«Es ist einfach eine Leidenschaft», sagt Peter Gauch, der schon immer eine Faszination für Treicheln hatte. Seit er jung war, half er jeweils beim Alpabzug. «Seit damals ist mir diese Liebe zu den Tieren, den Treicheln und zum ‹Glüt› geblieben», sagt er. Später ging er an Steigerungen und hat hier und dort eine Treichel für seine Sammlung ersteigert oder gekauft.
Ein Ausgleich zur Arbeit als Schreiner
Selber führt Peter Gauch keinen Landwirtschaftsbetrieb, er verpachtet jedoch noch Land. Ein Erbe seines Grossvaters, der am selben Fleck Erde bauerte. Der Betrieb wurde aufgegeben. Wäre der Stall noch da gewesen, als Gauch das Grundstück übernahm, hätte er wohl selber weiterhin Tiere gehabt, erzählt er, als die BauernZeitung ihn an einem Nachmittag im Februar in Alterswil im Kanton Freiburg besucht.
Stattdessen hat sich Peter Gauch als Möbelschreiner selbstständig gemacht und führt neben seinem Wohnhaus eine eigene Werkstatt. Für ihn ist das Fertigen der Treichelriemen ein Ausgleich zu seiner Arbeit. «Das ist einfach ‹Büez›, die mich erfüllt, wo ich ganz andere Gedanken habe, als wenn ich unter Zeitdruck Möbel herstelle», sagt er.
Die Werkzeuge gibt es nirgends zu kaufen
Peter Gauch wollte schon immer eine Treichel selber machen – vor zwölf Jahren setzte er den Wunsch in die Tat um. Vorher schon, vor etwa 17 Jahren, entdeckte er das Fertigen von Treichelriemen für sich. Zuerst verzierte er sie mit Schnitzereien und vor etwa fünf Jahren dann erlernte er das Besticken des Leders. «Ich habe Freude daran, alles komplett selber zu machen», sagt er.[IMG 2]
Und dabei ist das Wort «alles» nicht übertrieben. Er stellt auch einige seiner Werkzeuge selber her. So sind die Stanzformen, die er dafür braucht, um das Leder an den Säumen auszustechen, komplett selbst gemacht. «Diese Werkzeuge kann man nirgends kaufen», sagt er. Das fünf Millimeter dicke Zeugleder, das er für die Treichelriemen verwendet, bezieht er bei einem Leder-Grosshändler.
Besondere Geschenke
Eigentlich hat Peter Gauch für seine eigene Treichelsammlung mit dem Herstellen von Treichelriemen angefangen. Doch es kamen immer mehr Anfragen von aussen. So verkauft er mittlerweile die verzierten Riemen auch. Die meisten Kunden seien Hirten, die auf die Alp gehen, sagt er. Aber manchmal bekommt er auch Anfragen für Geburtstage oder Hochzeiten. Der Preis für einen Riemen samt Treichel beträgt etwa gegen 3000 Franken, der Riemen macht dabei etwa 1500 bis 1900 Franken aus, je nach Arbeitsaufwand.
Die gestickten Modelle sind dabei die teuersten, denn sie benötigen am meisten Zeit. «Es braucht Geduld und du kannst nicht ‹bschisse›. Jeden Stich musst du gleich machen, sonst kommts nicht gut», erklärt Gauch. Damit die Stickarbeit gleichmässig aussieht, muss er also bei jedem Stich gleich stark ziehen. Auch ist nicht jedes Leder gleich, je nach dem, wie stark es gefettet ist.
Ein fleissiger Lehrling
An diesem sonnigen Freitagnachmittag ist auch Jan Gauch (15) bei seinem Onkel und Götti Peter Gauch zu Besuch. Für ein Schulprojekt im letzten Schuljahr fertigt er zwei Treichelriemen unter seiner Anleitung. Aber es sind nicht seine ersten Versuche. Bereits als Siebenjähriger hat er seine Initialen ins Leder geschnitzt.
