Auf den ersten Blick wirkt die Weizenparzelle von Christian Uebelhard aus Niederbipp BE ganz normal. Bald wird die Kultur erntereif sein, das Stroh hat seine gold-gelbe Farbe erreicht, die Ähren biegen sich langsam nach unten. Doch zwischen den Reihen blicken saftig grüne Blätter hervor. Das ist kein Unkraut, sagt er – hier wächst Soja.

Neues Anbauverfahren aus den USA

Christian Uebelhard ist ein Pionier unter den Schweizer Ackerbauern. Vor etwa drei Jahren stiess er auf der Suche nach alternativen und bodenschonenden Anbausystemen auf das sogenannte «Relay Intercropping» (RI) aus den USA. Nach einem Twitter-Kontakt mit dem RI-erfahrenen Farmer Tim Boring aus dem US-Bundesstaat Michigan war für ihn klar: «Dieses Verfahren muss in die Schweiz.»

Ganzjährige Bodenbedeckung gewährleistet

Doch was ist RI? «Bei diesem Anbausystem wird Winterweizen zusammen mit Soja angebaut. Dies ermöglicht eine ganzjährige Bodenbedeckung und weniger Bodenbearbeitung», erklärt der Landwirt. Nach seiner Entdeckung ist Uebelhard auf Annelies Uebersax zugegangen. Sie ist Mitglied der Geschäftsleitung der Agrofutura AG. In Zusammenarbeit mit der Fachstelle Bodenschutz des Kanton Bern, dem Landwirtschaftlichen Zentrum Liebegg sowie dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau nahm man sich dem neuartigen Anbausystem an und beantragte Bundesgelder, um RI auf Schweizer ­Boden zu testen. Finanziell unterstützt wird das Projekt vom Bundesamt für Landwirtschaft, von Bio Suisse und der Bodenfachstelle des Kantons Bern.

 

Die Vorteile des Anbausystems

Der Anbau von Soja als Staffelkultur bzw. im Relay-Intercropping-Verfahren hat folgende Vorteile gegenüber dem Anbau als Einzelkultur:

  • Gesteigerte Boden- bzw. Flächenproduktivität.
  • Ausnutzen der Vegetationsperiode, um möglichst viel Biomasse zu produzieren.
  • Insgesamt höhere Naturalerträge und Deckungsbeiträge als beim Einzelanbau.
  • Kein oder wenig Herbizideinsatz, wenig Aufwand zum Hacken, wenig Düngemitteleinsatz, Nutzung der biologischen Stickstoff-Fixierung.
  • Förderung einer guten Bodenstruktur und Stickstoff für die Folgekultur.
  • Hinterlässt nach der Ernte je nach Situation einen unkrautfreien Boden, der die Saat der Folgekultur ohne Pflugeinsatz erlaubt. pd

Christian Uebelhard ist einer von insgesamt sieben Betrieben (4 Bio, 3 ÖLN), der bei den Versuchen mitmacht. Der Biolandwirt experimentiert seit drei Jahren mit Relay Intercropping.

Auf den Reihenabstand kommt es an

Wenn man auf die Weizenparzelle von Christian Uebelhard schaut, entdeckt man zum Teil üppige, zum Teil aber auch sehr magere Soja-Bestände. «Wir haben verschiedene Reihenabstände getestet», erklärt der Biolandwirt den Unterschied. Dabei zeigt sich, dass die Soja-Pflanzen bei einem Reihenabstand von 50 cm zu stark durch den Weizen beschattet werden und sich schliesslich nicht ausreichend entwickeln.

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«Im Gegensatz dazu werden die Pflanzen bei einem Abstand von 75 cm ausreichend mit Licht versorgt», stellt Uebelhard fest und deutet auf die üppigen Pflanzen ein paar Reihen weiter.

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Doch wie funktioniert RI? Wie kann man Weizen dreschen, ohne Soja zu zerstören? Und lohnt sich der Anbau finanziell überhaupt? – Diese Fragen gehen einem dabei durch den Kopf.

