Eigentlich haben sie bloss mit finanziellem Zustupf der Schweizer Berghilfe den ehemaligen Stall für Milchvieh mit Kälbermast in einen Schafstall umgebaut. In der Zwischenzeit wurde Erna Küttel in Zeitungen in der halben Schweiz porträtiert. Und auch das Fernsehen war schon bei der 36-jährigen Bäuerin und Hofbesitzerin. Auslöser für das Interesse ist nebst dem Stallumbau vor allem die schattige Lage. «Während vier Monaten haben wir hier keine Sonne», erzählt sie. Genau genommen ab 21. Oktober bis zum 21. Februar. Dann gehe es aber rasch und am 1. März habe man bereits drei Stunden Sonne täglich. Die BauernZeitung hatte sich bereits vor dem ungeplanten Medienhype mit der Urnerin verabredet.
«Arbeitskollegen fehlen manchmal schon.»
Die Bäuerin ist seit der Geburt der Kinder vor allem in Haus und Hof aktiv.
Im Winter halt ohne Sonne
Erna und Erwin Küttel wohnen mit den beiden Kindern Mike und Ramona, beide im Vorschulalter, im Grenzgebiet von Schwyz und Uri. Irgendwie gehören sie zum Schwyzer Dorf Riemenstalden, aber streng genommen steht ihr Hof jenseits des Riemenstaldnerbachs und damit doch in Uri. Der Betrieb Urmis liegt auf gut 1000 m ü. M., Gemeinde Sisikon. Erna ist auf dem Betrieb gross geworden, zusammen mit drei Schwestern, sie kennt die eingangs angesprochenen «Schattenseiten». Die Liegenschaft ist seit 1977 in Familienbesitz. Gekauft hatte ihn Ernas Grossvater, dann ging er auf die Mutter über.
Ernas Mann, gelernter Automonteur, im Winter Vollzeit bei einer Bergbahn angestellt, hatte dann die Wahl, sagt sie und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Zwar sei er auf einem Betrieb auf der Sonnenseite aufgewachsen, dafür damals im Winter schlecht erreichbar und entsprechend mit einem Schulweg von einer Stunde. So gesehen, sei das verkraftbar, findet sie. In der Tat ist der Betrieb von Küttels gut erschlossen, inklusive Glasfasernetz. Einzig verwehter Schnee macht im Winter die Strasse nach Sisikon ab und zu unpassierbar. In Riemenstalden gibt es lediglich Brot, ansonsten müssen Küttels nach Schwyz oder Flüelen, um einzukaufen.
«So gesehen war das verkraftbar für ihn.»
Erna Küttels Mann zog von einem schlecht erschlossenen Sonnseiten-Betrieb zu ihr.
Bioschafe statt Kühe
Die gut acht Hektaren in der Bergzone III sind mehrheitlich doch recht steil. Die Flächen im Herbst kaum mehr beweidbar, das Eingrasen als Alternative mühsam. Mit Schafen und Weidemast der Lämmer sei die Produktion nun standortgerechter, findet Erna Küttel. Gleichzeitig mit den Schafen startete man 2020 auch die Umstellung auf Bio. «Der Schritt war klein», sagt Küttel. Klein oder kurz ist zum Glück auch die Distanz zum Wohnort im Sommer. Küttels bewirtschaften seit ein paar Jahren eine nahegelegene Rinderalp. Mit dem Auto in 15 Minuten erreichbar auf 1444 m ü. M. gelegen. Erna Küttel lernte Detailhandelsangestellte und arbeitete bei einem Grossverteiler in Seewen. 2012 übernahm sie den Betrieb, nach Abschluss eines siebenwöchigen «DZ-Kurses», wie sie sagt. Hätte sie sich nicht auch ein Leben weiter unten, mit mehr Sonne und einem vielleicht besseren Verhältnis von Aufwand und Ertrag vorstellen können? «Nein», sagt Erna Küttel gelassen. Die Arbeit in der Natur und mit den Tieren gebe ihr sehr viel. Auch für ihre Kinder sei das eine schöne Umgebung, um aufzuwachsen, ist sie überzeugt. Seit der Geburt von Mike ist die Bäuerin Vollzeit zu Hause. «Die Arbeitskollegen fehlen manchmal schon», gibt sie zu. Mehr als die fehlenden Sonnenstrahlen im Winter. Hingegen kann sie auf die Hektik in den Läden gut verzichten. Sonne tanken ist auch im Winter möglich. Küttels gehen gerne in ein Skigebiet oder notfalls spazieren sie halt auf die andere Seite des Baches. Der Weiler Riemenstalden ist im Gegensatz zum Betrieb Urmis «nur» zwei Monate ohne Sonne. So können die Kinder auch gleich den recht kurzen Weg ins Dörfli üben. Bis zur sechsten Klasse geht es hier zur Schule, dann nach Brunnen in die Oberstufe.
Bäuerin schaut zum Hof
Erna Küttel macht im Winter den grössten Teil der Stallarbeiten am Morgen. Abends macht dann ihr Mann den «Finish», wie sie sagt. Im Sommer mit den Maschinen im steilen Gelände lässt sie dann Erwin den Vortritt. Die Arbeit sei bedeutend «ringer» geworden in den letzten Jahren. Nicht nur wegen der Umstellung auf Schafe. Auch noch so kleine Errungenschaften wie das Heuen mit dem Laubbläser spare viel Zeit ein. Die Winter hingegen sind doch recht rau. Viel Schnee aber auch Föhn gibt es hier oben. Schneefräsen und die Dinge «anbinden», wenn mal wieder Sturmwind gemeldet ist, sind fast ihr täglich Brot.
Erna Küttel blickt entspannt in die Zukunft. Man sei nun «gut eingerichtet». Die Arbeit lässt sich, auch dank der Unterstützung ihrer Familie, mit vertretbarem Aufwand bewältigen. Eine Herausforderung wird noch die Vermarktung der Biolämmer sein. Bislang gingen diese an die öffentliche Schlachtviehannahme. Die Kurstage für Neu-Umsteiger hat sie, bedingt durch die Pandemie, noch nicht ganz abgeschlossen. Mittelfristig würde sie aber schon auch gerne wieder «auswärts» arbeiten. «Ein Tag reicht schon», sagt sie.
Betrieb Urmis
Betriebsleiter: Erna und Erwin Küttel, Kinder Mike (5) und Ramona (2)
Lage: Riemenstaldertal, Sisikon UR, 1039 m ü. M.
Flächen: 8,2 ha, BZ III
Tiere: 35 Mutterschafe, Weidelämmer-Mast
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar, Schwestern von Erna bei Arbeitsspitzen
Nebenerwerb: Erwin im Winterhalbjahr Vollzeit bei Bergbahn