Es ist ein herrlicher Frühlingsmorgen, die Obstbäume und Löwenzahn blühen. Jetzt sehe man dieses besondere Grün, sagt Rebekka Gasser, das es nur einige Wochen im Frühling gibt.

Die Küche im Miltenhof riecht nach frischen Gipfeli. Die 38-jährige Rebekka Gasser stellt diese mit zwei Tassen Kaffee und einem Glas Wasser aufs Tablett für die Elektriker, die im neuen Waschküchen-Anbau arbeiten. Zwei ihrer vier Kinder drücken sich noch etwas verschlafen an sie. Sie haben Schulferien und fragen, was es zum Frühstück gibt. «Das, was du für dich machst», sagt die Mutter sachlich und setzt sich an den grossen Holztisch. So, jetzt kann das Gespräch beginnen.

Respekt vor der Aufgabe

Nur 21 Jahre alt war sie, als sie frisch verheiratet mit Benjamin Gasser auf den Hof kam, der unter dem Randen ausserhalb von Schleitheim SH liegt. Die gelernte Textilfachfrau, die schöne Kleider liebt, hatte grossen Respekt vor dem Bäuerin-sein. Sie war als Kind öfters bei ihrer tüchtigen Tante auf deren Hof, sah, wie diese und die Grossmutter hart arbeiteten. «Du heiratest nicht nur den Mann, sondern auch den Hof», sagte ihre Tante zu ihr. «Kann ich das?», fragte sich die zierliche Frau.

Benjamin machte ihr Mut: «Du sagst Ja zu einem Leben, zu dem, dass ich Bauer bin.» Nie spürte sie Druck, eine typische Bäuerin zu sein. Weder seitens der Schwiegereltern, die in einer eigenen Wohnung unter dem gleichen Dach wohnten, noch von ihrem Mann. Druck machte sie sich selbst. Im Miltenhof waltete eine tüchtige, geliebte Mutter von sechs Kindern, von denen Benjamin das jüngste war. So wie Schwiegermutter Margrit wollte sie sein, dachte sie.

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Weniger Druck

Sechs Tage nach der Hochzeit begann sie die Bäuerinnenschule am Strickhof. Dort lernte sie eine ganze Palette von Bäuerinnen kennen; solche, die voll im Betrieb engagiert waren, andere arbeiteten nur im Haushalt und Garten. Es gab Frauen, die sich gar nicht wirklich als Bäuerinnen sahen, aber die Schule besuchten, weil sie mit einem Bauer verheiratet waren. «Da lernte ich, was es für Möglichkeiten gibt, wie ich als Bäuerin leben könnte. Es nahm den Druck von meinen Vorstellungen.»

Die grau-grünen Augen schauen in die Ferne, ihre feingliedrigen Finger falten sich ineinander. Es war ein langer Weg, bis die junge Frau ihren Platz auf dem Hof fand. Sie ist nicht so gerne auf dem Feld, fährt nicht Traktor, hat Angst vor den Hängen um den Bauernhof. In den ersten Jahren half sie im Stall. Heute stemmt sie das ganze Zahlungswesen. Entscheidungen werden als Ehepaar besprochen. «Ich hatte das Glück, in eine Familie zu heiraten, die sagte, es ist okay, wie du es gestaltest.»

Vor der Geburt des ersten Kindes arbeitete sie Teilzeit ausserhalb des Hofs in einem Wohnheim für Erwachsene. Dann kamen vier Kinder innerhalb von fünfeinhalb Jahren. Sie ging auf in der neuen Rolle. «Ich bin unglaublich gern Mami!» Rebekka Gasser möchte möglichst für ihre Kinder da sein, während sie noch jünger sind. «Ich bin am liebsten in und rund ums Haus, wo die Kinder sind. Ich weiss, das ist nicht so modern…» Sie ist selbst die älteste von sieben Kindern, lernte früh, Verantwortung zu übernehmen.

Lernende im Haus

Als Beni Gasser vor einigen Jahren den Bedarf für einen Lehrling anmeldete, war seine Frau gar nicht begeistert. «Ein Lehrling im Haus, immer bei uns?» Bald siegte ihre Liebe zu Menschen, die Lernenden wurden Teil der Familie. Heute sind es zwei Lehrlinge. Sie haben ein eigenes Studio, sind aber zu jeder Mahlzeit am Tisch. «Sie sind noch so jung, die brauchen den Familienanschluss», meint die Bäuerin. «Ich mache es, solange es mit den Kindern geht.» Diese genossen bis anhin immer die Beziehungen zu den Lehrlingen.

Der Schwiegervater starb vor einigen Jahren. Mit der Schwiegermutter hat es Rebekka Gasser gut. Für die Kinder ist das 82-jährige Grosi der Rückhalt, sie ist immer da. Vor einigen Monaten war sie so krank, dass alle um ihr Leben bangten. Das war eine schwere Zeit, die zwei kleineren Kinder weinten viel. Die 14-jährige Tochter konnte die Situation schon mit ihrem Verstand meistern. Der Siebtklässler glaubte stoisch, das Grosi werde bald wieder sein Lieblingsessen Hörnliotto kochen. Es war nicht gerade «bald», aber er hatte recht.

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Kontakt nach aussen

Der Prozess der Selbstfindung geht bei Rebekka Gasser weiter. «Ich brauche den Kontakt nach aussen», sagt sie. Viele Diskussionen wurden geführt zwischen den Eheleuten. Es ist beiden wichtig, ehrlich zu sein. Sich von Vorstellungen zu lösen, wer sie sein sollten. Die Bäuerin kann sich vorstellen, in zwei Jahren eine Ausbildung in Teilzeit zu beginnen.

In all ihren Fragen war und ist der Glaube an einen Gott, der sie bedingungslos liebt, und bei dem sie immer die sein darf, die sie ist, ihr tragendes Fundament. Rebekka Gasser ist Teil der Leitung ihrer Freikirche. Im örtlichen Landfrauenverein amtete sie zudem bis vor zwei Jahren als Co-Präsidentin.

So oft wie möglich zieht sie die Turnschuhe an und joggt. «Es ist meine Art, Dampf abzulassen», erklärt Rebekka Gasser. Hat sie mal etwas Zeit, einfach zu sein, sucht sie ein Buch, kuschelt sich in den Lieblingssessel und liest. Dann ist die Welt hinter dem Randen wieder in Ordnung.

Fünf Fragen
 
Was möchten Sie sich abgewöhnen?
In einer ruhigen Minute immer einfach schnell aufs Natel schauen.

Wohin würden Sie gern einmal reisen?
Mein absoluter Traum wäre eine Reise nach Australien.

Worauf achten Sie bei einer Frau oder einem Mann als Erstes?
Auf die Ausstrahlung, aber halt auch auf die Kleidung und den Stil.

Welche Tätigkeit im Alltag erachten Sie als sinnlos?
Staubsaugen ist ja sinnvoll, aber täglich zu saugen, wäre sinnlos.

Was macht Sie schlaflos?
Kaffee! Aber auch Zwist zwischen Menschen, vor allem bei Beziehungen, in denen ich mich nicht sicher fühle. Und zu viel Arbeit, weil ich mich überschätzt habe.ms