Der Firstbaum steht noch auf dem Speisesaal-Neubau. Fertig wird das Gebäude im März 2025 sein. «Ich hinterlasse eine Baustelle», meint Peter Küchler augenzwinkernd. Das kann man von der übrigen Schulanlage nicht sagen. Dort entstanden in den vergangenen Jahren ein neuer Stall, eine neue Käserei, ein neues Internat und ein neues Schulgebäude. Kaum eine andere Schule präsentiert sich dermassen stilvoll modernisiert.

Freuen Sie sich auf die Pensionierung?

Peter Küchler: Ja, es passt aus meiner Sicht. Ich stelle fest, dass es von Jahr zu Jahr nicht «ringer» wird. Es braucht neue, frische Kräfte, um die stetigen Veränderungen anzugehen. Ich wollte meine Arbeit immer bis zum Schluss seriös und mit voller Kraft machen. Dieses Ziel habe ich erreicht. Ein Nachlassen hätten meine Mitarbeitenden und die Bündner Bauernfamilien nicht verdient.

Von welchen Veränderungen sprechen Sie?

Zum Beispiel die Digitalisierung. Der Kanton Graubünden will einen grossen Schritt vorwärtsmachen und dafür Finanzen und Ressourcen zur Verfügung stellen. Da merke ich, dass Digitalisierung nicht mehr in meinem ureigenen Interesse liegt. Dafür braucht es jemand Neues.

Wird sich noch anderes ändern?

Auch eine neue Arbeitswelt wird Einzug am Plantahof halten. Dahinter steckt ein anderes Arbeitsverständnis, als es meine Generation pflegte. Wir waren es gewohnt, für ein Fachgebiet verantwortlich zu sein. Bei einer Anfrage nahm sich meist eine Fachperson des Problems an. Aber heute muss man über die einzelnen Disziplinen hinausdenken und vernetzt in Teams Probleme bearbeiten.

Bleibt dabei die Effizienz nicht auf der Strecke?

Das ist jeweils die erste Schlussfolgerung: «Macht doch einfach, dann ist das Problem vom Tisch.» Unsere Generation denkt mehrheitlich so. Dabei wird ausgeblendet, dass mehr Fehler passiert sind oder keine optimale Lösung gefunden worden ist. Es braucht jemanden, der die Denkweise dieser neuen Arbeitswelt verinnerlicht hat und das auch in der Landwirtschaft umsetzt.

Gab es ein Ereignis, das für Sie unvergesslich bleiben wird?

In Erinnerung bleiben nicht Gebäudeeinweihungen oder die Verleihung des Agro-Stars, sondern die vielen kleinen Ereignisse, die zu einem freundschaftlichen Netzwerk mit Bauernfamilien über ganz Graubünden und Glarus geführt haben. Durch das Unterrichten lernte ich in einem Vierteljahrhundert alle Absolventen mit Namen kennen und wusste, wo sie herkommen. Ich durfte eine ganze Bauerngeneration begleiten und zusammen mit meinem Team Entwicklungsschritte initiieren und fördern. Das ist das Wichtigste für eine Landwirtschaftsschule.

Wie beurteilen Sie als ehemaliger Klärschlammberater am Rheinhof die heutige PFAS-Problematik?

Eigentlich wäre es vom Prinzip her ein biologischer Prozess. Man integriert Klärschlamm wie auch die Hofdünger in einen Kreislauf. Der Boden ist angewiesen auf Nährstoffe und organische Substanz. Daran ist falsch, dass wir in den vergangenen hundert Jahren Substanzen produziert haben, mit denen die Natur nicht umgehen kann. PFAS sind dermassen stabile Substanzen, da graut es mir. Vor lauter Erfindergeist und auf der Suche nach immer neuen Materialien und Werkstoffen hat man sich nie wirklich Gedanken über die Folgen gemacht. Es macht mich mehr und mehr traurig, dass wir Menschen nicht gescheiter sind.

Der Bioanteil in Graubünden hat sich seit Ihrem Amtsantritt verdoppelt. Wie gross ist Ihr Verdienst daran?

Ich bin ein absoluter Fan von Kreislaufdenken und davon, nach der Ursache zu suchen, statt Symptome zu bekämpfen. Beides sind Grundsätze des biologischen Landbaus. Deshalb ist Biolandbau immer wichtig für mich gewesen, auch schon während meines Studiums. Wir vom Plantahof hatten immer eine sehr offene Haltung gegenüber allen Produktionssystemen. Für den hohen Anteil Biobetriebe in Graubünden leistete Paul Urech, der ehemalige Bioberater, Pionierarbeit. Ihm kommt dieses Verdienst zu und selbstverständlich unseren Bündner Bauernfamilien, die innovativ und offen für Neues sind.

«Sympathisch ist mir Bio für alle»

Peter Küchler

Nächstens findet die Bio-Suisse-Delegiertenversammlung statt. Dabei wird über die Strategie 2025+ diskutiert. Welche Strategie sollte es sein?

