«Das ist eine dumme Einstellung», findet Jürg Wirth. Der Demeter-Landwirt und Vogelkundler aus dem bündnerischen Lavin kann nicht verstehen, dass sich manche Leute über Schwalbenmist ärgern und die Vögel deshalb lieber nicht auf ihrem Grundstück haben möchten. Viel dagegen tun können sie auch nicht «Schwalbennester zu entfernen ist verboten, es droht eine Anzeige», erklärt er.
Gefiederte Nützlinge
Wirth bezeichnet Schwalben als seine Lieblingsvögel: «Sie sind wahre Flugkünstler, fliegen beinahe Loopings auf der Jagd nach Insekten», schildert er. Von seiner Terrasse aus könne er ihnen zuschauen und die waghalsigen Flugmanöver aus der Nähe beobachten. «Schwalben sind auch nützlich», fährt er fort, «denn sie fressen Mücken und Stallfliegen». Ausserdem machen sie laut Wirth gar nicht so viel Dreck. «Früher hatten wir ein Nest über dem Schlafzimmerfenster – klar wurde es da etwas schmutzig, aber im Winter wurde alles weggewaschen.» Da habe er gar nie putzen müssen.
Seit Kindesbeinen ein Vogelfan
Aber nicht nur Schwalben haben es Jürg Wirth angetan. Seine Faszination für Wildvögel erwachte in seiner Kindheit, als er im Garten in Würenlos (AG) viele und viele verschiedene Vögel beobachten konnte. Während seiner Zeit in Zürich beschäftigte er sich wenig mit den Tieren, «Ich hatte in dieser Zeit andere Interessen», begründet er. Ein Zivildiensteinsatz führte den gelernten Maschineningenieur auf den Demeter-Betrieb in Lavin, den er mittlerweile gekauft hat und selbst führt. Keiner der drei Söhne des vorherigen Betriebsleiters hatten den Hof übernehmen wollen.
Nester des Braunkehlchens retten
Jetzt kümmert er sich um sein Grauvieh, deren Milch und Käse, baut Kartoffeln und Artischocken an – und setzt sich für den Vogelschutz in der Region ein. Als Regionalkoordinator der Vogelwarte Sempach organsiert er in einem 30%-Pensum die Suche nach den Nestern des Braunkehlchens vor dem Mähen. «Wenn wir die Gelege des Bodenbrüters finden, informieren wir die Landwirte, die dann etwas Gras rundherum stehen lassen», erklärt Wirth das Vorgehen.
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Braunkehlchen sind Bodenbrüter und daher auf Rücksicht auf ihre Nester beim Mähen angewiesen, um ihren Nachwuchs durchzubringen. (Bild Pixabay)
Positive Reaktionen
Auf seine Bemühungen werde in Landwirtschaftskreisen mehrheitlich positiv reagiert, erzählt der Demeter-Bauer. «Die Leute wissen, dass es die verschiedenen Vögel gibt und dass deren Schutz auch finanziell unterstützt wird. Die Reaktionen werden immer besser», meint er. Dank einem zweijährigen Ornithologie-Kurs des Vogelschutzvereins Graubünden erkennt Jürg Wirth eine Vielzahl von Vögeln an Aussehen und Gesang und weiss, wo und wie sie leben.
Eine gesamthaft schonende Arbeitsweise
Auf seinem eigenen Betrieb hat er Hochstamm-Bäume gepflanzt. «Noch sind sie zu klein, aber sie werden in Zukunft auch den Vögeln nützen», meint der Bündner. Zudem habe er einen grossen Anteil von Ökowiesen, die erst nach dem 15. Juni gemäht werden. «Dann ist die Brutzeit vorbei», erklärt er. Der Stall für sein Grauvieh ist offen und bietet so Platz für Rauchschwalben, die das Angebot zu schätzen scheinen und ihre Nester darin bauen. Als Demeter-Bauer setzt Jürg Wirth keine Pflanzenschutzmittel ein, die Insekten und damit die Nahrungsgrundlage von Vögeln dezimieren könnten. «Konkrete Massnahmen nur für den Vogelschutz setze ich wenig um, es ist eher die gesamte Arbeitsweise, die sie schont», fasst er zusammen.
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Rauchschwalben brüten in Ställen und fressen Insekten. So reduzieren sie beispielsweise Mücken und Stallfliegen. (Bild Pixabay)
Unordnung ist etwas Gutes
Pläne für mehr hat er aber doch: «Ich möchte einige Hecken aufforsten, um Lebensräume zu schaffen», führt der Landwirt aus. Anderen, die sich für den Vogelschutz interessieren, rät er zu etwas mehr Unordnung: «Man kann z. B. den Mist offenlassen, dann finden die Vögel eher etwas zu fressen». Artenreiche Wiesen für Insekten und Büsche in der Landschaft tragen ebenfalls dazu bei, dass man, wie Jürg Wirth, entspannt Bachstelzen beim Picken und Schwalben bei ihrer Flugakrobatik zusehen kann.