Wann entsteht bei Ihnen der Verdacht auf eine postpartale Depression?
Sandrina Herzog: Das können verschiedene Anzeichen sein. Zum Beispiel, wenn die Frau bedrückt oder abwesend wirkt. Wenn ihr Umgang mit dem Baby auffallend freudlos oder gehemmt ist. Manchmal äussert die Frau den Verdacht auch selbst. Eine Frau hat einmal kurzfristig am Abend einen Besuch gewünscht. Ich fand sie ganz erschöpft auf dem Sofa liegend und sie äusserte selbst sehr konkret die Befürchtung, eine postpartale Depression zu haben.
Gibt es besondere Risikofaktoren?
Ein Risikofaktor ist, wenn eine Frau schon vor oder in der Schwangerschaft an Depressionen gelitten hat oder nach einer früheren Geburt schon eine postpartale Depression hatte. Oder wenn sie ein Geburtstrauma erlitten hat. Mir scheint zudem, dass oft Frauen gefährdet sind, die vermehrte Ängste oder sehr hohe Anforderungen an sich selbst haben, die der Meinung sind, der Haushalt müsste schon im Wochenbett wieder perfekt sein. Wenn dann Stress und Erschöpfung dazukommen, kann das eine gefährliche Kombination sein.
Sie betreuen auch Frauen aus der Landwirtschaft.
Bei einer Bäuerin ist mir ihr grosser Gemüsegarten vor dem Haus aufgefallen. Dieser musste natürlich weitergepflegt werden, was sie auch früh nach der Geburt selber wieder getan hat. Das Wochenbett verläuft auf einem Hof ganz anders als bei anderen Frauen, wo der Partner oft nach der Geburt erst mal Ferien nimmt und zu Hause bleibt. Der Landwirtschafts-betrieb muss weiterlaufen, je nach Jahreszeit ist vielleicht gerade Hochsaison. Manche Bäuerin beginnt sicher früher wieder zu arbeiten als eine Frau mit einem anderen Beruf.
Kann man einer postpartalen Depression vorbeugen?
Es hilft, Bewusstsein zu schaffen. Gynäkologen sollten Schwangere darauf sensibilisieren, vielleicht Flyer auflegen. Die Beobachtung und Wahrnehmung von Veränderungen in der Stimmung und im Verhalten der Wöchnerin sind ernst zu nehmen und es ist wichtig, dass der Partner und der Frau nahestehende Personen sie darauf ansprechen. Am besten organisiert man sich schon vor der Geburt Unterstützung. Wer kann das ältere Geschwisterkind sporadisch betreuen? Entlastend in der Wochenbettzeit sind zudem vorgekochte oder vorbeigebrachte Mahlzeiten.