«Ich glaube, dass sich das traditionelle Bild der Bäuerin gewandelt hat»: Regula Minikus sitzt auf einer Bank im Laufstall, die 16-monatige Tochter Lia ist auf ihrem Schoss eingeschlafen, die Limousinkühe fressen friedlich. Dass sie nicht die typische Bäuerin ist, weiss die 40-Jährige. Dass sie es einmal werden würde, damit hätte sie nie gerechnet. «Ich liebe meinen Beruf.» Seit 15 Jahren arbeitet sie als Produktmanagerin in der Lebensmittelbranche für Süsswaren und pharmazeutische Produkte. Sie ist für die in- und ausländischen Detailhändler zuständig und setzt mit ihnen neue Projekte von der Entwicklung des Produktes bis zur Markteinführung durch. Dies setzt eine gute Kommunikation mit allen internen Abteilungen, Organisation und Planung sowie eine gute Marktbeobachtung voraus.
«Wollte keinen Bauern»
Auf dem Weg zur Arbeit fuhr Regula Minikus schon seit Jahren an einer prächtigen Limousinherde im Weiler Hertenstein AG vorbei. Wem die Tiere gehörten, wusste sie nicht. Bis sie eines Tages in Davos Roger Minikus, gelernter Koch und Landwirt, kennenlernte. «Als er sagte, er käme aus Hertenstein, dachte ich, er meint Hertenstein im Kanton Luzern.» Auf jenes, das gleich neben Ehrendingen liegt, wo sie aufgewachsen ist, kam sie nicht.
«Ich sagte immer, ich will keinen jüngeren Mann und keine Bauern. Jetzt habe ich beides», sagt sie mit einem Augenzwinkern. Zu Beginn habe sie sich schon Gedanken gemacht. «Ich hatte Kollegen im Umfeld, die auf dem Bauernhof aufgewachsen sind. Ich wusste, wie viel Arbeit Bauern leisten.» Und sie habe immer gewusst, dass sie neben den Aufgaben als Hausfrau und Bäuerin ihrem Beruf nachgehen möchte.
Hofladen im Laufstall
Seit Lias Geburt arbeitet Regula Minikus noch 50 Prozent auf dem Beruf. Daneben haben ihr Mann und sie auf dem Hof, der noch den Schwiegereltern gehört, einen kleinen Hofladen aufgebaut. Im Mai 2017 starteten sie mit der Direktvermarktung. Das liebevoll dekorierte Hoflädeli befindet sich im Laufstall. Neben eigenem Natura-Beef verkaufen sie Produkte wie Fleischgewürz, Kräutersalz, Barbecuesauce, aber auch Meringue und Sirup sowie saisonale Mitbringsel. Das alles stellen Regula Minikus und ihr Mann selber her. Die Produkte sind hübsch verpackt und angeschrieben. Sie passen zu der gut gekleideten Frau. «Ich liebe das: Basteln, Produkte verarbeiten. Ich kann so meine ganze Kreativität ausleben», sagt Minikus. Viel Know-how, etwa zur Deklaration, konnte sie aus ihrem Beruf mitnehmen, viel lernte sie aber auch in der Bäuerinnenschule. Werbung machen sie bis jetzt bewusst wenig, es laufe trotzdem sehr gut, vor allem dank Mund-zu-Mund-Propaganda.
Viele Spaziergänger kommen am Laufstall vorbei, Jogger, Familien mit Kindern. Dem Ehepaar ist die Kommunikation mit den Konsumenten wichtig. Die Stalltüren stehen stets weit offen. «Die Leute sollen sehen, was wir machen und dass wir nichts zu verbergen haben.» Schilder erklären, was Mutterkuhhaltung und was Natura-Beef ist. Regula Minikus hat ausserdem eine Liste mit den Namen aller Kühe und Kälber aufgehängt, «besonders Kinder möchten wissen, wie die Tiere heissen.»
Hof und Restaurant
Der Hof zum Jägerhuus wird von der Familie Minikus in der vierten und fünften Generation geführt. Dazu gehört auch ein Restaurant, das die Schwiegereltern mit weiteren Familienmitgliedern führen. 1998 stellte Rogers Vater von Milchproduktion auf Mutterkühe um. Heute stehen 27 Mutterkühe im modernen Laufstall von 2014. Die Familie bewirtschaftet 25 ha Land und neun Hektaren Wald. Roger Minikus arbeitet neben der Arbeit auf dem Hof als Gartenbauer auswärts. Das werden lange Tage für die Familie. Alles will gut organisiert sein. Lia geht einen Tag in die Kindertagesstätte, die andern anderthalb Tage hüten sie die beiden Grosselternpaare.
«Ich habe mir schon Gedanken gemacht, ob ich alles unter einen Hut bringe», sagt Regula Minikus. Mittlerweile bedeute ihr die Landwirtschaft sehr viel. Nicht alles war aber einfach für sie. Zum Beispiel das Wissen, dass die Kälber zum Metzger gehen. «Die ersten paar Male habe ich mich abends von ihnen verabschiedet, was mir gar nicht leichtfiel.» Jetzt weiss sie, dass das eben dazu gehört. «Roger sagt mir immer, ob er ein Kalb für die Zucht oder die Produktion vorgesehen hat. Und dass ich mich in jenes für die Produktion nicht verlieben solle.»
Die Berge als Kraftort
Viel Zeit für Hobbies bleibt dem Ehepaar neben Hof und Auswärts-Arbeiten nicht. «Wir sind beide sehr unternehmungslustig, aber wir müssen es gut planen und flexibel sein.» Regula Minikus trifft gerne Freundinnen, macht Sport, geht in die Natur. Jedes Jahr fahren sie ins Engadin, die Mutterkühe auf der Alp besuchen. Dort tanken sie Kraft für ihren teils hektischen Alltag – die Berge sind für sie ein Kraftort.
Die Hofübernahme ist im Gespräch – Regula Minikus ist dankbar, dass sich die beiden Generationen so gut verstehen, was nicht selbstverständlich sei. Ideen hat das Ehepaar viele: «Wir wollen aber vor allem weiterhin viel Aufklärungsarbeit leisten. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Sichtweisen und Perspektiven über das Thema Landwirtschaft kann in persönlichen Gesprächen zu einem besseren Verständnis für uns Bauern beigetragen werden.» Vielen Leuten sei gar nicht bewusst, was die Bauernfamilien alles leisten würden. «Da sind die Bauern oft viel zu bescheiden.»