Flurina Zeindler pflegt mit ihrem Team den Liebegger Schulgarten im aargauischen Gränichen. Die leidenschaftliche Gärtnerin und diplomierte Umweltingenieurin mit einem Master in Agronomie vermittelt in ihren Kursen aktuelles und traditionelles Gartenwissen an Bäuerinnen und Gartenliebhaber. Im Interview gibt sie Einblicke in die naturnahe Gartengestaltung.
Traditionelle Bauerngärten bestehen aus Beeten mit Gemüse, Beeren, Kräutern und Zierblumen. Entspricht dieses Bild noch den heutigen Bedürfnissen der Familien auf dem Land?
Flurina Zeindler: Der Anspruch an die Selbstversorgung aus dem eigenen Garten hat sich gewandelt. Ich beobachte einerseits das Bedürfnis nach Vereinfachung, andererseits aber auch die Lust am Ausprobieren und Gestalten.
Statt Kartoffeln und Rosenkohl also Topftomaten und Salate im Hochbeet?
Das Gemüse hat immer noch seinen festen Platz im Bauerngarten. Farbige Sorten wie Krautstiel, Asiasalate oder Federkohl sind im Hochbeet echte Hingucker. Mehrjährige Gemüse wie Rhabarber, Spargel oder Topinambur erleben gerade eine Renaissance. Ein Trend in naturnahen Gärten ist die «Wilde Ecke» mit einheimischen Stauden, die spät geschnitten werden oder über den Winter stehen bleiben. Diese bieten vielen spannenden Gartenbewohnern Unterschlupf. Nützlinge finden hier ein durchgehendes Nahrungsangebot und Eiablageplätze.
Braucht ein naturnaher Garten Mut zur Unordnung?
Es geht auch geordnet. Mit naturnahen Gestaltungselementen wie Blumenstreifen, Wildobsthecken, Weidenrutenzäunen, Trockenmäuerchen oder Kleingewässern wird auch ein sehr gepflegter Nutzgarten zum Lebensraum für Wildbiene, Schmetterling, Igel und Co.
Welche Möglichkeiten haben Gärtner(innen), die gerne ernten und trotzdem etwas für die Natur tun möchten?
Viele Kräuter und Blumen, die für Nützlinge wertvoll sind, lassen sich in der Küche sehr gut verwenden. Gewürzpflanzen wie Rosmarin, Salbei, Thymian oder Strauchbasilikum sind Tausendsassas – sie können laufend genutzt werden, sind gesund, wohlschmeckend und darüber hinaus eine ausgezeichnete Bienenweide. Auch früh blühende Gemüse wie die Puffbohne sind begehrte Nektarquellen. Fenchel und Dill sind Futterpflanzen für «Rüebliraupen», aus denen der Schwalbenschwanz schlüpft. Die Liste lässt sich beliebig erweitern: Kornblumen in blau und rot verschönern Salate und Tees. Die einjährige Kamille blüht bei regelmässiger Ernte noch üppiger. Goldmelisse ergibt einen tollen Sirup.
Was hat der Liebegger Schulgarten aktuell zu bieten?
Wir legen Wert auf eine grosse Sortenvielfalt, die für Gartenneulinge und versierte Gärtnerinnen gleichermassen interessant ist. Über 100 verschiedene Gemüsesorten wachsen durchs Jahr im Liebegger Garten, darunter Edamame Sojabohnen, trendige Kohlsorten wie Flower Sprout oder neu entdeckte Klassiker wie die Haferwurzel. Im Kräutergarten ist die Nase gefordert: Vom Colakraut über diverse Minzesorten bis zum Schnittsellerie gibt es alle möglichen Düfte zu erschnuppern. Im Beerengarten wachsen neben den Klassikern auch Heidelbeeren im Sägemehlbeet oder eine Kreuzung zwischen Him- und Brombeere. Bei Sonnenschein tummeln sich im Kräutergarten die Bienen, Hummeln, Schwebfliegen und Schmetterlinge. Gestaltungselemente aus Naturmaterialien regen die Fantasie an für eigene Kreationen. Sitzgelegenheiten laden zum Verweilen, Beobachten und Geniessen ein.
Gibt es Stolpersteine beim naturnahen Gärtnern?
Wer die Standortansprüche berücksichtigt, macht schon ganz viel richtig. Man darf sich erlauben, Neues auszuprobieren und aus der Erfahrung zu lernen. Es braucht ein bisschen Zeit, die passenden Sorten auszuwählen, eine Mischkultur zu planen oder das Insekt zu bestimmen, das am Gemüse knabbert. Dafür wird man mit neuen Einblicken und einer unglaublichen Fülle an Leben belohnt.
Und die Schädlinge? Wie lassen sich diese auf natürliche Weise in Schach halten?
Der naturnahe Garten reguliert sich sehr gut selber, weil die Gegenspieler präsent sind. Blattläuse bekämpfe ich im zeitigen Frühjahr mit einer Schmierseifenlösung oder einem natürlichen Neemprodukt. Ab Anfang Mai sind dann die Marienkäfer aktiv und räumen mit den Läusen auf. Bei den Schnecken lohnt es sich, vorbeugend zu handeln. Eine frühe Bodenbearbeitung zerstört einen Grossteil der Eier. Sobald sich Schnecken zeigen, sammle ich sie ab, sodass sich keine grosse Population bilden kann. Wer Hühner hat, lässt diese im Herbst und Winter als «Putztrupp» in den Garten.
Gartenkurse
Die Liebegger Gartenkurse mit Flurina Zeindler und ihrem Team sind abrufbar unter: www.liebegg.ch/weiterbildung