Über 30 Jahre lang hat Rita Steiner-Lippuner die bäuerlich-hauswirtschaftliche Beratung im Kanton Solothurn geprägt. Nun geht sie Ende Oktober in Pension. Mit der BauernZeitung schaut sie auf die Zeit am Bildungszentrum Wallierhof in Riedholz zurück. Passenderweise findet das Interview im Garten des Wallierhofs statt. Hier fühlt sie sich sichtlich wohl.

Der Computer kam erst später

Als Rita Steiner-Lippuner Mitte August 1990 ihre Arbeit am Wallierhof aufnahm, stand auf ihrem Schreibtisch noch kein Computer. Zu ihren Aufgaben gehörten der Unterricht als Lehrerin Hauswirtschaft am berufsbegleitenden Kurs, hauswirtschaftliche Beratungen und solche zu Agrotourismus. Später kamen Anfragen zur Direktvermarktung von Obst, verarbeiteten Produkten und Brot dazu. Mit zunehmenden Tätigkeiten im Bereich Agrotourismus wurde die Beratungsstelle bäuerliche Hauswirtschaft mit dem Fachbereich Diversifizierung ergänzt. Darunter fallen vielfältige Beratungen zu Themen wie Direktvermarktung, Gästebewirtung oder para­landwirtschaftliche Angebote wie Bed and Breakfast.

Konservierung, Bauen und mehr

Gehörten für Rita Steiner-Lippuner zu Beginn Bauberatungen für Küchen und Nassräume dazu, sind es heute die Planung und arbeitswirtschaftliche Aspekte von Verarbeitungsräumen, die sie beschäftigen.

«Wissen zu gesetzlichen Rahmenbedingungen oder Preisgestaltung ist sehr gefragt.»

Rita Steiner-Lippuner zu den Themen, die sie heutzutage beschäftigen.

Auch Themen wie Produktverarbeitung und Konservierung lägen im Trend. Aber nicht nur die Beratungsthemen und Weiterbildungsangebote haben sich verändert, sondern auch der Alltag der Bäuerinnen. Früher hätten die meisten Bäuerinnen ausschliesslich auf dem Hof gearbeitet, heute oft auch ausserhalb des Betriebes in ihrem Erstberuf. 10-tägige Kursangebote konnten vor einigen Jahren von den Bäuerinnen problemlos besucht werden. Heutzutage gestalte sich dies mit den ausserbetrieblichen Arbeitstagen schwierig, stellt die Beraterin fest.

Die Wahl des Familienmodells

Auch Rita Steiner-Lippuner selbst weiss, was es bedeutet, Familie, Haushalt und Berufsarbeit unter einen Hut zu bringen. Vor über 20 Jahren wurde sie Mutter von zwei Kindern. Sie und ihr Mann arbeiteten danach beide Teilzeit. «Dieses Familienmodell und die Bereitschaft meines Mannes Hans-Peter, die Familienarbeit zu teilen, war der Schlüssel, mein 60-Prozent-Pensum am Wallierhof beibehalten zu können», erklärt sie.

Wissen auf dem neusten Stand halten

Vor ein paar Jahren gab sie den Unterricht der hauswirtschaftlichen Fächer auf und unterrichtet stattdessen das neu angebotene Modul mit den Spezialisierungen Direktvermarktung und Gastronomie auf dem Bauernhof. Der grösste Teil ihres Pensums entfällt heute auf Diversifizierungs-Beratungen. «Ich habe mich von der Lehrerin zur vielseitigen Person entwickelt, die unterrichtet, berät und Projekte begleitet», erklärt sie. Die Wandlungen bedingen, dass sie als Fachperson immer auf dem neusten Stand ist. «Ich muss viel lesen, nachforschen, schauen, was die Trends sind», betont sie.

«Wenn du merkst, da ist etwas, musst du hinschauen und informieren.»

Rita Steiner-Lippuner über ihre Arbeit als Fachperson und Beraterin. 

So etwa, als sie in einer Tageszeitung eine Reportage über die Solothurner Eichmeisterin las. Diese erklärte, dass laut Gesetz auf der Etikette einer Sirupflasche die Mengenangabe nicht in Dezilitern, sondern nur in Milli- oder Zentilitern angegeben werden dürfe. Auch für die versierte Beraterin war diese Aussage neu und sie ging dem entsprechenden Gesetzesartikel nach. Rita Steiner-Lippuners Aufgabe ist es auch, Fachwissen zu vermitteln, das über Jahrzehnte weitergegebenes Wissen widerlegt, wie beim Beispiel Konfitürenherstellung. Von Genera­tion zu Generation wurde weitergegeben, dass man diese nach dem Verschliessen kurz auf den Kopf stellen soll. Heute weiss man, dass dies die Vakuumbildung nicht fördert, sondern eher behindern kann. Zuerst lässt die Beraterin sich selbst von neuem, fundierten Fachwissen überzeugen und dann erst gibt sie es weiter.

