Dieser Artikel erschien im Magazin FrauenLand - welches per Juni 2021 eingestellt wurde.
Es müffelt ein bisschen. Das sind die Spargeln», entschuldigt sich Patricia Müller beim Eintreten in ihr Atelier. In dem hellen Arbeitsraum in einem ausgedienten Bienenhaus steht ein grosses Becken voller klein geschnittener und in Soda gekochter Bleichspargel-Reste. «Die abgeschnittenen Enden wandern bei mir nicht auf den Mist, sie werden zu Papier verarbeitet.»
Patricia Müller betreibt mit ihrem Mann und dem ältesten Sohn einen Bio-Gemüsebaubetrieb im solothurnischen Bibern. «Allerdings braucht es mich auf dem Betrieb inzwischen kaum mehr», schränkt die Mutter von vier erwachsenen Kindern im Alter zwischen 21 und 27 Jahren ein. «Dafür kann ich mich mehr auf mein eigenes Geschäft konzentrieren und arbeite jeden Nachmittag in meinem Atelier. Denn nur für eine Stunde anzufangen, lohnt sich nicht.»
Dort fertigt sie aus allerlei Pflanzen von Feld, Wiese und Garten sowie aus Leinen- und Baumwollstoffen handgeschöpfte Papiere. Diese werden zu Karten, Windlichtern, Büchern oder auch Lampen. Zudem kreiert Patricia Müller aus Pflanzenfasern Bilder und filigrane Deko-Objekte.
Eigenständiger Nebenerwerb
Angefangen hat alles mit einem Mutter-Tochter-Kurs in Jugendjahren. «Meine Mutter ist Handarbeitslehrerin, wollte Papier schöpfen lernen und fragte, ob ich auch Interesse hätte.» Die Mutter war es auch, die Patricia Müller vor 21 Jahren die ersten Schöpfrahmen brachte. Aus dem Hobby wurde im Laufe der Jahre eine Passion mit professionellem Anspruch.
Patricia Müller betreibt seit 16 Jahren ihr eigenes Atelier für Papier und Buchbinden, machte einen Abschluss als Papier-Gestalterin, bildete sich im Bereich Drucktechniken weiter und ist im internationalen Papiermacher-Verein.
Neben dem Bienenhaus-Atelier für die Arbeiten mit Wasser und lärmigen Geräten hat sie auf dem Hof einen Arbeits- und Verkaufsraum, in dem sie Kunden ihre Arbeiten zeigen kann. Zusätzlich geht sie regelmässig auf Design- und Kunsthandwerkmessen, wie zum Beispiel der Authentica vom 24. bis 26. August in Pratteln.
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Faserbrei als Basis
Um Papier herzustellen, braucht es eine sogenannte Pulpe aus Wasser und einem Faserbrei. Die Fasern können unter anderem aus Flachs, Hanf, Leinen, Baumwolle, Nesseln oder eben auch Gemüse bestehen. «Man kann auch aus Gras Papier machen, das wird aber sehr glasig.»
Alle Pflanzenfasern müssen mehreren Stunden gekocht, anschliessend gründlich ausgewaschen und bei Bedarf zerkleinert werden. «Bei T-Shirts, Jeans oder Leinenstoffen schneide ich die Nähte weg und zerschnipple sie mit dem Rollschneider in kleine Stücke. Anschliessen kommt das Material je nach Textil- oder Faserqualität für zwei und sechs Stunden in den Holländer.»
Der «Papierholländer» kam auf Umwegen nach Bibern. Das badewannengrosse Chromstahlgerät arbeitet mit Wasser und ist eine Art Riesen-Mahlwerk, das im professionellen Bereich zur Papierherstellung aus Rohzellstoff verwendet wird. Darin werden die Fasern zu einem Brei gemahlen. «Das dauert bei Baumwolle rund dreieinhalb Stunden und macht einen Höllenlärm. Während dieser Zeit kann ich nur mit Ohrstöpseln arbeiten.»
Das Schöpfen ist wie das Dessert
Anschliessend kommt die Pulpe mit reichlich Wasser in eine Bütte, wie die rechteckige Plastikwanne genannt wird. Bei Bedarf gibt Patricia Müller für die Gestaltung des Papiers Blütenblätter oder Gräser hinzu.
«Das eigentliche Schöpfen ist für mich wie das Dessert, es macht am meisten Spass.» Nun wird das Schöpfsieb mit dem Rahmen in die Bütte getaucht, damit sich die Pulpe darauf absetzen kann. Hebt man das Schöpfsieb anschliessend waagerecht aus dem Wasser, kann das fertige Papier erahnt werden.
Nach dem Abtropfen wird der Deckel des Schöpfrahmens entfernt, das Sieb auf einen dicken, gewässerten Filz gekippt und mit einem Baumwolltuch abgedeckt. Sind alle Büttenpapiere aus der Pulpe gezogen, kommt der Stapel unter die Presse. Patricia Müller verwendet dazu eine alte hydraulische Mostpresse. Zum Schluss müssen die gepressten Papiere noch einige Tage zum Trocknen aufgehängt werden, bevor sie weiterverarbeitet werden können.
Patricia Müller fertigt aus ihren Papieren ganz unterschiedliche Objekte: von kleinen Kärtchen, die ab fünf Franken zu haben sind, bis zu mannshohen Stimmungslampen, die dann 1050 Franken kosten. Verkauft werden sie ausschliesslich an Märkten, Messen oder im eigenen Verkaufslokal. Einen Online-Shop möchte sie nicht aufziehen. «Im direkten Kontakt kann ich besser auf die Wünsche der Kunden eingehen, das liegt mir mehr, als ständig am Computer zu sitzen.»
Weitere Informationen:
www.papelier.ch