstände», sagt Markus Kobelt aus seiner Berufserfahrung. «Sie verzweifeln schnell und wollen gleich die ganze Pflanze entsorgen, nur weil sie etwa Blattläuse hat.»[IMG 3]
Sein Gartentipp: «Pflanzen haben Selbstheilungskräfte. Oft ist es am besten, nichts zu machen, ausser die Pflanzen mit Kompost und eventuell etwas Hornspänen und Schafwoll-Pellets zu stärken.» Sabine Reber rät, schon bei den Setzlingen auf Qualität zu achten. «Wer schnell getriebene Setzlinge kauft, hat unter Umständen schwächelnde Pflanzen. Doch man kann sie nicht zu sehr forcieren.» Wichtig sei, dass die Pflanzen starke Wurzeln bekommen. Und wenn etwas nicht klappt? «Nicht aufgeben und jammern, sondern mutig Neues probieren.»
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