«Sie sollten jeden Moment da sein», Junglandwirt Thomas König blickt hinunter auf die Strasse, auf der in wenigen Augenblicken die Klasse 2c daherkommen soll. Alle stehen bereit. Neben Thomas König machen auch seine Eltern, Ruth und Hans König die letzten Vorbereitungen, während die Hündin Leika ihre Slalomkünste zwischen den Plastikzaunschwirren zeigt. Auch die zwei Enkelkinder, Thomas Königs Neffen, freuen sich auf die Schülerinnen und Schüler aus der Berner Länggasse.

Kater Aschi empfängt die Schulklasse 2c 

Um Punkt 9 Uhr hört man dann schon die aufgedrehte Zweierkolonne von der Busstation daherzotteln. Vorne eine Lehrperson, dazwischen 22 Schülerinnen und Schüler, und hinten zwei Lehrerinnen. Die bunte Gruppe versammelt sich vor Thomas König, seiner Mutter, der Hündin, der Katze und den zwei Neffen. «Aschi», der Kater zeigt keine Scheu und macht gleich die Begrüssung, in dem er einem Jungen ums Bein schlängelt. Die ganze Aufmerksamkeit fällt schnell auf den felligen Vierbeiner, doch dann widmen sich die Kinder wieder der Bauernfamilie, die die Gruppe während zweier Stunden über ihren Biobetrieb im Bernischen Oberbottigen führt. Gespannt und erstaunlich ruhig warten die Kinder auf die Programmanweisungen.

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Viermal jährlich auf dem Betrieb von Königs

Viermal jährlich reist die Schulklasse im Rahmen des nationalen Forums Schule auf dem Bauerhof aus der Hauptstadt zur Familie König, um etwas über die Landwirtschaft zu lernen. Die Idee ist es, der Schulklasse so die Entwicklung der Kulturpflanzen, von der Saat bis zu Ernte, übermitteln zu können. Königs betreuen während jeweils zwei Stunden ungefähr sechs verschiedene Klassen durchs Jahr hinweg. Die Familie König bewirtschaftet den stadtnahen Betrieb in der vierten Generation. Seit 1950 ist der Biobetrieb in Besitz der Stadt Bern, Königs bestellen ihn seither unter Pacht. Seit Januar 2024 hat Thomas König den Betrieb übernommen. Seine Vision ist es, eine möglichst hohe Diversität zu haben, den biologischen Gemüse- und Beerenbau auszubauen und Ansätze der Permakultur, Agroforst und der regenerativen Landwirtschaft umzusetzen. Die Eckpfeiler des Betriebs bleiben weiterhin die Direktvermarktung, die Mutterkuhhaltung sowie der Anbau von Ackerkulturen zur menschlichen Ernährung.

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«Meist sind die Kinder schon von der Katze überwältigt»

«So, jetzt muss Kater Aschi und die Hündin Leika ins Haus, sonst kommen wir nicht vorwärts», Thomas König spricht aus Erfahrung. Hans König nimmt die Haustiere und somit zwei grosse Ablenkungen mit nach drinnen. «Meist sind die Kinder schon so überwältigt von der Katze, dass es schwerfällt, kompliziertere Inhalte zu vermitteln», so der Biolandwirt. Er begleitet eine Gruppe, seine Mutter die andere. Heute steht unter anderem Kartoffelsetzen auf dem Programm.

Das Interesse der Schüler und Schülerinnen unterscheidet sich stark

Jedes Kind darf eine Knolle in die vorbereitete Erde legen – ein Highlight. Dazwischen werden immer wieder allerlei Fragen gestellt, von zuhause erzählt, die Hand hochgehalten und zugeschaut. «Das ist nicht immer so, wie es heute läuft», sagt Thomas König. «Die Klassen unterscheiden sich sehr stark. Manche zeigen kaum Interesse am Hof und den Tieren, andere wiederum scheinen nicht genug zu bekommen». Eine angenehme Gruppe also. Das findet auch Ruth König, die der Schulklasse gerade das Bienenhaus zeigt. Weil es ein kalter Frühlingstag ist, fliegen sie heute aber nicht. Die Kinder lassen sich das Imker-Feeling aber nicht entgehen und schlüpfen enthusiastisch in die kleinen Imkeranzüge rein. Mit den zu langen Ärmeln reichen sie die klebrige Wabe herum und riechen durch die feinen Netzvisiere am produzierten Honig. Derweil erklärt Ruth König, die auch im Bienenverein tätig ist, wie sich die verschiedenen Völker voneinander unterscheiden können. «Jede Bienenkönigin trägt sozusagen ihr eigenes Parfum». Die begeisterte Imkerin verweist dabei auf die Absonderung körpereigener Pheromone der Königin.

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«Jedes Kind kann etwas mitnehmen»

Die Erklärungen halten sich für die Zweitklässler und Zweitklässlerinnen auf der Oberfläche, aber sie scheinen vieles aufzunehmen. Die Klassenlehrerin Brigitte Bernhard ist überzeugt, dass die gelehrten Inhalte durch das Erleben auf dem Bauernhof an Bedeutung gewinnen. «Es fördert das Verstehen und Einordnen», so Bernhard. «Ich habe den Eindruck, dass jedes Kind, ungeachtet seiner individuellen Voraussetzungen, jeweils etwas für sich mitnehmen kann», so die Lehrerin.

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Der leere Heustock

Im Anschluss an das Kartoffelsetzen und Imkern schauen sich die Kinder im fast leeren Heustock um. «Wisst ihr noch, wie voll die Heubühne war, als ihr letztes Mal da wart?», fragt Thomas König in die Runde. «Ja, fast ganz voll», erinnert sich ein Kind. «Genau, wir haben diesen Winter viel Heu gebraucht». Der letzte Halt des Betriebsrundgangs und somit dieser Lektion «Schule auf dem Bauernhof» endet vor dem frisch gesäten Linsenfeld. Die Kinder knien am Rand der Parzelle und hirnen, um welche Pflanze es sich handeln könnte. «Härdöpfu?», traut sich eine Schülerin. «Nein, nicht ganz», sagt Thomas König und schmunzelt. 

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Mittlerweile hat sich das tierische Empfangskomitee wieder unter die Gruppe gemischt und umgarnt die Schülerinnen und Schüler nochmals mit ihrem Charme. «Tschüss Aschi, bis nächstes Mal», sagt ein Kind, das hoffentlich nicht nur den liebesbedürftigen alten Kater in Erinnerung haben wird.

Was ist «Schule auf dem Bauernhof»?

Schule auf dem Bauerhof, kurz SchuB, ist ein Partnerprojekt der Basiskommunikation «Schweizer Bäuerinnen & Bauern» der Schweizer Landwirtschaft. Gemäss dem Forum besteht in jedem Kanton eine kantonale SchuB-Organisation, welche das Angebot vor Ort betreut. Auf nationaler Ebene wird das Unterrichtsangebot vom nationalen Forum SchuB koordiniert. Das Forum ist breit abgestützt und verantwortlich für die Qualitätssicherung und die Weiterentwicklung des Angebots. Als erste Anlaufstelle für die kantonalen Projektverantwortlichen unterstützt es die Kantone in der Aus- und Weiterbildung der Anbietenden, bei der Bekanntmachung von SchuB und bei regionalen und kantonalen Veranstaltungen. Zudem erstellt das Forum Hilfsmittel und didaktisches Begleitmaterial für die Anbieter und die Lehrkräfte.