Mal ist die Flasche Wein oder der Butterzopf zu dunkel, mal zu grell und zu wenig plastisch: Schöne Bilder von den eigenen Hofprodukten zu machen, ist keine einfache Sache. Beim Fotografieren vergehen schnell Stunden, ohne dass es am Schluss professionell aussieht. Weil viele Direktvermarkter(innen) es mit denselben Herausforderungen zu tun haben, hat nun der Strickhof vor einer Woche in Winterthur einen Workshop für Produktefotografie angeboten.
Hofprodukte vor der Linse
[IMG 2]Als Kursleiter konnte der Zürcher Profifotograf Beat Bieler gewonnen werden, der während Jahrzehnten für verschiedene Fotoagenturen und Magazine wie etwa «Le Menu» gearbeitet hat. Auch zur Landwirtschaft hat er Verbindungen: Bieler hat nicht nur für den Verein «Swiss Tavolata» fotografiert, sondern war auch jahrelang Vorstandsmitglied. Was denn die Kursteilnehmer(innen) planten, daheim auf ihrem Betrieb zu fotografieren, fragte er zu Beginn des Kursnachmittags. Genannt wurde verschiedenstes: Wein, Gebäck, Honig, Gemüse, ganze Menüs und mit Apfelringli gefüllte Cellophanbeutel. Letztere aufzunehmen ist besonders anspruchsvoll, weil die Folie das Licht spiegelt.
«Das Licht spielt beim Fotografieren eine sehr grosse Rolle», sagte Bieler. «Wie wir damit umgehen, beeinflusst das Resultat erheblich.» So stellt sich etwa die Frage nach der Lichtquelle: Viele Foodfotografen arbeiten laut dem Kursleiter nur mit natürlichem Licht und verzichten auf den Blitz, weil dieser kein lebendiges Bild ergibt. Zudem ist es wichtig, das Licht so zu führen, dass es von hinten oder von der Seite auf den Gegenstand fällt. «Was man hervorheben will, kann mit geführtem Licht zum Leben erweckt werden», so Bieler. Dazu eignen sich beispielsweise weisse Plexiglasscheiben oder ein weisser Stoff, zwischen Lichtquelle und Objekt platziert. Mit Styroporplatten oder einem Spiegel kann das Licht auf das Wunschobjekt gerichtet werden, um es ins rechte Licht zu rücken.
Eine ungerade Zahl macht sich besser
Nach einer theoretischen Einführung machten sich die Kursteilnehmer(innen) an die praktische Umsetzung. Als Ziel des Nachmittags legte Bieler zwei gelungene Foodbilder fest. Die eine Gruppenhälfte erhielt als Ausgangslage ein Olivenbrot, die andere fünf Patisserie-Rumkugeln. «Nun geht es darum, die Inszenierung unserer Objekte zu planen», sagte Beat Bieler. «Dazu gehört auch, darum herum eine Geschichte zu erzählen». Ein Foto vom Olivenbrot alleine auf dem Tisch etwa würde langweilig wirken.[IMG 3]
Daher wird Schritt für Schritt eine Szene erarbeitet: Das Brot kommt auf ein ansprechendes Holzbrett, dazu passen ein schönes Brotmesser, ein paar Oliven, ein Küchentuch.
Alles dreht sich um den Star
Auch beim Styling gibt es einiges zu beachten. So sollen die Farben der Szene möglichst ähnlich sein oder sich auf dem Farbenkreis gegenüberliegen. Bei «zufällig» hin gestreuten Krümeln, oder wie hier die Oliven, ist es laut Bieler wichtig, jeweils eine ungerade Zahl zu wählen (solange es sich um eine zählbare Menge handelt). Er nennt dies eine «geplante Unordnung», wobei diese möglichst nicht auf einer geraden Linie liegen soll. Also keine Oliven in einer Reihe, sondern in Grüppchen platzieren. Beim Styling dreht sich alles um den Star: Dabei handelt es sich in unseren zwei Fällen um das Olivenbrot und um die allerschönste der Rumkugeln, um die herum die restlichen gruppiert werden.
Während die Szene Schritt für Schritt aufgebaut wird, ist die Kamera bereits parat zu Aufnahme. Dazu eignet sich das Smartphone und ein dazu passendes Stativ oder ein Flexi-Stativ mit biegsamen Beinen.
Die wundersame Verwandlung
[IMG 4]«Wird das Handy von Beginn an in eine fixe Position gebracht, hat man die Hände frei für die Inszenierung. Auch muss die Szene nicht mehr umgestellt werden, nur weil die Kamera nicht mehr genau am selben Ort ist», sagte Beat Bieler. Auf diese Weise lassen sich auf dem Handy auch während des Aufbaus Schärfe und Helligkeit einstellen, bis es stimmig wird. Je nach Notwendigkeit kann das einfallende Licht mit Styropor oder Plexiglas etwas gestreut werden, damit die Szene weicher wirkt.
An dem Workshop hatten sich das Olivenbrot und die fünf Rumkugeln schliesslich zu zwei Kunstwerken verwandelt. Das eine lud zum Apéro, das andere zum süssen Nachmittagskaffee. Es galt jetzt nur noch, mit den bereit gestellten Handys die beiden Bilder auszulösen. Das Resultat überzeugte, das Ziel des Tages wurde mit allgemeiner Zufriedenheit erreicht.
Tipps vom Profi
- Keinen Blitz verwenden
- Wenn kein Tageslicht vorhanden ist, hilft eine LED-Baustellenlampe (max. 100 W). Nicht zu nah ans Objekt stellen.
- Drittelregel: Das Objekt sollte nicht mittig im Bild sein, sondern in einem Drittel. Dazu auf der Kamera den Hilfsraster einschalten. Das Bild aufbauen und eine Geschichte erzählen.
- Styling: weniger ist mehr. Dafür prüfen, was zusammenpasst (auch farblich).
- Frischprodukte (z. B. Früchte) sollen wirklich frisch sein. Auch ein gekochtes Menu sieht nach wenigen Minuten nicht mehr frisch aus.
Die Werkzeugkiste
Beat Bieler empfiehlt Produktefotograf(innen), eine tragbare Kiste mit nützlichen Hilfsmitteln zusammenzustellen, damit alles dabei ist, wenn man es braucht. Darin befinden sich unter anderem:
- Klammern, um Reflektoren zu befestigen
- Spiegel
- Filz als Unterlage zum Schrägstellen
- Pinsel und Wattepad zum Auftupfen
- Schnur zum An- oder Zusammenbinden
- Teppichmesser
- Pipette zum Tröpfchen platzieren
- Pinzette
- Zange
- Plastilin zum Kleben und Fixieren