Die Kühe im Stall fressen und kauen ruhig, nichts verrät, dass heute etwas Aussergewöhnliches auf dem Programm steht: Der Milchbetrieb von Urban Ledergerber in Arnegg SG ist an diesem Nachmittag Ende Mai Schauplatz eines Online-Seminars – Farminar genannt – zum Thema «Hitzestress», organisiert von Agridea.

Eine Live-Schaltung aus Südamerika

Live vor Ort referiert Christian Manser von der Landwirtschaftlichen Schule St. Gallen LZSG über stallbauliche Möglichkeiten zur Reduktion von Hitzestress. Ausserdem sprechen Martin Rust von Braunvieh Schweiz zum genetischen Einfluss auf die Hitzetoleranz, live aus Bern, sowie Michael Schrago von ABC Genetics über Züchtung auf Hitzetoleranz, live aus Südamerika.

Einen eigentlichen Kursort gibt es nicht. Die gut 20 Kursteilnehmer – hauptsächlich Berater und landwirtschaftliche Lehrer aus dem ganzen Land – sitzen währenddessen in ihrem Büro oder im Homeoffice vor dem Computer und können sich via Bild und Ton mit Fragen ebenfalls einbringen. Möglich ist eine solche Veranstaltung dank moderner Technik und Internet. Für die Organisatoren ist die Aufgabe anspruchsvoll: Sobald die Veranstaltung live geschaltet ist, muss man als Moderator gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen präsent sein. Beispielsweise sollen die Referenten zum richtigen Zeitpunkt zugeschaltet werden, zudem braucht es einen ständigen Kontakt mit allen Beteiligten.

«Gleichzeitig gilt es auch, die schriftlichen Fragen und Inputs der Teilnehmer entgegenzunehmen», sagt Markus Rombach von Agridea, der den Online-Kurs leitet. Er selbst filmt das Live-Referat in Arnegg, während zwei Kolleginnen im Büro in Lindau ZH für Koordination und Technik zuständig sind. Als der Referent in Südamerika erfolgreich zugeschaltet wird, atmet Rombach erleichtert auf. «Zwar haben wir es im Vorfeld getestet, aber ob die Internetverbindung genügend stabil ist, weiss man nie.»

Die Vorbereitungen haben viel Zeit beansprucht. So war Rombach vorgängig schon einmal auf dem Hof von Urban Ledergerber, um sich ein Bild von der Situation zu machen und zu testen, ob das Internet über seinen mobilen Router stabil ist. Zudem hat er sich mit Christian Manser besprochen, um das 25-minütige Referat zu planen, inklusive der Kamera-Einstellungen.

Luftströme sichtbar machen

Nun, eine Stunde vor dem Live-Einsatz, sind alle konzentriert daran, die Abläufe nochmals durchzugehen: Urban Ledergerber, der zuerst kurz seinen Hof vorstellen wird, Christian Manser sowie Markus Rombach, der nochmals alle Szenen durchgeht. Als es dann mit einigen Minuten Verspätung soweit ist, läuft alles wie geplant: Die Internetverbindung steht, Rombachs Handy ist am Filmen und der redegewandte Referent Manser zeigt an praktischen Beispielen auf, welche stallbaulichen Massnahmen sich zur Reduktion von Hitzestress eignen (siehe Kasten). Dessen Praktikant Thyas Künzle entzündet währenddessen das vorbereitete Rauchpulver, um erwünschte und unerwünschte Luftströme im Stallinnern sichtbar zu machen.

Das Farminar dauert zwei Stunden. «Das ist an der oberen Grenze, da Zuschauen und Zuhören vor dem Bildschirm auf die Dauer anstrengt», sagt Rombach. Wichtig sei es daher, die Teilnehmer zwischendurch zu aktivieren, beispielsweise zu Diskussionen oder kleinen Umfragen einzuladen.

