«Die Kunst des Gleichgewichts im Leben»: Unter diesem Motto fand am Dienstag, 9. Januar, in Frauenfeld der Auftakt der diesjährigen Thurgauer Landfrauentage statt. «Es gilt zu akzeptieren, dass es einem nicht immer gut geht», stellte Sabrina Stadelmann in ihrem Gastreferat fest. Sie hatte 2021 bei der Sendung «Landfrauenküche» teilgenommen und sich dabei mit ihrer frischen und sympathischen Art einen Namen gemacht. 

«Wir haben es schon immer so gemacht»

Sabrina Stadelmann hat Erfahrung damit, wie es ist, aus dem Gleichgewicht zu fallen. Das war vor der Zeit der «Landfrauenküche». Die 38-Jährige erzählte, wie es dazu gekommen war: In der Agglomeration von Luzern aufgewachsen, absolvierte sie zunächst eine Lehre als Automechanikerin. Später wechselte sie ins Gastgewerbe und zog ins Entlebuch, wo sie ihren heutigen Ehemann kennenlernte – einen Landwirt. «Nie hätte ich mir je vorstellen können, einst einen Bauern zu heiraten», stellte Stadelmann fest. 

Aus der Städterin wurde eine Bäuerin auf einem Generationenbetrieb mit Milchwirtschaft und Kälbermast. «Ich wollte von Anfang an meiner neuen Rolle gerecht werden und es allen recht machen», erinnerte sich die Mutter zweier Kinder, die heute sieben und acht Jahre alt sind. Sie sei konfrontiert gewesen mit einer traditionellen Umgebung, in welcher es immerzu hiess: «Wir haben das schon immer so gemacht.» Diesen Satz habe sie mit der Zeit nicht mehr hören können. Auf einmal konnte Sabrina Stadelmann tatsächlich nicht mehr richtig hören: Sie erlitt Hörstürze auf beiden Ohren. Als Folge davon trägt sie heute Hörgeräte. 

In High Heels unterwegs

Landfrauenküche 2021 «Es ist krass, dass ich es soweit habe kommen lassen», sagt Kandidatin Sabrina Stadelmann Friday, 12. November 2021 Mit professioneller Hilfe erkannte Sabrina Stadelmann, unter welchem Druck sie gestanden hatte und dass sie etwas ändern musste. «Heute bin ich dankbar für diese Ohrgeschichte», sagte die Bäuerin. «So kam ich raus aus dem Hamsterrad.» Sie habe aufgehört, sich zu verbiegen, und sich wieder getraut, wieder mehr auf sich selbst zu hören. Dazu gehört auch, dass sie gerne ihre Fingernägel bunt lackiert, ein Tattoo hat und zwischendurch High Heels trägt.

Dann kam die «Landfrauenküche»: «Ich hatte die Sendung bereits zuvor cool gefunden», sagte Stadelmann. Nun wollte sie sich selbst bewerben. «Eine Voraussetzung dafür war jedoch, dass es mir inzwischen egal war, was die anderen denken.» Für eine Teilnahme sei es wichtig, authentisch zu sein. Nach einem Casting wurde die Entlebucherin vom Fernsehen als eine der sieben Kandidatinnen der Staffel 2021 gewählt. Was sie vor Freude mit einem Juchzer quittert habe.

Auch mal Nein sagen

Die anschliessenden Drehwochenenden seien eine schöne Zeit gewesen. «Wir hatten es immer sehr lustig miteinander», erinnerte sich die Referentin. Bei den Filmaufnahmen von ihrem Alltag hatte sie jedoch auch ihre verletzliche Seite gezeigt und am Rand auch von den Schattenseiten berichtet.

Nach der TV-Ausstrahlung ihrer Folge erhielt Sabrina Stadelmann zahlreiche Rückmeldungen: «Ich bekam Telefonanrufe, Päckli und insgesamt 2673 Briefe.» Diese habe sie persönlich von Hand beantwortet. Die Reaktionen kamen mehrheitlich von Frauen. Bäuerinnen hätten sich bei ihr bedankt, dass sie getraut habe, zu sagen, dass das Landleben nicht immer so schön ist, wie in den Medien oftmals dargestellt. Seither habe sie viele Geschichten von Frauen gehört, die unter ihren Rollenkonflikten leiden.

«Die Bäuerin hat eine Vielzahl an Aufgaben zu erfüllen, wobei ihre eigenen Bedürfnisse oftmals vergessen gehen», so Stadelmann. Daher sei es wichtig, auch Dinge zu machen, die Freude machen, und auch mal Nein sagen zu können. Frauen sollten aufhören, immer daran zu denken, was die anderen denken könnten. «Besser würden sich Frauen gegenseitig mehr unterstützen.»

Zur Person

Sabrina Stadelmann (38) ist gelernte Automechanikerin. Heute lebt sie mit ihrem Mann und den beiden Kindern auf einem Milchwirtschaftsbetrieb mit Kälbermast in ­Sörenberg LU. Das Sommerhalbjahr verbringt die Familie jeweils mit 120 Stück Vieh auf der eigenen Alp von 207 ha.