Patricia Giezendanner steht am Wohnzimmerfenster ihres Sommerdomizils. «Von hier aus sieht man nicht nur direkt auf den Säntis, sondern auch auf unseren Heimbetrieb auf der anderen Talseite», sagt sie. Giezendanner, die im Frühling als Nachfolgerin von Petra Artho zur Präsidentin des kantonalen Bäuerinnenverbandes St. Gallen gewählt wurde, ist Bäuerin auf einem Milchviehbetrieb in Ebnat-Kappel. Dazu gehört auch die Sommerweide auf Ober Hochschwand, die auf 1100 m ü M. hoch über dem Dorf liegt. Hier lebt die Familie über den Sommer während rund 12 Wochen in einer einfachen Alphütte.

Ohne Ablenkungen

«In den ersten Wochen bedeutet dies, die Kinder täglich in den Kindergarten und in die Schule zu fahren», erzählt die Toggenburgerin. Da die Milch auch ins Tal müsse, gehe das in der gleichen Fahrt. Zudem müsse sie regelmässig auf den Heimbetrieb, um das Futter für den Winter einzubringen und die Wäsche zu waschen. Das sei im Toggenburg auf vielen Betrieben so. «Sobald die Schulferien begonnen haben, wird es einfacher.»

Auch wenn es logistisch anspruchsvoll sei, zwischen dem Heimbetrieb und der Sommerweide hin und her zu pendeln, geniesse sie es, mit der Familie in der einfachen Alphütte zu leben, «ohne Ablenkungen, mit den Tieren und in der Natur», so Patricia Giezendanner weiter. Sie habe hier oben ein anderes Zeitgefühl, lebe weniger nach der Uhr, sondern vor allem nach dem Tageslicht. Man stehe bei Sonnenaufgang auf und gehe ins Bett, nachdem die letzten Sonnenstrahlen hinter den Bergen verschwunden seien. Auch den Kindern gefalle dieses Leben, das Zusammensein mit der Familie. Erst gegen Ende des Sommers sei es auch wieder schön, auf den Heimbetrieb zurückzukehren.

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Kein schönerer Beruf

Aufgewachsen ist die Bauerntochter in Stein, wenige Kilometer entfernt im Obertoggenburg. Nachdem sie eine Lehre als Detailhandelsangestellte absolviert hatte, zog sie mit Anfang Zwanzig auf den Betrieb ihres künftigen Mannes Andreas und absolvierte die Bäuerinnenschule am Strickhof. Patricia Giezendanner wurde Mutter von drei Kindern, die heute im Alter von 6 bis 12 Jahren sind. Ihr eigener Aufgabenbereich auf dem Milchviehbetrieb mit Jungviehaufzucht ist die Administration. «Doch grundsätzlich arbeiten wir Hand in Hand, das macht am meisten Sinn», sagt sie. Im Schnitt haben sie 24 Milchkühe und 30 Jungtiere. Dazu kommen sieben Appenzellerziegen. Die Milch der Kühe liefert die Familie an eine Käserei in der Region. Auch wenn die Landwirtschaft mit vielerlei Herausforderungen konfrontiert sei, gebe es keinen schöneren Beruf, hält die Bäuerin fest. Mit Vorteilen wie die Arbeit selber einzuteilen und in der Natur zu arbeiten.

Seit rund fünf Jahren ist Patricia Giezendanner Präsidentin der Bäuerinnen und Landfrauen Hüsliberg. In dieser Funktion nahm sie auch an überregionalen Sitzungen teil und kam in Kontakt zum kantonalen Vorstand. «Als Petra Artho ihren Rücktritt angekündigt hatte, fragte sie mich, ob ich Interesse an ihrer Nachfolge hätte», erzählt die 36-Jährige. Sie benötigte Bedenkzeit. «Das Amt als Kantonalpräsidentin ist eine riesige Herausforderung. Aber ich bin überzeugt, dass man an einer solchen Aufgabe wachsen kann.» Sie sagte schliesslich zu. Vor allem aus der Motivation heraus, sich mit der eigenen Stimme für ihren Berufsstand einzusetzen.

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Miteinander viel erreichen

Aktuelle Themen gibt es laut Patricia Giezendanner viele. Sie nennt zum Beispiel die soziale Absicherung der Bäuerin. Ihr sei es wichtig, dass die Betriebsleiterfamilien diese nicht nur als Pflicht ansehen würden. «Dabei geht es um alle», betont die St. Gallerin. «Passiert nämlich der Bäuerin etwas, ist die ganze Familie betroffen.» Als Präsidentin möchte sie auch die Vorteile aufzeigen, welche ein Netzwerk von Bäuerinnen und Landfrauen mit sich bringen. «Miteinander kann man viel erreichen, auch bereits in den kleinsten Vereinen», betont Giezendanner.

Sie wirft einen Blick zurück ins letzte Jahrhundert, als im Hüsliberg die Frauen und ihre Männer den Bau eines Tiefkühlhauses lancierten. Zu einer Zeit, als Kühlschränke und Gefriertruhen noch keine Selbstverständlichkeit gewesen waren. «Das sehe ich als nachhaltiges Beispiel dafür, was man als Netzwerk erreichen kann.» Wenn man in den Protokollen der Vereine nachlese, könne man sehen, wie die Frauen von damals Innovation betrieben haben. Das beeindrucke sie sehr.

Freude an Traditionen

Haben die Landfrauen Mühe, Nachwuchs zu finden? «Die Zahlen sind leider eher rückläufig», so Patricia Giezendanner. «Deshalb ist es mir ein Anliegen, den Vorteil dieser Vereine aufzuzeigen.» Es sei schön, wenn man sich mit Gleichgesinnten austauschen kann, welche ähnliche Herausforderungen zu meistern haben. Zumindest in den Berggebieten seien die Bäuerinnen- und Landfrauenverein von je her fest verankert. Sie weist aber auch darauf hin, dass die bäuerlichen Traditionen in einem Kanton wie St. Gallen, der die unterschiedlichsten Regionen zusammenfasst, mannigfaltig daherkämen. Das sei eine Stärke: «Wir dürfen uns über unsere Traditionen freuen und sie auch zeigen», sagt sie mit Überzeugung.