Erfolgreicher Anbau durch längere Weizensorte

«Ich habe den Winterweizen der Sorte Wiwa Ende Oktober vergangenes Jahr ausgesät. Diese Sorte ist genetisch länger und eignet sich besser als kürzere Sorten wie Baretta für den Drusch», weiss Uebelhard aus Erfahrung. Später erklärt er, warum die Länge ausschlaggebend für den Anbau beider Kulturen ist. Bei der Aussaat musste sein Lohnunternehmer Aussparungen für die spätere Soja-Saat hinterlassen.

«Das ging gut mit GPS. Damit konnte der Lohnunternehmer den Weizen in einer geraden Linie aussäen», sagt ­Uebelhard. Die Soja-Aussaat erfolgte am 22. Mai. Damit die Leerstreifen bei der Saat unkrautfrei sind, wurde im Frühjahr dreimal gestriegelt sowie kurz vor der Saat gehackt. Der Weizen ist zu diesem Zeitpunkt noch niedrig und kommt dabei nicht zu Schaden, gibt der Landwirt an.

Aussaat mit Hindernissen

Allerdings erweist sich die Aussaat von Soja als nicht so einfach, wie erwartet. In den Versuchen zeigte sich, dass nicht alle Sämaschinen Soja bei einem Reihenabstand von 75 cm aussäen können. «Die Maschine muss erst eingestellt werden, gleiches gilt dann für den Drescher. Das generiert mehr Aufwand für den Lohnunternehmer, was dementsprechend entschädigt werden muss», weiss Christian Uebelhard. Weil der Biolandwirt aber am Versuch teilnimmt, erhält er wie auch die anderen teilnehmenden Betriebe für solche Mehraufwände und auch die Anbau-Risiken pauschal 500 Franken Entschädigung.

In diesem Jahr wurde auf Uebelhards Parzelle Futtersoja der Sorte Gallec ausgesät. Speisesoja würde sich für dieses Anbausystem vermutlich ebenfalls eignen, sagt er. Denn die Unkrautbekämpfung im Soja fällt beim RI-Anbausystem komplett weg: «Die Weizenpflanzen sorgen eben dafür, dass genug Schatten auf das Unkraut fällt. Dadurch wird es im Soja unterdrückt.»

Keine Ernteprobleme

Obwohl die Soja-Pflanzen bereits gut entwickelt sind, gibt es bei der Weizenernte keine Probleme: «Der Schnitt erfolgt kurz unterhalb der Ähre», sagt der Biolandwirt. Deshalb sei es auch so wichtig, eine genetisch längere Sorte einzusetzen. Wird die Soja-Pflanze beim Dreschen durch die Maschine etwas gedrückt, sei das laut Christian Uebelhard kein Problem: «Soja steht dann wieder auf. Schlimmer ist es, wenn die Pflanzen angeschnitten werden. Dann erhält man einen deutlichen Minderertrag.»

Deshalb sollte die Maschine nicht zu tief angesetzt werden. Durch den höheren Schnitt fällt für Uebelhard allerdings der Mehrertrag weg, den er zusätzlich mit Stroh einnehmen würde. «Wir können das Stroh nicht mitdreschen», erklärt er. Doch diesen Verlust sowie die etwa 1/3 geringeren Weizenerträge gegenüber dem Normalertrag könne er mit dem Anbau von Soja kompensieren – Uebelhard schätzt, dass pro Are etwa 25 bis 30 kg Soja geerntet werden können. Der Drusch von Soja erfolgt ein paar Monate nach der Weizenernte im September/Oktober.

Landwirt zieht positive Bilanz

Nach den drei Versuchsjahren zieht Christian Uebelhard eine positive Bilanz: Der Anbau von Soja sei relativ leicht. In der Summe erhalte der Landwirt sogar mit beiden Kulturen einen Mehrertrag bei guter Entwicklung. Der Boden ist ganzjährig bedeckt – «im August läge die Fläche nach der Weizenernte sonst brach, bis die Gründüngung ausgesät wird. Verschwendete Sonnenenergie», sagt er. Zudem sei nach der Soja-Saat keine Unkrautbekämpfung mehr notwendig. Es sollte nur genügend Bodenfeuchte für beide Kulturen vorhanden sein und die Maschinen müssen angepasst werden.

