Der Besuch des Agripreneur-Kurses war für Nicole Reusser ein Geschenk. Ein Geschenk an sich und ihren Mann, aber auch an ihren Betrieb im Bezirk Bucheggberg im solothurnischen Biezwil. Durch die Kursausschreibung sah die Mutter von sechs Kindern (2 bis 16), Bäuerin und gelernte Ernährungsberaterin die Chance, ihren Betriebszweig Agrogastronomie, genauer ihr Projekt «Weihnachtsweg der anderen Art», sauber analysieren und hinterfragen zu können. Etwas, das die Familie zwar schon länger vorhatte, was jedoch bislang im prallen Alltag keinen Platz fand. Und Nicole Reusser absolvierte den Kurs äusserst erfolgreich. Sie gewann für den im vergangenen Dezember zum ersten Mal realisierten Weihnachtsweg einen Spezialpreis der Fachjury.

 

Das ist der Agripreneur-Kurs

Der sechstägige Agripreneur-Kurs will dazu anregen, bis­herige Denkmuster zu durchbrechen und neue Ideen anzupacken. Mit Wissen und Werkzeugen aus der Jungunternehmer-Szene werden Betriebsleitende bei der Entwicklung und Umsetzung von neuen Ideen und Betriebszweigen unterstützt. So bewirbt das Inforama das Angebot, das im vergangenen Jahr zum ersten Mal durchgeführt wurde. Nicole Reusser fand den Kurs eine Bereicherung, sehr spannend und vielseitig. Nebst der Ideenfindung und Umsetzung wurden Themen wie Finanzierung, Kommunikation und Rechtsformen besprochen. Am letzten Tag präsentierten die Teilnehmer ihr erarbeitetes Projekt einer Fachjury. Auch heuer wird der Kurs wieder ab Anfang November durchgeführt. Die Abschlusspräsentation ist für den 25. März 2021 vorgesehen.

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Den Konsumenten einbeziehen

Schon seit Längerem agiert die Familie sehr innovativ. Mit dem Zelgli-Träff haben sie eine Erlebniswelt aufgebaut, in der eine Verschmelzung vom Produzenten zum Konsumenten stattfindet, erklärt Nicole Reusser. Sie lässt sich von der beissenden Bise nicht abhalten, welche das Gespräch mit der BauernZeitung im Garten begleitet. Im Gegenteil. Die Worte sprudeln nur so aus ihr heraus. Die Leidenschaft für ihre Arbeit und der Kontakt zu den Gästen sind deutlich spürbar. Die Gästebewirtung Zelgli-Träff hat die Familie 2015 ins Leben gerufen. Ursprung dieses Betriebszweiges war die Teilnahme bei der Landfrauenküche des Schweizer Fernsehens. Wie so einiges im Leben der Reussers entstand der Betriebszweig aus Kundenwünschen heraus. Denn nach der Ausstrahlung der Sendung kamen Anfragen zur Gästebewirtung rein. Mittlerweile ist der Zelgli-Träff sehr gut gebucht, wenn nicht grad die Corona-Zeit den Gästebetrieb lahmlegt.

 

Der Zelgli-Träff auf dem Hof

Der Erlebnishof Zelgli-Träff von Fritz und Nicole Reusser und ihrer Familie bietet Gästebewirtung für Gruppen im Gewölbekeller und in der Grillarena an. Nebst der Kulinarik wollen die Reussers ihren Gästen ein unvergessliches Erlebnis bieten. Regelmässig werden auch öffentliche Anlässe wie Grill- und Fondueabend oder Brunch angeboten. Die Erlebniswege Milchstrasse und Weihnachtsweg bringen Familien die Landwirtschaft wieder näher. Die Familie betreibt zudem Ackerbau, Schweinemast und einen Onlineshop. Darin werden Produkte vom Hof wie Backwaren, Mehl, Spirituosen, Würste und mehr verkauft. Normalerweise einmal wöchentlich, jetzt während der Corona-Zeit, zweimal wöchentlich, bäckt die Bäuerin Waren für den Hauslieferdienst «Buur on Tour». Vor zwei Jahren haben Reussers zudem auf einer Fläche von 60 Aren eine Trüffelplantage errichtet. Sie hoffen, in sechs bis acht Jahren die ersten Trüffel ernten zu können. Und falls es nichts zu ernten gibt, haben Reussers bereits bei der Pflanzung vorgesorgt: Die Plantage wurde in Form eines Labyrinths angelegt. 

 

Die Profis machen lassen

«Du musst zuhören und das anbieten, was die Gäste wollen – nicht das, was wir wollen», ist ein wichtiges Credo von Nicole Reusser. Und dann verrät sie ein weiteres Geheimnis ihres Erfolges: «Wir lagern an Profis aus, was wir nicht gut können oder nicht gerne tun.» Das spare Zeit und auch Nerven. Zwar koste es, etwa die Dekoarbeit von einer Floristin herstellen zu lassen. Doch für Reussers geht die Rechnung unter dem Strich dennoch auf. Mit den Erlebniswegen will das Betriebsleiterpaar den Besuchern viele Informationen rund um die Landwirtschaft sowie Spiel und Spass bieten, ohne zeitlich zu stark gebunden zu sein. Die «Milchstrasse» ist ein rund 1,5 Kilometer langer Rundweg vom Hof über die Felder, zurück zum Hof. An 15 Posten warten Milchkannen mit Quizfragen und Aktivitäten, wie in der Wiese mit der Lupe Insekten zu suchen, darauf, von den Besuchern entdeckt zu werden. Der offene Garten mit der Aussenküche lädt danach ein, auf dem Feuer eine Wurst aus dem Selbstbedienungshäuschen zu braten. Der Weihnachtsweg entstand in Zusammenarbeit mit acht Partnern unterschiedlicher Gewerbe, die aber alle dasselbe Ziel verfolgten: die Besucher mit dem Wow-Effekt begeistern zu können. Und das sei gelungen. Ein Leitsatz beim Agripreneur-Kurs lautete: «Wenn du 75 Prozent parat bist, leg los», erzählt Nicole Reusser. Und beim Weihnachtsweg war das genauso. Sie ist sich bewusst, dass auch sehr viel Glück und Vertrauen zwischen den Partnern mit im Spiel war, dass das Projekt, welches in nur zwei Sitzungen geplant wurde, so gut gelang. Die Einnahmen aus dem Spendenkässeli sollen nun für den diesjährigen Weihnachtsweg eingesetzt werden.

Auslagern, was nicht passt

Wenn man Nicole Reusser zuhört, fragt man sich unweigerlich, ob ihr Tag mehr als 24 Stunden hat. Nein, sagt sie und lacht dabei. Diejenige Arbeit zu machen, die sie gut kann, die ihr Spass macht und den Rest auszulagern, das spare sehr viel Zeit. Zudem seien die für die Gästebewirtung vorgesehen Sonntage zum Voraus klar. Jeden Monat seien ein bis zwei Sonntage ohne Gäste eingeplant. Und an Geburtstagen eines Familienmitglieds oder an Feiertagen wie Ostern und Weihnachten werden keine Gruppen angenommen. So gern Reussers Gäste auf dem Hof haben, da sind sie konsequent. Diese Tage gehören einzig der Familie. «Da kann der Papst kommen, wir öffnen nicht», macht Nicole Reusser deutlich. Und da ist es wieder, ihr ansteckendes Lachen. 

Weitere Informationen: www.zelgli-traeff.com