Für Rombach und sein Team ist dies der erste fachspezifische Online-Kurs, den sie selbst durchführen. Nebst einem Teil, der von den Teilnehmern individuell absolviert werden kann, gehören dazu drei Farminare. Wobei das heutige Thema der dritte und letzte Teil des Agridea-Kurses «Milchviehhaltung im Klimawandel» ist, der innerhalb von drei Wochen stattfindet. «Wir planten schon länger, ­Online-Veranstaltungen durchzuführen und legten uns das entsprechende technische Know-how wie auch die Infrastruktur zu. Als dann der Lockdown kam, konnten wir schnell reagieren und einen konkreten Kurs anbieten», so der Agronom. «Die Corona-Zeit ist auch in der Landwirtschaft eine Chance für das Online-Kursangebot.» Veranstaltungen dieser Art werde es in Zukunft vermehrt geben.

Online-Kurs kann Distanzen überbrücken

Markus Rombach sieht darin eine Möglichkeit, Teilnehmer aus einem viel weiteren Umkreis anzusprechen, was auch den internationalen Austausch fördert. Dieser Meinung ist auch Christian Manser, der sich vorstellen kann, am LZSG ebenfalls Farminare durchzuführen: «An unsere Veranstaltungen kommen gelegentlich auch Landwirte aus Österreich, Deutschland oder sogar aus dem Südtirol. Es bestünde sicher ein noch grösseres Interesse ausserhalb des Landes, aber der Reiseweg ist teilweise enorm. Mit Online-Kursen dagegen lassen sich Distanzen überbrücken.»

 

Stallbauliche Massnahmen gegen Hitzestress

Christian Manser vom LZSG kennt den Betrieb von Urban Ledergerber seit vielen Jahren, er war bereits als Stallbauberater für dessen Vater tätig. Er stand auch beratend zur Seite, als Sohn Urban den Betrieb 2018 übernahm und den Stall umbaute. Für Manser gilt der Grundsatz: Man sollte primär das nutzen, was man bereits hat: «Bei diesem Umbau gelang die Herausforderung, dass aus einem geschlossenen Gebäude mit tiefer Decke ein offener, gut durchlüfteter Stall wurde», erklärt Manser. Dabei wurden die Fenster auf den Längsseiten schon vor neun Jahren, damals noch beim Anbindestall, dauerhaft entfernt, damit die Luft auf kurzem Weg quer durch den Stall zieht. Nun wurden die Öffnungen nach oben und unten zusätzlich ausgeschnitten. Kürzlich wurden zudem drei Lüftungsschläuche installiert, welche zusätzliche Luft zu Fress- und Liegeplätzen leiten, wo die Kühe sich am meisten aufhalten. Dabei wird die Luft vor allem auf die Höhe von Brust und Pansen gelenkt, wo die Tiere am meisten Hitze produzieren und Abkühlung benötigen. Die warme, verbrauchte Luft wird dagegen weggeleitet. Den Tieren sei es wohl in diesem Stall, so der Berater. Das sei beispielsweise daran zu erkennen, dass einige Kühe tiefenentspannt auf dem Stroh liegen.

«Kühe produzieren viel Wärme, und diese muss abgeführt werden», betont Manser. «Wichtig ist daher, dass sie immer frische Luft haben.» Dazu soll die Lüftung durchgehend laufen, selbst im Winter und auch nachts. Während eine Nacht bei 16 Grad von Menschen als kühl empfunden wird, kann dies für Kühe bereits zu warm sein, ebenso ein Warteplatz an der Abendsonne. Um für frische Luft zu sorgen und Hitzestress zu vermeiden, empfiehlt Manser:

Weglassen: Überflüssiges entfernen (z. B. Fenster, Türen, Seitenwände bei Liegeboxen, Aussenwände).

Warteräume: Nicht auf der Westseite, Schattennetze installieren, Kuhduschen.

Wasser: Zusätzliche Tränken, Badewannen mit Schwimmern, Schwimmer muss einfach zu reinigen sein.

Lichtplatten/-firste im Tierbereich: Abdecken.

Eternitdächer im Tierbereich und bei wenig Raumhöhe: Holzuntersicht einbauen.

Lüftung/Ventilatoren: An der Decke, über Liegeboxen und Fressbereich. Leicht schräg oder horizontal stellen, damit die Luft nach unten auf die Tiere strömt. Nicht direkt an die Wand montieren, keine Hindernisse vor und nach dem Lüfter.

Einer Berieselung mit Wasser steht Manser jedoch skeptisch gegenüber: «Dies nützt nur bei einer guten Belüftung etwas, sonst verpufft der Abkühlungseffekt schnell.»