«Ich hätte mir gewünscht, mich den Frauen persönlich vorstellen zu können.» Dies sagt Doris Marti zu ihrer brieflich erfolgten Wahl in den Vorstand des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands (SBLV) von Ende April. Doch man müsse es in der momentanen Situation eben akzeptieren, wie es ist, meint die Bäuerin und Präsidentin der Seeländer Bäuerinnenvereinigung aus Lyss BE. Doris Marti hofft, dass sie ihre neuen Vorstandskolleginnen bald persönlich kennenlernen kann, und freut sich darauf, denn: «Die Vereinsarbeit fehlt mir extrem.» Ganz besonders freut sie sich, mit ganz unterschiedlichen Frauen, aus ebenso unterschiedlichen Regionen der ganzen Schweiz, zu arbeiten. Sehr schätzt sie die Geste mit Blumenstrauss und Glückwunschkarte, die ihr zugesandt worden ist. Das Arbeiten in Vereinen und Vorständen hat einen grossen Stellenwert im Leben der Seeländerin. Sei es bei den Landfrauen und Bäuerinnen oder auch beim Trachtentanzen, ihrer ganz grossen Leidenschaft.
Frauen halten die Fäden in Händen
Mit Gleichgesinnten an einem Strang ziehen und die Interessen von Bäuerinnen und Landfrauen vertreten, das ist es, was sie will. «Bei uns Frauen laufen die Fäden zusammen und gehen auch wieder auseinander. Ähnlich wie bei einem starken Spinnennetz.» Im SBLV will sie sich für die soziale Absicherung der Frauen einsetzen. Ein Anliegen ist es ihr auch, mehr Wertschätzung der Bevölkerung für die Landwirtschaft zu wecken. «Wir produzieren gesunde Lebensmittel, schauen gut zu unseren Tieren. Immer als Sündenbock abgestempelt und auf den Erhalt von Direktzahlungen reduziert zu werden, verletzt mich», verrät sie.
Die Vereinigung der Seeländer Bäuerinnen
Die Seeländer Bäuerinnenvereinigung, deren Präsidentin Doris Marti ist, bezweckt den Zusammenschluss von Bäuerinnen aus dem Seeland und angrenzenden Gebieten. Dies zur Wahrung und Förderung ihrer Interessen in wirtschaftlicher, beruflicher, sozialer und kultureller Hinsicht. Das heisst es auf der Website. Bei den Anlässen kommt immer auch dem Austausch untereinander und der Geselligkeit eine wichtige Bedeutung zu. Heuer hätte ein Brunch vor der Jahresversammlung das 50-jährige Bestehen einläuten sollen. Der Anlass ist nun auf den 10. Oktober verschoben worden. w
Weitere Informationen:
www.seelaenderbaeuerinnen.ch
Früh im Garten und auf Hof mitgearbeitet
Die Liebe zur Natur hat Doris Marti in die Wiege gelegt bekommen. Sie ist mit einem jüngeren Bruder in Schüpfen BE aufgewachsen. Ihr Vater war Briefträger, die Mutter Hausfrau. Die Familie hatte einen Gemüsegarten und einen Pflanzplätz bei einer Bauernfamilie im Nachbardorf. Dieser Hof war wie ein zweites Zuhause der kleinen Doris. Dort lernte sie auch Traktor fahren und hat die Traktorenprüfung absolviert. Gross sei der Stolz darüber gewesen, erzählt sie und lacht dabei. Zudem hat sie die Sommer- und Herbstferien oft in Müntschemier BE im Grossen Moos verbracht. Auch dabei habe sie enorm viel über die Landwirtschaft gelernt. Highlight seien immer die Znüni- und Zvieripausen auf dem Feld gewesen. Dass sie später einen Weg einschlug, der beruflich viel mit Natur zu tun hat, ist naheliegend.
Die Rolle der Schwiegermutter
Doris Marti absolvierte die Ausbildungen zur Gärtnerin und Floristin. Bereits früh reifte der Wunsch, einmal einen Bauern heiraten zu wollen. Und dieser Wunsch ging in Erfüllung. Als Zwanzigjährige lernte sie Markus Marti aus Lyss kennen und zog schon bald zu ihm auf den Hof. Ihre Schwiegermutter nahm sie mit zu Anlässen der Seeländer Bäuerinnen und legte so den Grundstein für Doris Martis Engagement für Landfrauen und Bäuerinnen. «Diese Anlässe, das Zusammensein von älteren und jüngeren Frauen hat mir sofort gefallen. Da hat es mir richtig den Ärmel reingenommen», erinnert sich die Bäuerin. Und wieder ist da ihr fröhliches Lachen. Der Betrieb war bereits früh gut mechanisiert. Ihre Mitarbeit draussen war lediglich gefragt, wenn Not am Mann war, etwa bei der Heuernte. Dies ermöglicht es ihr bis heute, diverse Ämter auszuführen und den Garten zu pflegen. «Der Garten ist meine Berufung», erzählt Doris Marti.
Das Schicksal schlägt zu
Aber nicht nur. Der Garten und die Natur im nahen Wald sind für sie aber auch Kraftorte. Besonders nach dem Verlust ihres Sohnes Daniel vor sieben Monaten. Der junge Mann nahm sich das Leben. Das Lachen ist Tränen gewichen, während Doris Marti weitererzählt. Martis gehen offen mit den Umständen ihres Verlusts um. ««Suizid sollte kein Tabuthema sein», meint die Mutter. Sich zu verschliessen und die Situation totzuschweigen bringe nichts. Sie würde so zerberechen, erklärt Doris Marti. Gespräche mit Freunden und Bekannten tun ihr in diesem Trauerprozess gut. Besser, als das Besuche bei einem Psychologen tun könnten, ist sie sich sicher. Dabei hat sie festgestellt, dass es auch in Familien Probleme gebe, wo sie es nicht vermuten würde. Martis Offenheit animiert andere ebenfalls, sich zu öffnen.
Die Emotionen zulassen
Es sei wertvoll, wenn man sich so gegenseitig Halt und Kraft geben könne, statt alles in sich hineinzufressen und in Selbstmitleid zu versinken, ist Doris Marti überzeugt. Dabei auch das Weinen zuzulassen, das mache einen Menschen stark. Wichtig sei aber auch, sich trotz allem an Schönem zu erfreuen und lachen zu dürfen. «Es gibt bessere und schlechtere Tage in diesem Trauerprozess. Mal scheint die Sonne, mal regnet es. Aber beides braucht es», erzählt Doris Marti. Ausserdem habe sie noch zwei weitere Kinder. Die sind noch da und dürfen ob des Verlusts nicht vergessen werden. Doris Marti investiert seit Jahren viel Zeit in die verschiedenen Vereinigungen. Nun darf sie viel zurücknehmen. Sie fühle sich von den Mitgliedern und Vorstandskollegen gut getragen und erhalte viel Unterstützung. «Das gibt mir Kraft», betont sie. Und spätestens beim Fototermin in ihrem geliebten Garten, kehrt das Lachen zurück, wenn auch zaghaft.