Ja, es habe schon einige Reaktionen gegeben, «grundverschiedene», sagt Werner Britschgi diplomatisch auf die Frage, wie denn das Umfeld im Herbst 2004 reagiert habe. Damals, als der Präsident des Obwaldner Braunviehzuchtverbandes und engagierter Viehzüchter sich entschied, auf die Milchproduktion zu verzichten, das Kontingent und den Zuchtviehbestand verkaufte und auf Mutterkuhhaltung umstellte.
«Super zufrieden»
Schliesslich produzierte er schon lange, seit 1997, Biomilch, erhielt dafür in den besten Jahren 104 Rappen ausbezahlt. Auch heute wäre der Biomilchpreis immer noch recht hoch. Es waren aber in erster Linie agrarpolitische Gründe, wieso sich Britschgis zur Umstellung entschlossen. Zudem war die Futtergrundlage wegen Wegfall von Flächen im Tal nicht mehr so optimal für Milch. Für Mutterkühe sei der Mix von guten Futterflächen und eher extensiven Wiesen aber heute ideal.
20 GVE werden gehalten, davon 16 Mutterkühe. Zehn Hektaren gross ist der Betrieb, er liegt auf 800 Meter über Meer, je zur Hälfte in der Bergzone II und III. Rund 5,5 ha sind Eigenland, der Rest «sicheres Pachtland». Dazu kommt die Sömmerungsfläche auf der nahen Alp Hüttstett. Dort verbringen die Mutterkühe und Kälber den Sommer. Die Korporationsalp wird zu dritt bewirtschaftet. Bei der Umstellung wurde entschieden, die Mutterkühe dort separat zu halten und zu betreuen.
Super zufrieden seien sie grundsätzlich mit der Umstellung, ziehen Werner und Käthi Britschgi Bilanz. «Wir haben den Entscheid in den letzten 15 Jahren keine Minute bereut.»
Einziger Mutterkuhhalter
Aber ja, es sei eben schon etwas sehr Neues gewesen, vor allem für die Region Lungern. Er sei noch heute hier oben der Einzige mit Mutterkuhhaltung. Das habe ihn eigentlich überrascht, dass nicht mehr Bauern in den letzten Jahren auf Mutterkühe umgestellt hätten. Mehr im Trend liege hier die Rinderaufzucht, das hänge wohl mit den Betriebsstrukturen und unterschiedlicher Alpstruktur in Lungern zusammen.
Überhaupt hat Britschgi festgestellt, dass vor allem im Flachland der Trend zur Umstellung von Milch auf Mutterkühe viel ausgeprägter sei als hier im Berggebiet, vor allem um Arbeitskräfte zu sparen. Das Vorurteil, dass Umstellung auf Mutterkühe der erste Schritt zum Ausstieg aus der Landwirtschaft sei, bestreitet er aber vehement. Und betont auch, dass Erfolg mit Mutterkühen nur habe, wer genügend Arbeitszeit investiere.
Klar werde man viel flexibler und könne die Arbeit anders einteilen. «Als Züchter investierten wir früher mehr Arbeitszeit für die Kühe, heute mehr für die Kälber.» Diese seien handzahm, was auch für die Alpung positiv sei. «Der Bezug zu den Tieren ist heute grösser als vorher mit Milchwirtschaft», betont Werner Britschgi. Beispiel sei wohl seine älteste Kuh Anita, 17-jährig, aus Braunvieh und Limousin, «und immer noch super zwäg».
Erfahrungsaustausch
Die Umstellung sei wie ein neuer Lebensabschnitt gewesen. Viel Wissen habe er sich aneignen müssen. Eine separate Weiterbildung machte er deswegen nicht, besuchte aber Berufskollegen und sammelte auch Ideen für den Stallumbau, erhielt dafür auch gute Beratung von Mutterkuh Schweiz. Schon vorher wurden die Milchkühe in einem Laufstall gehalten, die nötigen baulichen Anpassungen für Mutterkühe finanzierte er aus dem Verkauf des Milchkontingents.
Vor zehn Jahren sei aber auf Initiative des Landwirtschaftsamtes ein Arbeitskreis der Ob- und Nidwaldner Mutterkuhhalter gegründet worden. Anfänglich machten zehn Mitglieder mit, heute seien es bereits 20. Dieser Erfahrungsaustausch bringe sehr viel, bedinge aber auch Offenheit und die Bereitschaft, Herausforderungen gemeinsam zu diskutieren. «So kann auch der Betriebsblindheit vorgebeugt werden.»
Simmentaler Mutterkühe
Auch bei der geeigneten Rasse machte Britschgi bei der Umstellung seine Erfahrungen. «Wir haben einiges gelernt.» Er startete zuerst mit Original Braunvieh, später mit F1, versuchte verschiedene Rassen. Heute werde viel gezielter auf eine bevorzugte Rasse gesetzt, schon gar nicht mehr möglich sei es aufgrund der Mastrassenanforderungen bei Mutterkuh Schweiz, die bisherigen Milchkühe weiter als Mutterkühe zu nutzen.
