Längst sind die Zeiten vorbei, als mehr oder weniger alle Bäuerinnen der Schweiz Bauerntöchter waren. Ein grosser Wandel hat stattgefunden – heute ist die Herkunft breit und auch die Rollen der Bäuerinnen sind vielschichtig.

Im Vorfeld des alljährlichen «Tages der Bäuerin» an der Olma-Messe in St. Gallen wurden ein paar Bäuerinnen zu ihrem Einstieg auf dem Hof befragt. Die Annahme, ausschliesslich «Nicht-Bauerntöchter» hätten Schwierigkeiten gehabt, sich ein Leben als Bäuerin vorstellen zu können, entpuppte sich dabei als grundlegend falsch. Auch hier zeigt sich: Es gibt alles – die heutige Bäuerin hat viele Gesichter.

Bäuerin – nur das nicht!

Ruth (49) wuchs auf einem Bauernhof auf. «Meine Geschwister und ich hatten wohl eine schöne Jugend auf dem Hof – aber so viel ‚chrampfen‘ wie meine Mutter, das wollte ich nie», erzählt sie. «Bäuerin sein – nein, danke. Ich konnte mir schlicht nicht vorstellen, mit ständig knappem Portemonnaie und Arbeit von morgens früh bis abends spät mein Leben zu verbringen.»

Irgendwann trat Martin in ihr Leben. «Unsere Beziehung erfüllte mich sehr. Die Vorstellung, dass Martin Bauer war und ich auf seinen Hof ziehen sollte, machte mir aber grosse Angst.»

Den Schritt gewagt

Ruth wagte den Schritt doch, denn die Liebe war stärker. Der Einzug war vor 25 Jahren. Heute kann Ruth über ihre Ängste lachen. «Ich hätte mich an keinem Ort besser verwirklichen können. Hier kann ich meine Tage weitgehend selbst gestalten - selbstverständlich im Rahmen der Möglichkeiten. Zudem machen wir regelmässig Ferien und bei uns ist um 18.30 Uhr Feierabend.»

Anders erging es Bettina (31). Sie wuchs in der Stadt auf und kam vor drei Jahren auf den Hof ihres Partners. «Ich arbeitete auf dem Gericht. Nach einer kaufmännischen Ausbildung mit anspruchsvoller Weiterbildung fühlte ich mich sehr wohl in meinem Beruf.»

Wo nachgeben?

Es machte ihr grosse Sorgen, zu Stefan auf den Hof zu ziehen und dort den Haushalt zu führen. «Für mich war klar, dass ich – auch mit Kindern – in meinem Beruf bleiben wollte. Für Stefan war es schwierig zu verstehen, dass ich nicht nur einen Tag pro Woche auswärts arbeiten wollte.» Gemeinsam suchte das Paar nach möglichen Wegen, wie sie sich organisieren konnten damit es für beide stimmte. «Nach intensiven Gesprächen – auch mit den Schwiegereltern – fanden wir eine Lösung, die für uns sowie für den Betrieb passt.»

Bettina hat ihren Platz gefunden und bezeichnet sich heute als glückliche Bäuerin. Dennoch ist sie sich nicht sicher, ob die «Vollblutbäuerinnen» sie auch als Bäuerin oder «nur» als Ehefrau eines Bauern sehen. «So oder so – für uns stimmt es.»

Voller Überraschungen

Nathalie (34) verbrachte ihre Kindheit im Hauptort eines ländlichen Kantons. Zur Landwirtschaft hatte sie keinen grossen Bezug. «Ich roch halt, wenn die Bauern Gülle ausbrachten und sah sie mit grossen Traktoren die Strasse verstopfen; zudem wusste ich, dass sie für ihre Arbeit Geld vom Bund erhalten.»

All dies hat Nathalie als störend empfunden und nicht verstanden. Vieles hat sich in der Zwischenzeit geändert, denn die Treuhänderin wurde zur Bäuerin. Sie erzählt, dass sie gestaunt habe, als sie beim ersten Date erfuhr, dass Sven einen Hof führt.

«Ich stellte mir Bauern als konservative Typen vor, denen man ihren Beruf sofort ansieht. Sven war ganz anders. Er kleidete sich modern, mochte dieselbe Musik wie ich, war sportlich und beschäftigte sich mit Themen, die auch in meinen Kreisen diskutiert wurden.»

Viel gelernt

Drei Jahre nach dem ersten Date mit Sven war Nathalie Bäuerin. «Ja, ich war plötzlich Bäuerin. Mir kam alles suspekt vor. Bald merkte ich, dass mein Bild von der Landwirtschaft ziemlich ‚daneben‘ war. Ich musste so viel lernen.» Für sie war das ein Grund, die Bäuerinnenausbildung zu absolvieren. «Das tat mir sehr gut. Da war einerseits der Austausch mit spannenden Persönlichkeiten. Anderseits bereicherte mich das neue Wissen. Zudem gewann ich an Sicherheit. Und ja: Das Leben als Bäuerin überrascht mich immer wieder.»

Programm Tag der Bäuerin
Der 29. Tag der Bäuerin findet am Donnerstag, 20. Oktober an der Olma in St. Gallen im Forum der Halle 9.2 statt.
Das Programm:
9.45 bis 10.30 Uhr: Eintreffen und Kaffee
10.30 bis 12.30 Uhr: Plötzlich Bäuerin, von der Einsteigerin zur Insiderin. Einführung, Gesprächsrunde und Diskussion mit den Referentinnen und dem Publikum. An der Gesprächsrunde dabei sind: Gabriella Caretta, Musikpädagogin, Bäuerin, Verantwortliche Administration und Hofladen; Vanessa Gisler, Bäuerin;  Madeleine Michel, Gemüsegärtnerin und Landwirtin. Die Moderation übernimmt  Claudio Agustoni, Journalist und Kommunikationsbegleiter. Ein Apéro rundet den Anlass ab, das «Echo vom Älplispitz» umrahmt ihn musikalisch.
Weitere Informationen: www.olma.ch