Der Besuch bei Yvonne Tschachtli aus Kerzers ist ein Härtetest für die Fotokamera. Denn drinnen ist es schwülwarm, während draussen ein kalter Wind Regentropfen um die Häuser peitscht. Yvonne Tschachtli trocknet Obst und Gemüse in grossen Mengen und kocht Sirup und Fruchtaufstriche. Dazu hat sie auf dem Gelände des Biogemüsehofs ihres Mannes Jakob Tschachtli einen Verarbeitungsraum im Stile einer Industrieküche eingerichtet. Einfach zu reinigender Chromstahl, wie der grosse Tisch in der Mitte, prägen die Einrichtung des Raumes. Rundherum stehen mehrere Trocknungsautomaten und Schneidemaschinen. Im Raum ist es schwülwarm, da in den Automaten Trocknungsprozesse laufen. Die Linse der Kamera beschlägt daher minutenlang, bevor sie zum Einsatz kommen kann.
Keine Rohwaren aus dem Laden
Die Rohwaren bezieht Yvonne Tschachtli aus Überschuss- und Ausschusswaren vom Gemüsebetrieb ihres Mannes und von weiteren Lieferanten, darunter ein Importeur von Südfrüchten. Daher finden sich im Sortiment auch Produkte wie Mango, Ananas oder Kaki. Yvonne Tschachtli betont, dass alle Rohwaren nie in einem Laden gestanden und somit nie von Kunden befingert wurden.
Sie füllt während dem Besuch der BauernZeitung Brombeermarmelade in Gläser. Die Bäuerin erklärt, dass sie die Früchte während der Erntesaison einfriert. Ihr fehle im Sommer und Herbst schlicht die Zeit, um die Früchte direkt zu verarbeiten. Das verwundert nicht, wenn man weiss, dass sie vergangenen Sommer allein von Tomaten rund 20 Tonnen geschnitten, getrocknet und verpackt hat. «In der Zeit esse ich aber sicher keinen Tomaten-Mozarella-Salat. Denn irgendwann kann ich keine Tomaten mehr sehen», erzählt sie und lacht dabei.
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Frische Beerenkonfi im Frühling
Droht später eine Konfi- oder Sirupsorte auszugehen, taut sie das benötigte Obst vor der Verarbeitung auf. Dass sie die Fruchtaufstriche durchs ganze Jahr hindurch produziert, hat auch noch einen anderen Vorteil. «Meine Kundinnen schätzen es, wenn sie im Frühling Konfitüre kaufen, die nicht bereits ein halbes Jahr alt ist», weiss die Produzentin. Und weiter erklärt sie: «Die Mangokonfi entsteht durch Abschnitte bei der Trocknung. Ansonsten gäbe es keine Mangokonfi. Alle meine Kreationen entstehen so.» Dass das Thema Foodwaste beim Ehepaar Tschachtli eine grosse Rolle spielt, kommt in den Gesprächen mehrfach zum Ausdruck.
Betriebsspiegel Tschachtli
Betriebsleiter Tschachtli Biogemüse: Jakob Tschachtli. Die Gründung einer GG mit zwei Söhnen ist in Planung.
Betriebsleiterin Trocknerei: Yvonne Tschachtli. Die Trocknerei ist ein eigenständiger Betriebszweig auf dem Gelände des Biohofs.
Ackerfläche: 24 ha
Produkte Biohof: Lauch, Karotten, Zwiebeln, Zucchetti, div. Kohlarten, Zuckerhut, Erdbeeren, Kartoffeln, Getreide, Grasland.
Produkte Trocknerei: Diverse Obstsorten, Gemüsemischungen, Suppengemüse, Sirups, Konfitüren.
Spezialprodukt: Schoggistängeli aus einer nahen Manufaktur, die mit pulverisierten Trockenprodukten von Tschachtlis verfeinert sind.
Vermarktung: Überschussware verkauft der Biohof an die Trocknerei. Die Trockenprodukte werden an Wochen- und Weihnachtsmärkten sowie im eigenen Hofladen und Onlineshop verkauft.