Bund hat Verbesserungspotenzial 

Verbesserungspotenzial sehe der Biolandwirt beim Bund. «Bisher erhält nur die Hauptkultur Einzelkulturbeiträge. Das macht dieses Anbausystem leider nicht so attraktiv für Landwirte», gibt sich Uebelhard bedrückt. Doch für den Biolandwirt sei das kein Grund zur Aufgabe nach Versuchsende im Jahr 2022. Im Gegenteil, er würde die Fläche sogar noch ausdehnen. Im nächsten Jahr möchte Uebelhard RI auch mit Körnersorghum im Weizen testen. «Sorghum ist ebenfalls geeignet, weil es bis zur Ernte des Weizens lange niedrig bleibt.»

 

Betriebsspiegel

Name: Christian Uebelhard

Ort: Niederbipp BE

Ackerfläche: 34 Hektaren, Biobetrieb seit sechs Jahren

Kulturen (2020): 13 ha Weizen, 0,8 ha Grünspargel, 2 ha Lagerkarotten, 6,6 ha Körnermais, 400 Baumnussbäume auf 4,3 ha, 4,2 ha Kunstwiese und ökologische Ausgleichsflächen

 

 

Nachgefragt mit Jeremias Niggli: «Das Interesse an Relay Intercropping ist gross»[IMG 4]

Jeremias Niggli, Berater Ackerbau am Forschungsinstitut für biologischen  Landbau (FiBL), ist am Projekt Relay Intercropping beteiligt.

Jeremias Niggli, welche Herausforderungen birgt Relay Intercropping (RI)?

Jeremias Niggli: Die grössten Herausforderungen sind technischer Art – wie kann Soja eingesät werden, ohne dass das Getreide überfahren werden muss? Gibt es eventuell eine Mechanisierungsvariante, welche auf dem Betrieb vorhanden ist und weiter eingesetzt werden kann? Je nach Jahr kann auch der Schneckenfrass ein grosses Thema sein. In den Getreidebeständen ist es feucht und die Schnecken können sich gut verkriechen, wodurch der Druck grösser ist, als wenn Soja solo angebaut wird. Auch die Suche nach der besten Kombination zwischen Getreideart und -sorte sowie Sojasorte ist noch nicht abgeschlossen. 

Kann sich das System in der Schweiz etablieren?

Das Interesse der teilnehmenden Betriebe ist sehr gross. Es werden Lösungen gesucht, um das Anbausystem weiter zu verbessern und an den Betrieb anzupassen. Ob sich das System mittelfristig etablieren wird, ist schwierig vorauszusagen. Grundsätzlich ist es erstrebenswert, dass mehr Eiweissträger in der Schweiz angebaut werden. Durch RI kann im besten Fall der Gesamtertrag pro Hektare gesteigert werden. 

Bisher erhält nur die Hauptkultur Beiträge. Wie kann RI wirtschaftlich attraktiver für Landwirte werden?

Es müssten für die betroffenen Flächen ebenfalls Beiträge für Körnerleguminosen ausbezahlt werden. Dabei könnte ein ähnlicher Ansatz wie bei den Körnerleguminosen-Getreide-Mischkulturen gewählt werden: Es braucht einen gewissen Anteil an Körnerleguminosen im Erntegut, damit die entsprechende Fläche beitragsberechtigt ist. Wie lange die beiden Kulturen jeweils auf dem Feld standen, sollte dabei zweitrangig sein. Das Projekt ist schliesslich auch etwas weiter gedacht: Durch die Klimaerwärmung und die züchterische Weiterentwicklung von Soja wird der Sojaanbau in der Schweiz immer attraktiver und «standortangepasster».

Interview (schriftlich), Katrin Erfurt