Der Bauernhof, wie er in den Kinderbüchern bis heute gezeichnet wird, verkommt immer mehr zum Relikt, zum Überbleibsel einer vergangenen Zeit. Josef Mösler (38) macht da nicht mit. Dort, wo er geboren und aufgewachsen ist, zwischen den Appenzeller Hügeln, auf dem Hof Ebenstein bei Schlatt AI, ist er Bauer geworden und führt einen Grundfutterbetrieb.
[IMG 2] Er trägt eine lange dunkle Hose, einen hellgrauen Berufsmantel mit grossen Grifftaschen, eine schwarze Zipfelmütze und Gummistiefel. Manchmal hat «Füsilier Mösler», wie er sich auch nennt, eine alte grüne Infanteristenjacke der Schweizer Armee an – obwohl er nie Militärdienst leistete. Dazu trägt er «einen roten Fetzen», wie er sagt, ein Taschentuch um den Hals.
Pfeifen und Stumpen
In der Hand hält Josef Mösler oft eine Tabakpfeife, früher zudem ein typisches «Lindauerli». Pfeifenrauchen ist im Appenzellerland keine Passion älterer Herren und heute ist es auch für Hipster wieder interessant. Mehrmals während des Gesprächs zündet sich Mösler mit seinem Einwegfeuerzeug seine gekrümmte Pfeife an. Einen Moment lang umnebelt der Qualm sein Gesicht, er atmet tief, schliesst kurz die Augen, scheint ganz bei sich zu sein.
«Rauche ischt nebes Guets.»
Josef Mösler, Blüem- und Gurt-Züchter aus Haslen AI
Mösler, 180 Zentimeter gross, braunroter Vollbart, wache grüngraue Augen, ist Pfeifen- und Stumpenliebhaber. «Die Pfeife ist ja auch ein sinnliches Vergnügen», sagt er in den Rauch hinein, und: «Rauche ischt nebes Guets.» Vor gut zehn Jahren brachte er es auf 100 Villiger-Stumpen – pro Woche, erzählt er.
Ein Koloss namens Komet
Josef Mösler läuft voran, zum alten Anbindestall mit den drei Kälbern. Im Stall streichelt Mösler sanft eines der Tiere mit hellem Fell. «Die sind zum Kuscheln da, zur Mast natürlich auch und werden auch mal gegessen», sagt er. Dann schwärmt er von den Rassen Blüem und Gurt und betont sein Interesse an einer erfolgreichen Zucht.
Mösler zieht an der Pfeife und geht weiter auf den Blüem-Stier «Komet» zu, einem Original Braunen (OB). Fast acht Jahre alt ist der schöne Stier mittlerweile. Es ist ein imposantes, mit seiner Statur auch angsteinflössendes Tier, von rund 950 Kilogramm, gefunden hat ihn Mösler in Grüningen ZH.
«Er hat wohl schon 81 Nachkommen gezeugt», freut sich sein Besitzer. Er klopft ihm mit der Hand auf das Fell und führt ihn sanft am Nasenring aus dem Anbindestall. Dort trifft Komet das Rind Kroni aus dem Nachbardorf zum Natursprung.
Ein paar Zehnernoten muss Kronis Besitzer für die natürliche Besamung seiner Braunviehkuh hinblättern. Mösler züchtet mit dem Stier die besonderen Blüem- und Gurt-Kälber für die Mutterkuhhaltung und Milchvieh-betriebe.
Der Stier Komet sei in seiner Region einer der wenigen Blüem-Stiere für die Züchtung be-ziehungsweise für Natursprung, erzählt Mösler. Komet ist täglich im Freien und ab und zu macht Mösler einen Spaziergang mit ihm. Es liegt sicher nicht nur am guten Futter, dass der Stier so friedlich ist, sondern vielmehr am Umgang und an der guten Tier-Mensch-Beziehung.
Ästhetik ist Trumpf
[IMG 3] Blüem oder Gurt werden die Rassen genannt, deren Tiere weisse Musterungen am Kopf, einen Strich auf dem Rücken oder weisse Fellfärbungen wie einen Gürtel, der sich um den Bauch zieht, haben. Lange waren sie vom Aussterben bedroht, mittler-weile setzen wieder mehr Bauern auf die seltene, alte Rasse.
