«Ich sehe immer noch dieses Bild vor mir, wie die Gustis den Schwanz lupfen, und weg vom brennenden Stall in die Nacht hinaus rennen.» Landwirt Martin Wüthrich aus Waltrigen bei Häusernmoos BE, sitzt in der neuen Küche am langen Holztisch und erzählt ruhig und gefasst. Erzählt vom verhängnisvollen vierten Advent im Jahr 2014, der sein Leben und das seiner Frau Doris sowie der drei erwachsenen Kinder Melani, Cornelia und Marco komplett auf den Kopf stellte. Ein Brand, ausgelöst durch einen technischen Defekt und ausgebrochen im hintersten Teil des obersten Stocks des Wohnteils, zerstörte das komplette Bauernhaus des Betriebes, den die Familie als Pächter führt.

Die Sorge gilt den Tieren

5.45 Uhr zeigte der Wecker, als der Landwirt durch ein Piepsen erwachte. Es dauerte einen Moment, bis er erkannte, dass das Geräusch nicht vom Wecker, sondern vom Rauchmelder kam. Da war der hintere Teil des Gangs bereits voller Rauch. Wüthrichs konnten das Haus unverletzt verlassen. Von der Hutablage schnappte sich der Landwirt beim Rausgehen einzig noch das Portemonnaie. Die Sorge galt den Tieren, die sofort aus dem Stall getrieben wurden. Auch sie alle unverletzt. Danach blieb dem Ehepaar Wüthrich nichts anderes übrig, als zuzusehen, wie die Flammen wüteten.

Die Sicherheit geht vor

«Innerhalb einer guten Stunde hast du nur noch das, was du am Körper trägst, und eben das Portemonnaie», erzählt der Landwirt. «Das hat uns den Boden unter den Füssen weggezogen.»

Ist da die Gefahr nicht gross, dass man versucht, ins Haus zurückzukehren, um noch einiges zu retten? Nein, erklärt Martin Wüthrich. Das sei Dank seiner Ausbildung als Feuerwehrmann der Atemschutztruppe nicht passiert. Immer wieder sei ihnen eingetrichtert worden, nicht den Helden zu spielen, die Sicherheit gehe vor. Immer. Das habe er verinnerlicht und anwenden können, eben auch als er persönlich betroffen war.

 

Wichtig: den Neuwert versichern

Andreas Stucki ist Leiter Versicherung der Emmental-Versicherung. Wir haben bei ihm nachgefragt.

Wie versichert sich ein Landwirt am besten gegen Brandschäden?

Andreas Stucki: Nebst der Versicherung für die Gebäude muss eine Feuerversicherung für das landwirtschaftliche Inventar abgeschlossen werden. Diese deckt Schäden an Tieren, Einrichtungen, Gerätschaften und Waren. Das fahrbare Inventar wird teilweise über Kaskoversicherungen abgedeckt. Weiter braucht es eine Versicherungsdeckung für den Betriebsunterbrechungsschaden.

Besteht in jedem Fall Anrecht auf die Versicherungssumme?

Die vereinbarte Versicherungssumme muss dem Ersatzwert (Neuwert) der versicherten Inventarwerte entsprechen. Wurde die Versicherungssumme tiefer festgelegt, besteht eine Unterversicherung. Eine solche berechtigt den Versicherer im Schadenfall, seine Leistung zu kürzen.

 Wie gehen die Versicherungen nach einem Brand vor?

Hier ist oft Fingerspitzengefühl gefragt. Schliesslich steht dem Versicherungsnehmer in diesem Moment eine herausfordernde Zeit bevor. Das Wichtigste ist, dass der Betrieb aufrechterhalten werden kann. Die ersten Fragen drehen sich oft um Tierverstellungen und provisorisches Wohnen in Betriebsnähe.

 Welche Kosten werden ­häufig unterschätzt?

Unterschätzt werden oft die Entsorgungskosten, hauptsächlich von grossen Futtervorräten. Insbesondere dann, wenn sich Löschwasser mit Chemikalien oder Betriebsstoffen vermischen kann.

Welche Fehler gilt es beim Versicherungsschutz eines landwirtschaftlichen Betriebes zu vermeiden?

Wichtig ist, dass die Versicherungssituation regelmässig überprüft wird. Betriebe entwickeln sich. Angeschaffte Maschinen oder neue Betriebszweige gehen vis à vis dem Versicherer vergessen und führen dann zu einer knappen Versicherungssumme.

 

Ein wenig Glück in der Not

Nebst allen negativen Erinnerungen, darunter das dreistündige Verhör durch die Polizei, kann Martin Wüthrich aber auch von schönen Gesten berichten. Etwa, dass Nachbarn fürs Erste ihre voll ausgestattete Ferienwohnung zur Verfügung stellten sowie andere Nachbarn eine leer stehende Wohnung etwas oberhalb des Hofes, die Wüthrichs dann nach und nach einrichten und beziehen konnten. Der Besitzer des Betriebes kam ausserdem sofort und sicherte sogleich den Wiederaufbau des Hofs zu. Und auch über die gute Zusammenarbeit mit der Emmental-Versicherung sind Wüthrichs froh. Ihr Agent sei noch selben Tags vor Ort gewesen, hat Hilfe zugesichert und angeboten, Bargeld zu besorgen. «Das gab uns Sicherheit».

