Dort, wo die Familie Adank-Vinzens lebt, herrscht lange Monate die Winterzeit. Genauer gesagt von Mitte November bis Mitte Mai. «Wir sind einfach auf dem Berg daheim», sagt Petra ­Vinzens-Adank, die den Hof ­Gaschurna zusammen mit ihrem Mann Patrick und den beiden Söhnen Mario und Nando bewirtschaftet. Der Biobetrieb, der im bündnerischen Davos Sertig auf 1800 m ü. M. liegt, wird als Ganzjahresbetrieb geführt.

Wildtiere neben dem Haus

Die Stallzeit ist entsprechend lang – für Tier und Mensch. «Wenn du dafür keine Leidenschaft empfindest, dann machst du das nicht lange», sagt Petra Vinzens. Und an dieser fehlt es der Strahlefrau mit der Stimme einer Sängerin offensichtlich nicht. Sie liebt das Leben dort oben. Dort, wo die Wildtiere direkt neben dem Haus weiden und die Natur das Leben aller noch massgebend mitbestimmt. «Im Schlafzimmer höre ich die Hirsche das Gras abrupfen», beschreibt es die Biobäuerin und lacht.

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Es gibt aber auch Momente, die weniger Freude bereiten. Gerade in der Winterzeit. So kommt es bei starkem Schneefall mit entsprechender Lawinengefahr auch immer mal wieder vor, dass die ­Familie von der Zivilisation abgeschnitten wird. Momente, welche die Bäuerin wenig schätzt. Und doch gehören sie einfach zu ihrem Leben. «Wenn wir so abgeschnitten sind und eineinhalb Meter Schnee vor der Hütte liegen, denke ich immer: Was, wenn eines der Tiere oder jemand der Familie einen Arzt braucht? Was, wenn etwas passiert?» Adanks wissen, dass genau dieser Umstand nicht zu ändern ist, dass da Tage sind, in denen sie ganz auf sich selbst gestellt sind und kein Tierarzt den Weg zu ihnen findet und sie auch den Hof nicht verlassen können.

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Wenn starker Schneefall einsetzt, kommt es auch gut und gerne einmal vor, dass Patrick Adank bis in die in der Nacht hinein Schnee räumen muss. «Der Winter ist hart. Der Arbeitsaufwand für uns alle ist hin und wieder gross und das Leben hier oben Privileg und Fluch zugleich.» Die Begeisterung in der Stimme der Bäuerin verrät, dass das Privileg deutlich grösser ist.

Sommerwärme im Herz

Petra Vinzens-Adank lebt in dieser langen Winterzeit mit einer Sehnsucht. Sie sehnt sich nach den Sommermonaten, die ihr Herz mit Wärme zu füllen ver­mögen, wie sie es beschreibt. Im Sommer lebt sie draussen, so viel, wie es nur geht. Zwischen Mitte Juni und Anfang Juli öffnen sich die Stalltüren für die 15 Schottischen Hochlandrinder, 15 Aufzuchtrinder und die Pferde. Insgesamt leben in den Sommermonaten über 30 Pferde auf den Weiden des insgesamt 90 ha umfassenden Biobetriebs. Neben den eigenen Pferden, mit welchen Petra Vinzens züchtet und Reitstunden erteilt, kommen Sömmerungsgäste hinzu. Fohlen, alte Pferde oder solche, denen ihre Besitzer eine Auszeit gönnen. Feriengäste aus der ganzen Schweiz quasi. Und dann zieht die bunte Herde langsam in die Höhe. Die Weiden liegen zwischen 1800 und 2300 m ü. M. Der Arbeitsanfall ist auch dann gross. «Wir erfahren in dieser Zeit viel wertvolle Unterstützung durch Eltern und Schwiegereltern», ergänzt die Bäuerin dankbar.

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«Wir öffnen die Stalltüre in ein komplett anderes Leben»

«Wir öffnen die Stalltüre in ein komplett anderes Leben für uns alle», beschreibt Petra Vinzens den Aufrieb auf die Sommerweiden. Es hört sich an wie ein Lohn. Und dieser ist gross. «Ich liebe dieses Leben», sagt die Biobäuerin voller Begeisterung. Ein ganz grosses Privileg sei der Anblick der Natur, der Landschaften und der Tiere, die darauf frei leben, erklärt sie. Diese einzigartigen Bilder fängt sie mit ihrem Handy ein, das sie meist bei sich trägt.  Die Bilder schaffen es ins Internet, in die sozialen Medien, in Kalender und zum Teil auch in die Zeitungen, wie diese. So teilt die Bäuerin ihre Begeisterung für die Landschaft um ihren Hof Gaschurna.

Trotz dieses Idylls stellt sich beim Betrachten dieser Landschaften, die an eine Wildnis in einem fremden Land erinnern, sehr rasch einmal die Frage nach dem Wolf. «Wir haben Wölfe, aber bislang sind sie sehr unauffällig», sagt Petra Vinzens im Wissen, dass sich das ändern dürfte. Noch halte ihn der doch relativ stark ausgeprägte Tourismus in der Region zurück, ist sie sicher, glaubt aber, dass er auch auf ihrem Hof schon bald einmal deutlich präsenter wird. «Der Wolf verändert alles – auch das Verhalten der Tiere», erklärt sie. Er wird die Sommermonate im Märchenland der Tierliebhaberin zur Herausforderung machen. Und damit wohl zum Fluch im Privileg werden.