Es sei wohl die «ästhetische» Anhänglichkeit der Bauern, Züchter und Bauernmaler an die Tradition gewesen, welche diese speziell gefleckten Tiere überleben liess, obwohl diese Rinder mit den damals noch «unerwünschten» Farbvariationen vom Schweizer Braunviehzuchtverband auf den Index gesetzt wurden, an den Viehschauen durchfielen oder früher gar nicht mehr aufgeführt werden durften. Heute werden sie aber gleichberechtigt im Herdebuch geführt.
Leidenschaft und Hobby
[IMG 4] «Ohne Kühe könnte ich nicht sein. Ich bin ein ‹Chüehni›. Es ist mein Hobby, meine Leidenschaft. Wir müssen die Tiere achten und schätzen, die wir halten und essen», sagt Josef Mösler. Sein Haupteinkommen ist aber die Kälbermast, die er in einem separaten Teil im Stall betreibt.
Aus seiner Tasche holt Mösler diskret «Fläschli mit Chügeli». Seit einigen Jahren unterstützt er die Gesundheit seiner Tiere mit homöopathischen Arzneimitteln. «Ein Kollege hat mich dazu inspiriert», sagt er und weiter: «Einen Tierarzt brauchte ich seit 2005 erst zweimal bei der Geburt von Kälbern auf unserem Hof, denn Komet bringt kleine ‹schlüpfige› Kälber.»
Der Vater von Josef Mösler sei ein sehr ruhiger und besonnener Mann gewesen, der seinen Söhnen viel Freiheit liess, auch bei der Berufswahl. Josef, der Erstgeborene, Jahrgang 1985, wollte Bauer werden, sein jüngerer Bruder Martin ebenfalls. Martin ist heute als Landwirt im Kanton Thurgau tätig.
«Wir müssen die Tiere achten und schätzen.»
Josef Mösler
Josef Mösler absolvierte die Ausbildung am Plantahof in Landquart. Es folgten verschiedene Aushilfsstellen und 2005 übernahm er den elterlichen Hof. Josef Mösler sagt, er verdanke seinem Vater (1928–2007) viel Wissen. Sein Vater habe ihm gezeigt, dass es wichtig sei, die Tiere gut zu pflegen.
Ein «gutes Leben» sollen seine Tiere führen können. Wenn Mösler von seiner Tierliebe spricht, vom Respekt gegenüber den Rindern, Kühen und Ziegen, dann fragt man sich manchmal, warum er nicht längst zum Vegetarier geworden ist. «Das ist mir zu extrem», antwortet er knapp.
Zahlenmensch und Exot
Während Josef Mösler in Überkleidern auf dem Weg zum Mittagessen kurz die Wiesen vor dem Hof durchquert, benennt er die weidenden Kühe beim Namen. Er kennt alle Geburtsdaten. Er sei ein Zahlenmensch, sagt er von sich. Er sei nicht weit in der Welt herumgekommen, besitze einen Computer, den seine Frau bediene, und brauche sein Handy vorwiegend für das Versenden von Tierbildern (Statusmeldungen) auf Whatsapp. [IMG 5]
Dann zetert er über «den vielen Schrott», den die Menschen produzieren, und redet darüber, wie es der Welt ohne Neid und Missgunst besser ginge. «Ich war noch nie richtig im Ausland, sass noch nie in einem Flugzeug und lebe seit meiner Geburt auf dem elterlichen Hof in Leimensteig, sechs Kilometer von Appenzell entfernt.»
Seine Frau Irene (35) ist auf einem Bauernhof in Lanzenneunforn aufgewachsen. 2010 lernten sich die beiden kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. 2018 heirateten sie. «Josef ist bodenständig. Ihn kümmert es nicht, was andere über ihn denken. Er ist hier ein Exot und ich mag seine Art sehr», erzählt seine Frau bei Kaffee und Kuchen in der Stube ihres über 300 Jahre alten Bauernhauses. Sie arbeitet als Fleischfachverkäuferin in Appenzell und hilft ihrem Mann beim erfolgreichen Kälberverkauf, auch über Facebook.
So hat sich denn auch auf den nächsten Tag ein Landwirt aus dem Jura angekündigt, der eines der begehrten Blüem-Kälbchen kaufen will.
Hof Ebenstein
Name: Irene und Josef Mösler
Ort: Haslen AI
LN: 12 ha
Viehbestand: 50 Kühe, Rinder, Kälber und Ziegen