Sympathisch ist mir Bio für alle. Bio ist ein Weg, der zu mehr Verständnis für den Boden führt. Wenn man Boden wirklich versteht, hat man auch mehr Verständnis für Pflanzen und Tiere. Aber auch Bio ist kein Rezeptbuch. Die Landwirtschaft ist lebendig und individuell. Jeder Landwirt, jede Landwirtin und jede Bäuerin sollte Zeit finden, um darüber nachzudenken und sich eine Betriebsstrategie zurechtzulegen. Aber auf vielen Betrieben fehlen aufgrund der operativen Hektik die Zeit und die Bedachtsamkeit dafür.

2021 startete das Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden». Ist Klimaneutralität nun die Lösung für die gesamte Landwirtschaft?

Sicherlich nicht. Es gibt für jeden Betrieb individuelle Lösungen, um Treibhausgase zu reduzieren und weniger Ressourcen zu verbrauchen. Dort setzen wir den Hebel an. Es machen fantastische Bauernfamilien mit. Sie entwickeln Kreativität und Innovation und erfinden auf ihren Betrieben die Landwirtschaft neu. Heute sind viele im Hamsterrad gefangen. Sie müssen Hilfsstoffe zukaufen und immer grösser werden, um über die Runden zu kommen. Diesen fatalen Kreislauf kann man versuchen zu durchbrechen, indem man sich auf das Wesentliche besinnt.

Sie sagten einmal, Herdenschutz schaffe mehr Probleme, als dass Probleme gelöst würden. Wie geht es weiter mit dem Wolf?

Ich weiss nicht, ob ich dazu noch etwas zu sagen habe. Aber es wird langsam sehr teuer. Die Kernfrage ist: Wenn die Gelder bei Bund und Kantonen knapp werden, müssen dann die Betroffenen alle Kosten selbst tragen, um die Schäden zu kompensieren? Oder sollte man nicht besser dafür sorgen, dass es solche Schäden nicht mehr gibt? Mir ist die zweite Variante lieber.

Wie steht es nach 25 Jahren mit Ihren Romanisch-Kenntnissen?

Ich bin leider kein Sprachtalent. In meinen besten Zeiten konnte ich an einer Versammlung, wo romanisch gesprochen wurde, alles verstehen. Mein sprachlicher Höhepunkt war die Moderation der Bauerninformation für die Fusion von Ramosch und Tschlin zur heutigen Gemeinde Valsot im Unterengadin. Das ist rund zehn Jahre her und seither bin ich aus der Übung gekommen.

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Wird Ihre Frau nach dem 31. Januar 2025 weiterhin für den Plantahof tätig sein?

Jetzt sind wir beim wichtigsten Thema! Meinen ganzen Berufs- und Lebensweg verdanke ich meiner Frau Lucia. Wir sind von Sarnen ins Rheintal ausgewandert und dann nach Landquart gezogen. Sie hat alles mitgemacht und mitgetragen, um mir meinen Weg zu ermöglichen. Es war uns schon länger klar, dass wir am gleichen Tag in Pension gehen würden. Wir haben gemeinsam begonnen und starten das Wagnis Pensionierung gemeinsam.

Was sind Ihre Pläne?

In erster Linie geht es mir darum, dass sich nun meine Frau verwirklichen kann. Sie hat es verdient, dass ich mich ihren Plänen unterordne – und ich freue mich darauf. Wir haben uns ein Motto ausgedacht: «kleiner, leiser und langsamer». Nicht meinen, jetzt noch Gas geben zu müssen, sondern zur Ruhe zu kommen. Viele sagen, dass man sich auf die Pensionierung vorbereiten soll und dass jeder Tag eine Struktur haben müsse, sonst falle man in ein Loch. Gut, haben wir beide uns gesagt, dass wir mal schauen werden, wie tief das Loch ist. Vielleicht nehmen wir die Pensionierung ein bisschen auf die leichte Schulter, aber ich glaube nicht, dass wir damit nicht klarkommen werden. Wir haben Vertrauen zueinander und darauf, dass die Pensionierung eine gute Lebensphase wird.

Wegbegleiter einer Bauerngeneration
Peter Küchler (63) begleitete in seiner Berufslaufbahn während eines Vierteljahrhunderts eine ganze Bauerngeneration. Zwölf Jahre war er nach dem Agronomiestudium an der ETH am Rheinhof in Salez tätig, zuerst sechs Jahre als Lehrer und Berater für Schweine, Düngungslehre/Klärschlamm, Futterbau und Biolandbau, anschliessend wurde er zum Direktor gewählt. Küchler wechselte 1999 zum Plantahof und trat die Nachfolge von Heinrich Meli an. Ab dem 1. Februar 2025 übernimmt Peter Vincenz das Zepter am Plantahof.