«Ein Frühling ohne Fohlen ist kein Frühling», stellt Nina Wägeli fest und schaut dabei zufrieden in die Pferdebox, wo eine Stute ihren zwei Tage alten Nachwuchs säugt. Auf dem Rappenhof in Buch bei Frauenfeld TG ist es Tradition, dass jedes Jahr mindestens ein Fohlen der Rasse Schweizer Warmblut zur Welt kommt. Als sie den Betrieb von knapp 12 Hektaren vor sechs Jahren von ihrem Vater übernahm, führte die Thurgauerin nicht nur die kleine Pferdezucht mit dem Pensionsstall weiter, sondern auch den Weinbau – das zweite Betriebsstandbein.
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Der Betrieb hat an Biodiversität gewonnen
«Dabei war ich eine totale Quereinsteigerin», erzählt Nina Wägeli lachend. Aber eigentlich stimmt das so nicht ganz. Schliesslich ist sie hier aufgewachsen, hat schon früh den Umgang mit den Pferden gelernt und kennt die Arbeiten in den Reben. Nach der Schule ging sie jedoch zunächst ihren eigenen Weg. Sie wurde Primarlehrerin und war über 15 Jahre in diesem Beruf tätig.
Während einer Auszeit nach rund zehn Jahren Unterrichten besuchte Nina Wägeli die Bäuerinnenschule. «Dabei gefiel mir der Gedanke zunehmend, dereinst selbst einen Betrieb zu führen», erzählt sie. Sie erlangte nicht nur den Fachausweis, sondern hängte auch die Betriebsleiterschule am Arenenberg an. Der Zeitpunkt war ideal: Ihr Vater kam ins Pensionsalter und die Tochter war bereit. «Das alles geschah ganz ohne Druck», versichert die heute 43-Jährige, die zwei Schwestern hat, welche in anderen Berufen tätig sind. Sie selbst arbeitet bis heute in der Schule, in der Zwischenzeit allerdings nur noch als Springerin. Im ersten Jahr nach der Übernahme habe sie weitergemacht wie der Vater, dann allmählich begonnen, eigene Ideen umzusetzen. Seither sei der Betrieb, zu dem auch einige Hektaren Futterbau für die Pferde gehören, ökologischer geworden.
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Aus ihre Angestellten ist Verlass
So hat Wägeli aufgehört, unter den Reben zu spritzen. Vor Kurzem pflanzte sie eine 50 Meter lange Hecke und säte Nützlingsstreifen an, geplant ist zudem eine Trockenmauer im Rebberg. Insgesamt habe der Betrieb an Biodiversität gewonnen, so die Thurgauerin.
Nina Wägeli ist praktisch täglich mehrere Stunden mit Arbeiten im Rebberg beschäftigt. Genau genommen sind es drei Reblagen von insgesamt drei Hektaren. Diese befinden sich rund um Hüttwilen TG, einige Kilometer vom Hof entfernt. Hauptsorten sind Pinot noir, Chardonnay und Müller-Thurgau. Zudem hat die Winzerin kürzlich einen Versuch mit den Piwi-Sorten Johanniter und Muscaris gestartet. Bei den Arbeiten auf dem Betrieb wird sie von zwei polnischen Festangestellten unterstützt, die sich im Turnus abwechseln. «Auf die beiden ist Verlass», sagt Wägeli. Auch der Vater spielt nach wie vor eine wichtige Rolle, er setzt sich ein, wo es gerade nötig sei. Im Rebberg erhält sie zudem Unterstützung von einer Seniorengruppe, die Freiwilligenarbeit leistet.
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In vielen Bereichen engagiert
Rund zwei Drittel des Umsatzes macht Nina Wägeli mit dem Weinverkauf. «Dazu braucht es eine gute Vermarktung», stellt sie fest. Sich gut zu vernetzen, sei dabei zentral. Sie bietet Weindegustationen auf dem eigenen Hof an und ist auch immer wieder an Veranstaltungen präsent, zum Beispiel am jährlichen Winzerfest in Frauenfeld. Daher sei sie viel am Organisieren, Koordinieren und Kommunizieren, erzählt die Betriebsleiterin. «Dabei kommen mir meine Erfahrungen als Lehrerin zugute.» Ausserdem liege ihr der Austausch mit den verschiedensten Menschen. Der kleine, aber vielseitig aufgestellte Betrieb mit Direktvermarktung sei wie gemacht für eine Frau. Sie möge es zudem, immer wieder neue Ideen aufzugreifen und umzusetzen. Das aktuellste Projekt sei ein neuer Pferdestall, die Planung habe bereits begonnen.
Zudem möchte Nina Wägeli gemeinsam mit ihrer Schwester Ponyreitferien anbieten. Auch ausserhalb des Betriebs ist die Bäuerin aktiv: Sie ist Präsidentin des regionalen Freizeitvereins «Erlebnis Frauenfeld», Vorstandsmitglied des Branchen-verbandes Thurgau Weine und Blasmusikantin in einer Musikgesellschaft. Ferien gebe es wenig, räumt Nina Wägeli ein. Doch sie geniesse es auch, mit ihrem Partner, der ebenfalls in der Landwirtschaft tätig ist, zwischendurch einen Tagesausflug zu machen. Danach komme sie jeweils gerne wieder nach Hause – etwa, um nach den Pferden zu sehen. Alexandra Stückelberger
Fünf Fragen
Welches Buch lesen Sie gerade?
Ich lese meistens drei Bücher parallel, vor allem historische Romane und Fantasy.
Wohin verreisen Sie am liebsten?
Dorthin, wo es kalt ist, beispielsweise nach Schottland oder Island.
Welches ist Ihre Lieblingsmusik?
Am liebsten höre ich deutsche Schlager, was manche Leute erstaunt.
Sind Sie ein Uhu oder eine Lerche?
Ich bin eindeutig ein Morgenmensch.
Welches ist Ihre Lieblingsblume?
Die Dahlien in meinem Garten gefallen mir besonders gut.