Erst kein PC, dann kam «Teams»

Die Veränderung war steter Begleiter von Rita Steiner-Lippuner.

«In die digitale Welt musste ich mich erst einarbeiten.»

Rita Steiner-Lippuner hat den Wandel ohne PC, zur Arbeit mit dem Computer miterlebt.

Und mit 60 Jahren habe sie gelernt, mit «Teams» zu arbeiten und online zu unterrichten. Das sei für sie kein Problem gewesen: «Ich lerne gerne und einfach Neues dazu, Stehenbleiben ist nicht meins.» Und nur zu gerne liess sie Gelerntes in die tägliche Arbeit einfliessen. Etwa das Wissen aus einem Projektmanagement-Kurs, das sie mehrfach in den letzten 20 Jahren erfolgreich einsetzen konnte – etwa bei Projekten wie «so-fein GmbH» oder «Haushaltservice», bei deren Entwicklung sie beteiligt war.

Der Stolz der Mitbegründerin

Rita Steiner-Lippuner war an der Entwicklung der beiden kantonalen Projekte «Haushaltservice» und «so- fein GmbH» beteiligt. «Dass beide Projekte heute selbstständig und erfolgreich unterwegs sind, erfüllt mich mit Stolz», erklärt sie.
Haushaltservice: Der Haushaltservice ist ein Personalverleih, bei dem Haushalthilfen zu Reinigung, Nahrungszubereitung, Wäschepflege, Betreuungsdienste und Unterstützung bei Einladungen und Überlastung oder auch leichten Gartenarbeiten vermittelt werden. Die Mitarbeiterinnen, alles Bäuerinnen und Landfrauen aus der Region, sind legal und fair angestellt, schätzen den Zusatzverdienst und bilden sich regelmässig weiter.
«so-fein GmbH»: Die «so-fein GmbH» ist ein Apéro-Service, der von Bäuerinnen und Landfrauen betrieben wird. Angeboten werden Apérobuffets mit regionalen und saisonalen Köstlichkeiten aus dem Kanton Solothurn. Nebst dem fairen Nebenerwerb für die Bäuerinnen und Landfrauen generiert der Apéro-Service durch die Veredelung von Zutaten aus regionaler landwirtschaftlicher Produktion und in Zusammenarbeit mit Partnern aus dem regionalen Gewerbe Wertschöpfung vor Ort.

Rita Steiner-Lippuner freut sich nun darauf, künftig mehr freie Zeit in der Agenda zu haben und auf den langen Arbeitsweg verzichten zu können. Darauf angesprochen, was der Ausblick auf die Pensionierung in ihr auslöst, überlegt sie und meint dann: «Es macht etwas mit mir. Das gewohnte Netzwerk bei der täglichen Arbeit zu verlieren, ist eine Schattenseite.» Künftig müsse sie ihr Netzwerk aktiver pflegen, weiss sie. Ihre Nachfolgerin im Bereich Diversifizierung wird bereits eingearbeitet, der Bereich Hauswirtschaft wird intern auf verschiedene Personen verteilt.

Beratung am Wallierhof

Kein Landwirtschaftsbetrieb gleicht dem anderen. Nebst einer klassischen Produktion von Lebensmitteln gibt es verschiedene Möglichkeiten, Einkommen zu generieren. Unter die sogenannte Diversifizierung fallen Themen wie:
- Direktvermarktung
- Gästebewirtung und Events
- Beherbergung wie Schlafen im Stroh
- Schule auf dem Bauernhof (SchuB)

Der Aufbau eines solchen Angebotes erfordert neues Wissen. Das Bildungszentrum Wallierhof bietet vielfältige Themen an und hilft beim Aufbau und bei der Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen.
Mögliche Themen sind: Lebensmittelgesetz, Kennzeichnung, Wirtschaftlichkeit, Preiskalkulation, Planung von Räumlichkeiten, Angebotsentwicklung, Qualitätssicherung, Bewilligungen, Anforderungen und Rahmenbedingungen im Kanton Solothurn für das Angebot SchuB.

Im Bereich Direktvermarktung führt der Wallierhof einen Arbeitskreis.Neue Impulse aus der Arbeitsgruppe und wertvolle Inputs von Fachpersonen sollen zum Erfolg der eigenen Direktvermarktung beitragen.

Die Hauswirtschaft macht bei der Beraterin nicht vor der eigenen Haustüre halt. Auch privat liegen ihr der Garten und die Produktverarbeitung am Herzen. «Ich mag eigenen Sugo im Winter, um nicht Pelatidosen kaufen zu müssen», erklärt sie und schmunzelt dabei.  «In dem Bereich setze ich nach meiner Pensionierung noch einen drauf», betont sie und aus dem Schmunzeln wird ein breites Lachen.