«Als Kind verbrachte ich Wochenende für Wochenende in Gonten, wo meine Eltern ein Höckli besassen», erzählt Marc Trachsler. Es war eine Welt wie aus dem Bilderbuch «Albertli – Geschichten eines ­Appenzeller Bauernbuben» des Bauernmalers Albert Manser (1937–2011), der ihm später zum Vorbild wurde: Die typische Appenzeller Bauernlandschaft vermittelte Geborgenheit und liess ihm grosszügig Raum zum Spielen. Damals lebte Trachsler mit seiner Familie noch in Adliswil bei Zürich, das in den 80er-Jahren bereits sehr städtisch war.

Das Ferienhaus

Die starke Verbindung zum Appenzellerland blieb auch als Erwachsener bestehen: Kaum hatte Marc Trachsler die Lehre als Elektroplaner beendet, zog er nach Gonten in seine Wahlheimat, wobei er seinen Arbeitsplatz in Zürich beibehielt. Zudem begann er mit 20 Jahren mit der Bauernmalerei, die er in Albert Mansers Bilderbuch kennengelernt hatte. «Ein erstes Motiv war unser ehemaliges Ferienhaus, das ich auf eine alte Türfüllung malte, welche ich von meiner Grossmutter erhalten hatte», erinnert sich Trachsler. Es blieb nicht bei dem einen Bild. Das Malen wurde bald zu seiner Leidenschaft. Der heute 41-Jährige ist ein Autodidakt, der hauptsächlich mit Ölfarben malt.

Fotos sind die Vorlage

Als Malgrund verwendet er meistens Leinwände oder eben alte Türfüllungen. Seine Sujets sind Appenzeller Landschaftsbilder in verschiedenen Jahreszeiten und Stimmungen, Alpaufzüge, Brauchtümer und Porträts, auf denen er traditionell gekleidete Personen abbildet. Als Vorlage für seine Bilder verwendet er Fotos, die er auf zahlreichen Wanderungen durch die Region macht. «Ich bin fasziniert von der Gegend mit ihrer Authentizität, in der die Menschen noch aus einem inneren Bedürfnis heraus ihr Brauchtum pflegen», sagt Trachsler. «Die Welt funktioniert hier schon noch etwas anders. Um ein interessantes Motiv zu finden, muss ich nie weit gehen.»

Die Idylle betonen

Sicher, auch die Appenzeller Landschaft verändere sich, es wird mehr gebaut, das Leben ist moderner geworden, wie andernorts auch. «Hochspannungsleitungen will ich jedoch nicht auf der Leinwand verewigen. Siloballen hingegen habe ich auch schon übernommen», erzählt der Bauernmaler. Die Örtlichkeiten auf den Bildern sollen zwar noch erkennbar sein, aber es sei ihm auch wichtig, die Idylle der Landschaft zu betonen. «Ein Mittelweg zwischen modernen und altmodischen Elementen ist mir am liebsten. So kommt ein topmoderner Stall ebenso wenig auf ein Bild wie ein alter Heuschlitten, den heute sowieso kaum jemand mehr benutzt.»

Aufmerksame Betrachter

Bei den Bräuchen und Trachten, die Marc Trachsler malt, sind ihm Details wichtig. Bei einem Alpaufzug etwa gibt es eine vorgegebene Reihenfolge der Sennen und Tiere. «Wenn ich es damit mal nicht ganz so genau genommen habe, macht mich später bestimmt ein Älpler darauf aufmerksam», sagt der Künstler schmunzelnd.

Simmentaler passen nicht

Auch die Tierrassen auf den Bildern überlässt er nicht dem Zufall. So mag er die weissen Appenzellerziegen. Gefleckte Kühe wie die Simmentaler dagegen passen seiner Meinung nach nicht ins Bild. Mit der Zeit hat Trachsler eine gewisse Stil-Bandbreite entwickelt. Nebst der traditionellen, flächigen Bauernmalerei malt er auch moderner und verschafft den Sujets mehr Räumlichkeit, ein Berg beispielsweise erhält dadurch eine dreidimensionale Wirkung.

Centre Pompidou

Marc Trachsler hat sich mit seinen Werken längst einen Namen gemacht. In den letzten 20 Jahren hat er seine Bilder bereits einige Male ausgestellt, in und auch ausserhalb der Region. Zeitweise reduzierte er sein Arbeitspensum, um sich mehr auf seine Kunst zu konzentrieren. Heute malt er acht bis zehn Bilder pro Jahr, die er meistens vorzu verkauft, häufig auf Bestellung. «Für grosse Ausstellungen braucht es 30 bis 40 Bilder, doch dafür fehlt mir momentan die Zeit», stellt Trachsler fest, der heute in Appenzell lebt. Doch stets hängen jeweils ein paar Werke in lokalen Geschäften, quasi als Mini-Ausstellung. Auch in seinem Atelier in Gonten ist eine Auswahl seiner Gemälde zu sehen. Eine seiner Alpstein-Landschaften ist zudem auf der Etikette des Spezli-Biers der Brauerei Locher in Appenzell verewigt. Und dieses Jahr sollen einige Werke im Centre Pom­pidou in Paris (F) ausgestellt werden, im Rahmen einer Zusammenarbeit mit dem Künstlerpaar Com&Com.

Passionierter Reisender

Trachsler, der nebenbei auch als Sommelier tätig ist, wechselt derzeit beruflich nach einigen Jahren in der Versicherungsbranche in den Aussendienst einer Weinfirma. Nebst Malerei und Wein gehört auch das Reisen zu seinen Passionen: Zusammen mit seiner Frau reist der Appenzeller gerne in ferne und warme Gegenden. Eine seiner Lieblingsdestinationen ist Kuba, und als Nächstes geht es in den Fernen Osten, nach Laos. Auch einige seiner Bilder hat es in ferne Länder verschlagen, beispielsweise nach Shanghai oder Venezuela. «Einige Bilder haben Geschäftsleute erstanden und in ihre Heimatländer mitgenommen. Es freut mich jeweils zu erfahren, wo ein bestimmtes Werk hinkommt.»

Darüber diskutieren

Marc Trachsler ist nicht mehr der Junior unter den Appenzeller Bauernmalern. In den letzten Jahren sind jüngere dazu gekommen, welche das traditionelle Brauchtum pflegen wollen.

An seinen Ausstellungen mag es Trachsler, wenn die Besucher sich Zeit nehmen, ein Werk genau anzuschauen und sich darauf einlassen. «Und besonders freut es mich, wenn die Leute an einer Vernissage über einen Ort zu diskutieren anfangen, den sie auf den Bildern erkannt haben».

Weitere Informationen:
www.appenzeller-malerei.ch