Bauernfamilie – das klingt sympathisch und traditionell, nicht umsonst wird der Begriff gerne in der Kommunikation bäuerlicher Anliegen verwendet. Aber so idyllisch ist es nicht immer, denn die Bauernfamilien in der Schweiz haben mit einer hohen Arbeitslast und oft tiefen Preisen zu kämpfen. Die Löhne sind unterdurchschnittlich, der Einsatz überdurchschnittlich und mit den grösser werdenden Betrieben mag sich zwar die Wirtschaftlichkeit verbessern – das ist aber auch nicht selten mit mehr Aufwand verbunden. Roboter hin oder her, denn diese Geräte brauchen professionelle Aufsicht und sind im Übrigen nicht für jeden eine finanzierbare Traumanschaffung.

Work-Life-Balance und Selbstfürsorge machen Sinn

Abo Video Aufgewachsen ist Madlen Weyermann in städtischem Gebiet und ihre erste Ausbildung hat sie im Baugewerbe gemacht. Porträt Madlen Weyermann führt einen Landwirtschaftsbetrieb, zusammen mit 12 anderen Friday, 12. May 2023 Alles in Allem sind grüne Berufe in diesem Umfeld nicht gerade attraktiver geworden. Und trotzdem verzeichnet man steigende Lehrlingszahlen. Das lässt hoffen, doch es gilt, die nächste Generation nicht zu verheizen. Denn bei aller Motivation zeichnet sich ab, dass sich junge Leute nicht für ihren Beruf aufopfern wollen. Gerade jene, die nicht in der Landwirtschaft aufgewachsen sind – und deren Anteil steigt –, haben andere Vorstellungen von der Work-Life-Balance. Obwohl es Unkenrufe in die Richtung gibt, mit dieser Arbeitsmoral werde man die Wirtschaft zugrunde richten, macht mehr Selbstfürsorge durchaus Sinn. Bessere Löhne sind schliesslich weder der einzige noch der sicherste oder effizienteste Weg für mehr Zufriedenheit im Leben.

Dass es in der Landwirtschaft auch auf sozialer Ebene eine Änderung braucht, zeigt neben dem Strukturwandel auch die hohe Burn-out- und Suizidrate im Agrarsektor. Was passiert nun, wenn junge Menschen nach ihrer Ausbildung in die Landwirtschaft einsteigen, mit neuen Vorstellungen und Ideen?

Das sind keine Solawis

An der Antwort sind die Behörden entscheidend mitbeteiligt, denn sie stecken den Rahmen ab, was überhaupt realisierbar ist. Und der ist eng. Trotzdem haben bereits einige kollektiv geführte Betriebe einen Weg gefunden, an Land zu kommen. Die «Section Jeunes» der Bauerngewerkschaft Uniterre versucht, sie mit dem Aufzeigen möglicher Lösungswege in einer Broschüre zu unterstützen.

In der Deutschschweiz kennt man die Solidarische Landwirtschaft (Solawi), Kollektive sind wiederum etwas anderes. Hier tritt eine Gruppe Menschen an die Stelle der traditionellen Bauernfamilie, die zusammen den Betrieb führt. Nicht alle müssen eine landwirtschaftliche Ausbildung haben, mit anderen Berufen bringen sie im Gegenteil noch mehr wertvolles Wissen und Fähigkeiten auf den Hof.

Hohes Engagement, aber auch Flexibilität 

Schwieriger Zugang zu Land «Der Boden soll jenen gehören, die ihn bewirtschaften» Friday, 10. February 2023 Diversifizierung, Direktvermarktung und eigene Verarbeitung bedeuten mehr Wertschöpfung für den Betrieb, sind aber mit Aufwand verbunden. Umso besser, wenn man auf viele Hände zurückgreifen kann, wie es in einem Kollektiv der Fall ist. Man könnte auch Mitarbeitende anstellen oder sich von der älteren Generation unterstützen lassen. Doch im ersten Fall entsteht ein Arbeitgeberverhältnis mit allem administrativen Drum und Dran und Letzteres ist eine Lösung auf Zeit. Während bei in die Arbeit involvierten Eltern die Motivation kein Problem ist, gibt es Mitarbeitende, die primär ihr Brot verdienen wollen. Die Mitglieder eines Kollektivs hingegen fühlen sich dem Hof zugehörig und sind damit eher zu grossem Engagement bereit, akzeptieren Mindestlöhne. Gleichzeitig sind verschieden grosse Arbeitspensen möglich, je nach Familiensituation, Tätigkeit in einem anderen Beruf oder persönlicher Vorliebe. Das gibt Sicherheit.

Klar nicht jedermanns Sache

Allerdings gilt auch: Je mehr Leute involviert sind, desto mehr Organisation und Absprache braucht es. Entscheide müssen gemeinsam getroffen werden und das Zwischenmenschliche muss stimmen. Die Betriebsführung als «Gruppenarbeit» ist nicht jedermanns Sache, vom bürokratischen Aufwand angesichts fehlender Erfahrungen seitens der Behörden und allfälligen schrägen Blicken aus der Nachbarschaft ganz zu schweigen.

Die Vielfalt machts

Kollektiv geführte Höfe können eine Antwort sein auf das Nachwuchsproblem der Landwirtschaft, denn mit mehr Lernenden ist es nicht getan. Es braucht Menschen, die anpacken wollen, sich die Finger dreckig machen, in der Erde wühlen, Mist umstechen und ihren Tieren auch ausserhalb der Bürozeiten beistehen. Die Politik täte gut daran, es ihnen zu ermöglichen. Denn auch so lässt sich der Stadt-Land-Graben überwinden. Eine Bedrohung für jene, die sich als Bauernfamilie wohl fühlen und ihren Betrieb auf diese Weise in die Zukunft führen wollen, sind Kollektive nicht. Beides liesse sich aber auch kombinieren – je nachdem, wie es für die Beteiligten passt. Die Schweizer Landwirtschaft ist und bleibt vielfältig, auf dem Feld, im Stall und eben auch im Hofbüro.