«Wir sind jeweils zusammen eine oder zwei Wochen ‹z Bärg› und haben dort mitgeholfen. Beim Alpabzug war Jan immer dabei», sagt Peter Gauch. Erlebnisse, die auch Jan Gauch in bester Erinnerung geblieben sind. Seit er sieben Jahre alt ist, geht er mit: «Der Alpabzug ist immer ein Highlight. Zu sehen, wie die Tiere hinunterlaufen und gut heimkommen und mittendrin die Handarbeit, die dahinter steckt, mit den vielen schönen Details wie den Blumen, das gefällt mir», sagt Jan Gauch begeistert. Seine Familie wohnt ebenfalls in Alterswil, nächstes Jahr beginnt er sein erstes Lehrjahr als Landwirt auf dem Hof eines Nachbarn.
Schnitzen mit Leder
[IMG 3]Mittlerweile hat Jan Gauch etwa 70 Arbeitsstunden in die zwei Treichelriemen gesteckt. Den einen Riemen verziert er mit Schnitzereien, den anderen mit Stickereien. Ganz fertig sind sie noch nicht, aber sie geben bereits ein schönes Bild her: Den gestickten Riemen zieren filigrane Blumenmuster und die Initialen «J. G.» sowie die aktuelle Jahreszahl. Auf dem anderen Riemen hat Jan Gauch «Zum Schulabschluss 2023» eingeschnitzt, dazu ein Porträt einer Kuh, die ebenfalls ins Leder geschnitzt wurde.
Fürs Schnitzen auf Leder braucht es zuerst eine Vorlage, erklärt Jan Gauch. Diese wird zunächst mit einem Kugelschreiber nachgefahren, so dass es auf dem Leder einen Abdruck gibt. Danach fängt er an, das Leder herauszuschnitzen. Zuerst zeichnet er die Konturen nach. Je nach dem benutzt er verschiedene Werkzeuge. Wenn nur wenig Material entfernt wird, sind Teile des schwarz eingefärbten Leders noch ersichtlich, so sind Schattierungen möglich. Für weitere Kontraste benutzt Jan Gauch eine Holzbeize.
Ob er lieber stickt oder schnitzt, frage ich. «Das ist schwierig zu sagen», antwortet er. «Schnitzen geht ‹gäbig›, es geht schneller, aber Sticken finde ich fast schöner, weil man seine Fantasie mehr brauchen kann», sagt er. Doch es sei halt auch schwieriger.
Ein aussterbendes Kunsthandwerk
Was den zwei selbst gemachten Treichelriemen nun noch fehlt, sind die letzten Details. Die «Pompons», also die Lederbüschel, die den obersten Teil des Treichelriemens zieren, müssen noch angeleimt und angenäht werden, und den Säumen rund um die Treichelriemen fehlt noch die Naht. Dabei werden die Löcher mit einer speziellen Nähmaschine gemacht und die Spezialfäden von Hand eingenäht. Der gestickte Treichelriemen bekommt dann noch eine Abdeckung für die Rückseite.
Das Kunsthandwerk, dem Peter und Jan Gauch nachgehen, machen nicht mehr viele, es sei mehr oder weniger am Aussterben, sagt Peter Gauch. «Aber dank den Alpabzügen wird es wieder belebt», sagt er. Im Einzugsgebiet Schwarzsee gäbe es viele junge Hirtenfamilien, die Interesse an Treicheln und Treichelriemen hätten und mit Herzblut dabei seien.
Zukunftsprojekt Treicheln
Peter Gauch freut sich, dass er in Jan jemanden gefunden hat, dem er sein Handwerk weitergeben kann. «Es ist schön, wenn der Göttibueb die gleichen Interessen zeigt und nicht nur vor dem Computer hockt», sagt er.
Wenn sie fertig sind, werden die zwei Treichelriemen von Jan Gauch mit den dazugehörigen Treicheln in seiner Schule ausgestellt. Danach sind sie von April bis Juni im Restaurant Blüemlisalp in Alterswil zu bewundern, bevor sie dann Jan Gauchs Zimmer verschönern und – wer weiss – vielleicht ab und zu auch beim Alpabzug benutzt werden. Auch die Treicheln, die Peter Gauch vor vielen Jahren selber hergestellt hat, werden noch jedes Jahr benutzt. Sein nächstes Projekt ist es, wieder einmal selber eine herzustellen.