Ein feiner, leicht scharfer Duft weht der Nase entgegen. Er stammt unverkennbar vom Senf, der gerade in einer Steinmühle gemahlen wird. Wir sind zu Besuch bei Beat Voegeli und Ueli Kilchsperger hoch über Flaach im zürcherischen Weinland, wo die beiden seit letztem Jahr das traditionelle Würzmittel unter dem Markennamen «Senfgenoss» herstellen.
Reise nach Deutschland
Die Idee dafür war 2017 bei einem gemeinsamen Abendessen entstanden. Der Winterthurer Betriebswirt Beat Voegeli hatte kurz davor das Senfmuseum in Köln besucht, und die Vorstellung, sich selbst an der Senfherstellung zu versuchen, liess ihn nicht los. Wie sich an diesem Abend herausstellte, hatte der Flaacher Winzer Ueli Kilchsperger auch schon mit diesem Gedanken gespielt. Aus diesen ersten Annäherungen an eine alte Handwerkskunst formte sich bald ein gemeinsames Projekt.
Als nächstes folgte eine Exkursion nach Deutschland, wo Senf für die Küche eine weit grössere Bedeutung hat als hierzulande. Sie besuchten mehrere Manufakturen, wo ihnen ein Einblick in die Senfherstellung ermöglicht wurde. «Wenn es allerdings um genauere Angaben zu Temperaturen, Zeiten und Verhältnisse der Zutaten untereinander ging, stiessen wir auf Schweigen», lacht Voegeli. «Keiner gibt seine Rezepte preis.»
Regionaler Senfanbau
Kein Geheimnis ist, dass Senf grundsätzlich aus den vier Zutaten Senfkörner, Essig, Wasser und Salz besteht. Wieder zu Hause, begannen die beiden Schweizer damit zu pröbeln. «Die Resultate wurden interessanter, und wir fassten den Entschluss, das Projekt richtig anzupacken», erinnert sich Ueli Kilchsperger.
Ein Vorteil war, dass er auf seinem Weingut einen Produktionsraum und Infrastruktur anbieten kann. Die grösste Anschaffung war die Mühle mit den beiden 300 Kilogramm schweren Mahlsteinen aus Granit, welchen die beiden Neueinsteiger in Deutschland anfertigen liessen.
Gelber und brauner Senf angebaut
Zudem konnten sie für den Anbau der Senfpflanzen einen Landwirt aus der Region gewinnen. So wuchs im letzten Sommer auf 20 Aren erstmals gelber Senf. Auf einer vergleichbaren Fläche folgt dieses Jahr der braune Senf, der zunächst dazu gekauft worden war. Dabei handelt es sich um zwei verschiedene Pflanzen: Beides sind wie Raps Kreuzblütler, der mildere gelbe Senf gehört zur Gattung der Senfe, der schärfere braune hingegen zur Gattung der Kohlgewächse.
Vier Grundzutaten für die Senfproduktion
Sowohl der gelbe wie auch der braune Senf werden im Frühling angesät und im August geerntet und gedroschen. Vor der Lagerung werden die Körner gesäubert und getrocknet. In diesem Zustand sind sie bereit für die Senfproduktion, die übers Jahr verteilt alle paar Wochen in kleineren Chargen erfolgt. Dabei wird die Senfsaat zunächst geschrotet und zusammen mit Wasser, Essig und Salz zu einer Maische angesetzt, womit Geschmacksstoffe und Schärfe freigesetzt werden.
Die Steinmühle mahlt den Senf im Kaltmahlverfahren
Nun kommt die elektrisch angetriebene Steinmühle zum Einsatz: Die Maische wird über mehrere Stunden zwischen den Granitscheiben zu Senf vermahlen, was man als Kaltmahlverfahren bezeichnet. Das heisst, die Masse wird nie über 30 Grad erhitzt, wodurch wertvolle Wirkstoffe erhalten bleiben. «Je grösser der Anteil an braunem Senf ist, desto mehr Schärfe liegt in der Luft, was häufig tränende Augen zur Folge hat», erzählt Ueli Kilchsperger.
Je nach Sorte kommen weitere Zutaten dazu, beispielsweise Honig. Zusätze wie Geschmacksverstärker, Farbstoffe und Konservierungsmittel hingegen haben beim Senf aus dem Weinland nichts zu suchen. «Dies wäre nicht nur unnötig, sondern geradezu schade», meint Beat Voegeli «Unser Senf ist auf das Nötigste reduziert».
Erster grosser Auftritt am Weinländer Herbstfest
Bevor das fertige Produkt in Gläser abgefüllt wird, reift es während mehreren Wochen in Fässern nach. Um herauszufinden, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, verlassen sich die beiden Senfhersteller auf Geschmacksproben. «Mit der Zeit erhält man ein Gespür dafür», so Kilchsperger.
Um den Markenauftritt professionell aufzuziehen, haben Beat Voegeli und Ueli Kilchsperger eine Werbeagentur beauftragt. Dabei fiel auch der Entscheid zur Namensgebung: «Senfgenoss» bleibt hängen und soll vermitteln, dass es sich um ein inländisches Qualitätsprodukt handelt», sagt Voegeli. Als im letzten Herbst die ersten Senfgläser gefüllt waren, war es soweit: Am Weinländer Herbstfest in Flaach hatte «Senfgenoss» den ersten grossen Auftritt. Um zu demonstrieren, wie handwerklicher Senf hergestellt wird, stellten sie die Steinmühle auf. Das Interesse in der Bevölkerung war gross: «Viele Leute wissen gar nicht, was drin ist», erzählt Kilchsperger.
Positive Rückmeldungen
Abnehmer sind hauptsächlich kleinere Läden, Comestiblesgeschäfte und Hofläden in der Region. Während der Corona-Zeit stiegen Bestellungen von Hofläden, die mit einer plötzlich grösseren Nachfrage konfrontiert wurden und infolgedessen ihr Sortiment abrunden wollten, stark an. Zudem betreibt «Senfgenoss» einen eigenen Onlineshop.
Im Angebot sind die vier Senfsorten mild, scharf, Weisswein und Honig. Dazu kommen saisonale Sorten wie Bärlauchsenf, der schnell ausverkauft war, und derzeit Senf mit Knoblauch und Rosmarin für die Grillsaison.
Hauptsächlich saisonale Zutaten verarbeitet
Für die beiden Hersteller ist es wichtig, dass die Zutaten möglichst regional sind. So stammt etwa der Honig von einer Imkerin aus der Region, der Knoblauch aus dem Thurgau. «Uns ist es auch ein Anliegen, die Senfkultur vermehrt in die Schweiz zu bringen und zu zeigen, wie vielfältig dieses Würzmittel in der Küche eingesetzt werden kann», betont Ueli Kilchsperger. Nun geht es ins zweite Produktionsjahr, und wie Nachfrage und positive Rückmeldungen zeigen, ist man auf dem richtigen Weg. Beat Voegeli: «Es macht Freude zu sehen, wie es funktioniert.»