Ein düsterer Dezembermorgen im sonst so idyllisch gelegenen Kanton Basel-Land. Rutschiger Schneematsch bedeckt die Strassen und es regnet quer. Im 150-jährigen Bauernhaus hat sich ein krankes Kind auf dem Sofa eingemummelt und die Mutter pendelt zwischen Küche, Hoflädeli und Stall hin und her. «Ich bin heute noch nirgends», sagt Stefanie Spycher-Gass mit einer entschuldigenden Handbewegung auf den Korb voll gewaschener Wäsche, der in einer Ecke aufs Falten und Einräumen wartet.

Gemeinsam mit ihrem Mann bewirtschaftet die Landwirtin den Hof Röti in Oltingen, einer Gemeinde mit 523 Einwohnern, einer spätgotischen Kirche mit prächtigen Fresken und einem mächtigen mittelalterlichen Haus aus Tuffsteinquadern.

Zum Bio-Milchwirtschaftsbetrieb mit 37 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche gehören rund 30 mehrheitlich genetisch hornlose Kühe und eine eigene Aufzucht. Dazu kommen rund 270 Hochstammbäume: Kirschen, Zwetschgen, Äpfel und Birnen sowie einige Nussbäume. Weitere Betriebszweige auf dem Hof Röti sind der Selbstbedienungshofladen, Ackerbau und Weihnachtsbäume.

Langfristig investieren

«Derzeit ist ein Melkroboter in Planung. Das gab im Vorfeld viel zu reden, denn wir standen mit unserem Betrieb an einer Abzweigung», erzählt Stefanie Spycher bei einer Tasse Tee in der gemütlichen Wohnküche mit Holzofen. Melkstand und Melktechnik seien in die Jahre gekommen, zudem gäbe es in naher Zukunft personelle Änderungen auf dem Betrieb.

Bisher übernimmt Vater Hannes Gass in der Regel am Morgen und am Abend das Melken. Doch in drei Jahren geht er in Pension. «Wir haben viel darüber geredet, was wir gerne und gut machen. Wir hängen an unseren Milchkühen und wir möchten ein Vollerwerbsbetrieb bleiben. Also müssen wir investieren.»

Die 38-Jährige ist hier auf dem Hof aufgewachsen. Nach der Schule entschied sie sich für eine KV-Lehre bei einer Bank. Anschliessend machte sie ein Praktikum bei der Lokalzeitung, wo es ihr so gut gefiel, dass sie eine Journalismus-Ausbildung anhängte. Sie blieb sieben Jahre bei der Zeitung, war dort vor allem als Sportredaktorin aktiv.

Daheim arbeiten

Mit 25 wollte sie ausprobieren, ob ihr die Arbeit auf dem elterlichen Hof gefiele. «Es passte.» Stefanie Spycher machte die Ausbildung als Biolandwirtin. «Etwa zu der Zeit wurden Rolf und ich ein Paar.» Auch er war auf einem Landwirtschaftsbetrieb aufgewachsen und hatte eine Doppelausbildung als Forstwart und Strassenbau-Polier. Etwas später absolvierte auch er zusätzlich die Lehre zum Landwirt EFZ mit Fachrichtung Biolandbau. Denn für die beiden war klar, dass sie den Hof gemeinsam bewirtschaften wollen.

Im Jahr 2017 übernahmen sie den Hof Röti als Miteigentümer und einfache Gesellschaft. «Das war kompliziert. Die Behörden waren es damals noch nicht gewohnt, dass ein Paar das so regelt.» Doch schliesslich klappte es. Beide gelten als selbstständigerwerbend und teilen das landwirtschaftliche Einkommen. «So spielt es auch keine Rolle, wer was arbeitet.»

Das Bauernpaar ist Eltern der achtjährigen Zwillingstöchter Lena und Julia sowie der vierjährigen Ronja. Als sie den Hof übernahmen, hatte sich Stefanie Spycher vorgestellt, dass sie und ihr Mann sich die Haus- und Hofarbeit sowie die Kinderbetreuung etwas mehr teilen. «In der Realität sieht es aber anders aus», sagt sie mit einem Schmunzeln.

Freude am Backen

Rolf Spycher kümmert sich vor allem um die Arbeiten draussen und arbeitet zusätzlich im Stundenlohn im Forst- und Strassenbau-Unternehmen seines Bruders. Seine Frau managt Administration und Buchhaltung, den Hofladen, wo Mutter Sonja viel mithilft, Wäsche und Haushalt. «Dabei bin ich eine mässig begeisterte Hausfrau», schränkt sie ein. Putzen und Einkaufen sei nicht so ihr Ding. Kochen liege ihr mehr, auch das Backen von Blechkuchen, Cakes und Broten im Holzofen.

«Ich bin gern bei den Kühen», antwortet Stefanie Spycher-Gass auf die Frage, welche Hofarbeiten ihr liegen. Und sie liebe es, im Sommer mit den langen Leitern an den Hochstammbäumen Obst zu pflücken und es danach in der Küche weiter zu verarbeiten. So sind im Hofladen neben frischem Obst auch Trockenfrüchte zu finden. Sie arbeitet auch gern im Gemüsegarten und kocht fast den ganzen Eigenbedarf an Tomatensauce selber ein.

Nicht zuletzt ist Stefanie Spycher seit Frühling 2022 im Vorstand des Bäuerinnen- und Landfrauenvereins beider Basel aktiv. Auf Anfang dieses Jahres hat sie ein zusätzliches Ämtli übernommen: Alle paar Wochen schreibt sie als Kolumnistin in der Rubrik «Bäuerinnensicht» der BauernZeitung über ihren Alltag. «Ich merkte, dass mir manchmal etwas fehlt, seit ich nicht mehr schreibe», erklärt sie dazu. «Und ich möchte zur öffentlichen Meinung über die Bauern etwas beitragen.»