Meine Dreijährige wurde immer stiller, was so gar nicht zu ihr passt. Das kleine Gesicht blass unter der Sonnenbräune. Dann krabbelte sie auf meinen Schoss und rollte sich zusammen. Irgendwann begann sie zu husten und später zu würgen. Passiert ist das diesen Frühling, als wir mit dem Postauto über den Ofenpass von Zernez nach Müstair GR fuhren. Ich war überrascht, denn im Auto hat sie noch nie irgendwelche Anzeichen von Reiseübelkeit gezeigt.

Reisekrankheit vermeiden

Das Problem beginnt oft erst im Alter von zwei Jahren, wenn der Gleichgewichtssinn vollständig entwickelt ist. Und gut zu wissen ist auch, dass sich die Beschwerden bei den allermeisten Kindern etwa ab dem zwölften Lebensjahr auswachsen.

Reisekrankheit ist eigentlich ein irreführender Begriff, denn die Übelkeit ist einfach die Reaktion auf unterschiedliche Informationen von zwei verschiedenen Sinnesorganen.

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Keine Krankheit

Die Reisekrankheit (auch bekannt als Kinetose, Bewegungs- oder Seekrankheit) ist eigentlich keine Krankheit, sondern eine Reaktion auf widersprüchliche Bewegungsreize. Diese überfordern das Gehirn. Zum Beispiel, wenn die Augen ihm beim Autofahren eine schnelle Bewegung melden, das Gleichgewichts-zentrum im Ohr aber findet, man sitze doch bewegungslos und ruhig da. Typische Symptome sind: Erbrechen, Kreislaufprobleme (schneller Puls), starke Müdigkeit (Gähnen), Speichelfluss, Blässe, schnelles und oberflächliches Atmen sowie Schwitzen. 

Tipps und Tricks

Es gibt einige Tricks, die helfen können:

  • Vor der Fahrt sollte das Kind etwas Kleines essen (möglichst fettarm).
  • Schlafen ist die beste Vorsorge, dann ist der Gleichgewichtssinn ausgeschaltet.
  • Das Kind auf den mittleren Sitz der Rückbank setzen. Es sollte durch die Frontscheibe in Fahrtrichtung auf Dinge blicken, die weit entfernt liegen.
  • Wenn es schon genug gross ist, eignet sich der Beifahrersitz am besten.
  • Der Fahrer hilft dem Kind, indem er ein möglichst gleichmässiges Tempo fährt und kurvige Strecken meidet. Stau fördert Reisekrankheit durch das viele Anfahren und Abbremsen.
  • Kühle Temperaturen im Auto können helfen. Ein Sonnenschutz am Fenster zwingt Kinder dazu, nach vorne zu sehen.
  • Bilderbücher ansehen, lesen und Computerspiele sind kontraproduktiv.
  • Hingegen eignen sich Spiele wie Wolken beobachten, Autos zählen/unterscheiden (Fahrzeugart/Marken/Kennzeichen/Farben) oder «Ich sehe etwas, was du nicht siehst».
  • Singen, Radio oder Hörbücher sind eine gute Ablenkung.
  • Auch gut: Regelmässige Pausen an der frischen Luft mit Bewegung – in dieser Zeit das Auto lüften.
  • Im Zug sitzt das Kind am besten in Fahrtrichtung am Fenster, im Bus vorne oder in der Mitte, auf dem Schiff an Deck in der Mitte und im Flugzeug im Bereich der Tragflächen. Es geht darum, dort zu sitzen, wo die Bewegungen am wenigsten zu spüren sind.
  • Ingwer (z. B. kandiert) kann Übelkeit vorbeugen und präventiv eingenommen werden.

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Medikamente absprechen

Reisemedikamente (auch rezeptfreie!) sollten wegen des Risikos von Nebenwirkungen mit dem Kinderarzt/der Kinderärztin besprochen werden. Bei Kleinkindern kann es in seltenen Fällen dazu kommen, dass die Medikamente den Brechreiz erst auslösen.

Für kleinere Kinder sind Reisezäpfchen das Mittel der Wahl. Sie helfen sowohl der Übelkeit vorzubeugen als auch die Beschwerden zu lindern und sind gegen Rezept oder mit Beratung in Apotheken erhältlich. Für grössere Kinder ab 12 Jahren gibt es Kapseln mit Meclozin, Pyridoxin (Vitamin B6) und Coffein (Itinerol B6).

Auch Akupunktur und Akupressur können helfen, z. B. das Sea Band (Armband). Weitere homöopathische Mittel oder Naturheilmittel, die eingesetzt werden können, sind Nausetum, Nux vomica, Similasan Reisebeschwerden, Anamirta cocculus (D6 und D12). In jedem Fall bezüglich der richtigen Dosierung beraten lassen.

Und wenn es doch passiert?

Wenn doch Symptome von Reisekrankheit auftreten, gilt:

  • Tief durch den Mund atmen
  • Den Kopf nicht bewegen, sondern gegen die Kopfstütze pressen
  • Kühle Getränke (am besten Wasser) und salzige Snacks anbieten
  • Lüften
  • Eine längere Pause einlegen
  • Auf keinen Fall das Kind abschnallen, Sicherheit muss immer Vorrang haben
  • Wechselkleider, Feuchttücher und einen Erfrischungsspray mitnehmen

Noch mal gut gegangen

Bei uns ging die Geschichte glimpflich aus. Bevor es Soley richtig schlecht wurde, war das Postauto in Müstair angelangt. An der frischen Luft wurde sie schnell wieder fit, verspielt und gesprächig – welche Erleichterung!