Bei Britschgi sind es heute meist Simmentaler, weil sich die für die Alpung gut eignen und die Milchleistung stimme. Mit den Kühen läuft ein Limousin-Stier, das gebe perfektes Natura-Beef. Britschgi setzen auf saisonale Abkalbung, ab Mitte September während fünf Wochen auf dem Heimbetrieb. So gebe es auch keine Probleme auf der Alp mit Wanderern, denn die Kälber seien dann im folgenden Sommer schon älter, bei den Kühen der Mutterinstinkt nicht mehr so ausgeprägt. Der gemeinsam gehaltene Stier hingegen bleibt den Sommer über bei einem Kollegen in Giswil. Die Natura-Beef werden Ende Juli bis Ende August direkt ab Alp vermarktet, meist als C3 und H3 eingeschätzt. Das sei nicht selbstverständlich, dass so der Ausmastgrad erreicht werde, weise aber darauf hin, dass dies eine qualitativ gute Alp sei. «Und es braucht auch dort eine intensive Pflege und Betreuung.»
Finanziell besser als vorher
Werner Britschgi arbeitete schon vorher stundenweise im Nebenerwerb auswärts, nach der Umstellung 80 Prozent, heute noch
50 Prozent in einem Gewerbebetrieb. Den Betrieb bewirtschaften Britschgis selber, wobei sein Bruder viel und sehr interessiert mithelfe, und zum Heuen auch seine Schwägerin, betont Werner. Und er erwähnt seine Frau Käthi, welche auf dem Betrieb und bei den Tieren zum Rechten schaut, wenn er im Nebenerwerb arbeitet. Unter dem Strich sei die Rechnung mehr als aufgegangen. «Uns bleibt aus der Landwirtschaft mit Mutterkühen finanziell mehr als früher mit Milchkühen, die Arbeit für die Tiere eingerechnet», betont Britschgi. Dies auch, weil die Produktionskosten wie Tierarzt-, Futter- und Maschinenkosten markant gesenkt werden konnten. «Vorher brauchten wir während sechs Monaten monatlich 1200 Kilo Kraftfutter, heute setzen wir überhaupt keines mehr ein.»
Viel Pachtlandjägerei
Was meint er zu den heutigen Strukturen der Obwaldner Landwirtschaft? Vorteilhaft sei der ausgeprägt hohe Anteil an Biobetrieben im Kanton, wohl mit ein Grund, dass viele bei der Milch bleiben. Zu denken geben Werner Britschgi – vor Jahren in einer kantonalen Arbeitsgruppe zur Zukunft der Landwirtschaft tätig – das Gerangel um Pachtland und welche Distanzen für die Bewirtschaftung der Flächen zurückgelegt würden. «Das kostet viel Geld, bedingt mehr Arbeit, aber bringt unter dem Strich sicher nicht das, was einige erwarten.» Immer sehr ausgeprägt war gerade hier in Lungern der Nebenerwerb. In den letzten Jahren wurden viele Betriebe grösser, es gibt weniger Fütterung an mehreren Standorten und dank baulichen Erleichterungen auf den Betrieben sei es noch mehr möglich geworden, auswärts zu arbeiten, stellt Britschgi fest.
Die Lungerer Landwirtschaft sei sehr traditionell, und mit Bio wohl gut aufgestellt. Gleichwohl brauche es Anpassungen auch künftig. Ein generelles Rezept gebe es nicht. Britschgi weist aber darauf hin, und gibt seinen Berufskollegen den Tipp, nicht einfach um jeden Preis flächenmässig wachsen zu wollen. «Oft wäre weniger mehr, und Ziel muss mehr Wertschöpfung statt Grösse sein.» Einiges Potenzial sieht Britschgi gerade hier in der Tourismusregion bei der Direktvermarktung. Aber da müsse man sich sehr bewusst sein, dass dies mit viel Arbeit verbunden sei. Und der Verkauf müsse einem liegen.
Kurz gesagt
Das meint Werner Britschgi kurz und spontan zu folgenden Stichworten:
Agrarpolitik: ein schwieriges Thema, und noch schwieriger, es allen recht machen zu wollen.
Berggebiet: Hat viel Potenzial, für die Landwirtschaft, Gesellschaft und den Tourismus.
Landwirtschaft Obwalden: Hat eine gute Zukunft.
Hochleistungszucht: Ja, aber bitte am richtigen Standort.
Klimawandel: Darüber müssen wir uns auch Gedanken machen, den werden wir vermehrt spüren, auch in der Landwirtschaft.
Lebensqualität: Ist auch eine Frage der Betriebsstruktur. So wie wir den Betrieb heute führen, haben wir enorm an Lebensqualität gewonnen.
Sommerserie damals 2004
Wir blicken 15 Jahre zurück. Was ist aus den Personen, Betrieben und Projekten geworden, die wir im Sommer 2004 in der BauernZeitung mit Reportagen vorstellten? Haben sich die Innovationen und Entscheide bewährt? Wir fragten nach und gingen erneut zu Besuch. Diesmal bei Werner und Käthi Britschgi aus Lungern.