Das Auge kauft mit
Trocknen hat viel mit Erfahrungswerten zu tun, erzählt die Produzentin weiter. Und: «Wie reif ist die Ware, welche Luftfeuchtigkeit herrscht, das sind Faktoren, welche den Prozess unterschiedlich lange gestalten.» Zudem sei auch nicht jeder Trockner gleich gut geeignet, um etwa Tomaten zu trocknen. Daher würden nach dem Trocknen viele Notizen darüber gemacht, wie dick die Tomaten geschnitten und in welchem Gerät sie getrocknet wurden. Beim Verpacken ist Yvonne Tschachtli äusserst wichtig, dass jede Packung gleich gross ist. Das mache beim Verkauf auf dem Markt einen guten Eindruck. Nebst ihrer eigenen Vollzeitarbeit beschäftigt sie mehrere Mitarbeiterinnen für die Produktion, die zusammen weitere 1,5 Vollzeitstellen besetzen. Diese Frauen sind darauf geschult, die Waren akribisch zu verpacken. Und zwar so akribisch, dass ein potenzieller Kunde am Markt gar einmal der Meinung war, dass diese aus einer Fabrik stammen müssten und er daher nichts kaufen wollte. Yvonne Tschachtli entgegnete darauf, ob er denn der Meinung sei, dass ein Betrieb, der mit 2,5 Vollzeitstellen auskomme, eine Fabrik sei. Der Mann verneinte und kaufte dann ein.
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Der Dialog mit den Kunden
Dieses Beispiel zeige, wie wichtig die Kommunikation mit den Kunden ist, betont Yvonne Tschachtli. «Am Markt musst du mit den Menschen reden, auf sie zugehen, sonst verkaufst du nicht viel.» Viele Gespräche würden sich um die Verkaufspreise drehen. Es sei wichtig, den Kunden zu erklären, dass sie Schweizer Löhne und auch die Rohwaren bezahlen müsse, auch wenn diese oftmals aus Überschuss- und Ausschussposten bestünden. «Denn die Produzenten hatten Kosten, auch wenn sie die Ware nicht regulär in den Verkauf geben können», versucht Yvonne Tschachtli den Kunden klarzumachen.
Das Ehepaar Tschachtli hat ganz klein angefangen und die beiden Betriebe nach und nach vergrössert und stetig ausgebaut. «Wir hatten finanziell harte Zeiten», verrät Jakob Tschachtli. Er gehe aber nach dem Motto der 5 A und mache «alles andere, als alle anderen». Dass er dabei auch ein unbequemer Geschäftspartner sein kann, ist er sich bewusst. Stetig hätten sie in Land und Maschinen investiert. Foodwaste war schon früh ein Thema bei den beiden. Einmachen kam für sie aber nicht infrage, Dörren auch nicht. Trocknen hingegen schon, da durch die tiefen Temperaturen Farben und Vitamine erhalten blieben.
Spezialware am Markt verkaufen
Gestartet ist der Trocknungsbetrieb mit einem kleinen Automaten, in dem Gemüse vom eigenen Betrieb zu Suppengemüse verarbeitet wurde. Dass sie die Waren am besten an Märkten an den Mann und die Frau bringen müssen, war dem Paar ebenfalls früh bewusst. Beim Verkauf unterstützt Jakob Tschachtli den Betrieb seiner Frau. Dabei ist ihm die perfekte Präsentation genauso wichtig wie seiner Frau das Verpacken. «Für mich muss es perfekt sein, sonst ist es nicht gut genug», macht er deutlich.
Dass der Verkauf an Märkten bedinge, an Wochenenden zu arbeiten, nimmt das Paar gerne in Kauf. Beide schätzen die direkten Kontakte zu den Kunden. Dafür gehe er mit seiner Frau auch mal unter der Woche ins Kino oder auswärts essen, erzählt Jakob Tschachtli. Etwas, das Neider auf den Plan rufe. Doch die würden nicht sehen, wie oft sie an Samstagen an den Wochenmärkten und in der Adventszeit auf den Weihnachtsmärkten stehen würden. Yvonne Tschachtli meint dazu schulterzuckend: «Gönner findest du fast nirgends, Neider hingegen kriegst du gratis.» Doch beide nehmen diese Tatsache gelassen und sind glücklich über ihre gut laufenden Betriebe.
In Zahlen
20 Tonnen Tomaten trocknete Yvonne Tschachtli im vergangenen Jahr.
100 Tonnen Gemüse verschiedener Sorten wurden gesamthaft getrocknet.
70 Tonnen Obst wurden ebenfalls getrocknet.
8 Maschinen unterschiedlicher Grösse trocknen bei geringer Hitze.
350 Tage. An so vielen Tagen im Jahr laufen die Trockner ununterbrochen.
1,5 Vollzeitstellen unterstützen Yvonne Tschachtli bei der Verarbeitung.