Guter Versicherungsschutz

Der Besitzer hat Wort gehalten und Haus und Stall wieder aufgebaut. Der Brand hat Doris und Martin Wüthrich in ihrer Meinung bestätigt: «Es lohnt sich, alle zwei Jahre mit seinem Versicherungsagenten alles durchzugehen, um immer genügend versichert zu sein.» So konnten Wüthrichs den Betrieb ohne grössere Probleme wieder funktionstüchtig einrichten. Dies alles und eine Portion Sarkasmus haben Martin Wüthrich über die schwere Zeit hinweggeholfen. So habe er einmal gesagt: «So, ich wäre nun parat fürs Altersheim, denn ich habe gründlich aufgeräumt. Nur der Zeitpunkt stimmt halt nicht.»

Gerade fahren ohne GPS

Doris und Martin Wüthrich sind Pächter des Betriebs im Emmental, wie auch schon Martins Eltern. Zu den Herausforderungen der täglichen Arbeit komme hinzu, die Erwartungen des Verpächters zu erfüllen. Da hilft es sicher, dass der Landwirt ein «Tüpflischiisser» ist, wie er sich selbst bezeichnet. Er arbeitet gerne genau und sauber. Er hat auch kein GPS auf dem Traktor, sondern habe das «im Grind», erzählt er und schmunzelt.

Über seine absolut gerade Fahrweise hätte schon so mancher Lehrling gestaunt. Martin Wüthrich weiss aus eigener Erfahrung, dass es stark auf den Besitzer ankomme, ob man freie Hand habe oder oft reingeredet wird. «Wir haben mit unserem Besitzer ein super Verhältnis» freut er sich. Dieser habe sofort eingewilligt, als die Familie 2008 die Milchproduktion aufgab und für die Aufzucht von Jungtieren umbauen wollte.

Die Dinge ändern sich

Martin Wüthrich gründete mit seinem Vater 1994 eine Gemeinschaft. Von einem befreundeten Nachbarn konnte er einen Saatbetrieb (Mais und Futterrüben) übernehmen, der sich zur Zufriedenheit entwickelte. Dieser Umstand trug schliesslich zur Entscheidung mit bei, die Milchproduktion aufzugeben und auf Aufzucht umzustellen.

Der grosse Vorteil liege klar darin, dass die Aufzucht nicht an Fixzeiten gebunden sei. «Es darf aber nicht davon ausgegangen werden, dass Aufzuchttiere keine Arbeit geben.» Für Martin Wüthrich ist es ganz wichtig, sie zu beobachten. «Die Zeit musst du dir nehmen, um keine Brunst zu verpassen.» Wüthrich treibt die Tiere täglich auf die Weide und später zurück in den Stall. «Da siehst du am einfachsten das Brunstverhalten», betont er. Und zudem würden die Tiere dadurch auch viel zutraulicher.

Straffer Zeitplan

Der Stall auf dem Betrieb von Familie Wüthrich konnte rund elf Monate nach dem Brand wieder bezogen werden, das Wohnhaus ein paar Monate später. Für die Familie haben materielle Dinge seit dem tragischen Ereignis an Wert verloren. Schlimm sei, dass Erinnerungen, Bilder der Kinder und der eigenen Kindheit plötzlich alle weg sind. «So was lehrt dich auf brutale Art und Weise loszulassen», erzählt Martin Wüthrich.

Heute lebt die Familie Wüthrich nicht viel anders als vor dem Unglück. Nur schmürzelnde Gerüche lassen sie rasch unsicher werden. Als es vor zwei Jahren im Nachbardorf brannte, der Wind den Brandgeruch nach Waltrigen wehte, kam das eigene Erlebte wieder hoch.

Die Familie hält zusammen

«Der Geruch von damals hat sich unauslöschlich auf der Festplatte eingebrannt», nennt es Martin Wüthrich. Das ganze Erlebte hat uns als Familie noch viel enger zusammengeschweisst. «Immer am Jahrestag am 21. Dezember kommen wir zusammen und sind dankbar, dass bei diesem verhängnisvollen Unglück niemand zu Schaden kam.»

 

Betriebsspiegel

Betriebsleiter: Martin und Doris Wüthrich, drei erwachsene Kinder, Doris arbeitet 60 % als Pflegefachfrau DN in einem Altersheim

Mitarbeiter: Ein Auszubildender im dritten Lehrjahr

Fläche: 27 Hektaren

Kulturen: Saatkartoffeln, Silomais, Wintergerste sowie Natur- und Kunstwiese

Tiere: Bis zu 80 Aufzuchtkälber von rund zehn Bauern

Betriebszweig: Düngerhandel; offizieller Händler der Firma Timac Agro