Trachten ähneln sich zwar, dennoch ist Tracht nicht gleich Tracht. Im Kanton Bern gibt es über 70 verschiedene Trachten, heisst es auf der Website der Bernischen Trachtenvereinigung (BTV). Beim Nähen einer Tracht müssen die vorgegebenen Kriterien zu Rocklänge, Farben, Materialien etc. eingehalten werden. Um im Kanton Bern als Trachtenschneiderin zu arbeiten, muss das entsprechende Diplom erlangt werden. Oftmals nähen Frauen ihre Tracht selbst. Dies geschieht in der Regel in einem Kurs, bei dem eine Trachtenschneiderin auf die korrekte Ausführung achtet.
Werk- und Sonntagstrachten
Bei den Trachten wird zwischen den im ganzen Kanton bekannten Fest- und Sonntagstrachten, wie Schwarze Sonntagstracht, Müngertracht etc. sowie Ausgangs- und Werktagstrachten (Landfrauentracht, wollene Ausgangstracht etc.), unterschieden. Denn im Gegensatz zu heute, wurde die Tracht früher tagtäglich und nicht nur zu speziellen Anlässen getragen. Daneben gibt es auch noch die regional unterschiedlichen Werk- und Sonntagstrachten, wie die Bilder auf der BTV-Website eindrücklich belegen.
«Die Bernische Trachtenvereinigung ist Teil der Schweizerischen Trachtenvereinigung und stellt mit ihren über 90 Gruppen und ca. 2500 Mitgliedern den grössten Kantonalverband innerhalb der Schweizerischen Trachtenbewegung dar», heisst es beim BTV. Das Ziel sei es, die Schweizerische Volkskultur zu fördern und zu erhalten. Gepflegt werden die folgenden Haupttätigkeitsgebiete:
- Pflege und (korrektes) Tragen der Bernertrachten.
- Ausbildung junger Trachtenschneiderinnen.
- Förderung Zusammenhalt der Mitglieder.
- Förderung der Kinder- und Jugendarbeit. Organisiert werden Aus- und Weiterbildung von Kindertanzleiter(innen) und Anlässe für Kinder und Jugendliche.
- Pflege von Volksliedern, Volkstänzen sowie des Volkstheaters.
- Wochenend- und Wochenkurse, um neue Volkstänze und Volkslieder einzustudieren.
- Vernstaltung regelmässiger Sing- und Tanztreffen und in mehrjähriger Folge kantonale Trachtenfeste.
Trägerinnen befragt
Wie vielfältig die unterschiedlichen Trachten sind, war an der DV (Bott) des BTV von Anfang Mai in Burgdorf zu sehen. Die BauernZeitung hat die Gelegenheit genutzt und sich unterschiedliche Exemplare ausgesucht. Die Trägerinnen sowie ein Mann im Mutz wurden zur Herkunft ihrer Trachten befragt, und welche Bedeutung sie haben. Die bei jeder Tracht beschriebenen Merkmale sind von der Website der Bernischen Trachtenvereinigung übernommen worden.
Weitere Informationen gibt es auf der Webseite der Trachtenvereinigung Bern
Die Berner Sonntagstracht
Vreni Kämpfer aus Wiler b. Utzenstorf ist die Präsidentin der Bernischen Trachtenvereinigung. Sie erklärt: «Ich fühle mich einfach geerdet, wenn ich eine Tracht trage.» Sie trägt oft Tracht und entscheidet jeweils spontan, welche sie anzieht.[IMG 2]
Zu hohen Anlässen wie etwa der DV trägt sie immer die Berner Sonntagstracht mit Haube und Handschuhen (im Bild). Im Schrank hat sie aber auch eine selbst genähte Gotthelftracht sowie eine wollene Ausgangstracht hängen. Letztere hat sie von ihrer Mutter geerbt. Da sie jedoch auch noch eine Ausgangstracht wollte, hat sie sich die Sonntagstracht selbst gekauft. Sie könne deren Rock auch zur Gotthelftracht anziehen. Das sei praktisch.
Die Familie stets mit dabei
Als Schmuck trägt Vreni Kämpfer ein Bracelet am Arm sowie passende Ohrstecker. Diesen Schmuck hat sie von ihrem Mann geschenkt bekommen. Nachdem der erste Schurz der Tracht defekt war, hat Vreni Kämpfer von ihrer Familie einen neuen geschenkt bekommen. «Mit diesen Geschenken trage ich meine Familie immer bei mir, wenn ich die Tracht trage», erzählt sie.
Vreni Kämpfer hat drei Kinder grossgezogen. Das Mitmachen in der Trachtengruppe Utzenstorf habe ihr immer einen guten Ausgleich zum Familienalltag gegeben. Die Familie sei das Höchste. «Aber beim Trachtentanzen konnte ich mir Zeit für mich nehmen und so Kraft tanken», erinnert sie sich.
Die Merkmale
Die schwarze Sonntagstracht besteht aus einem schwarzen Kittel und ebensolchem Samtmieder. Darunter ein weisses Hemd, vorne gefältelt. Dazu wird eine Schürze aus Seidendamast oder Changeant-Taffet getragen, heisst es auf der BTV-Website. Wird sie ohne die silbernen Miederhaften getragen, wird sie als einfache Sonntagstracht bezeichnet.
Die Gotthelftracht
«In Tracht bist du einfach immer gut angezogen», weiss Ursula Lüthi aus Schüpbach. Sie trägt ihre Gotthelftracht oft und gerne, etwa wenn sie mit der Trachtengruppe Schüpbach unterwegs ist oder auch an Feste. Sie sei gäbiger und einfacher anzuziehen, als die Sonntagstracht, da nicht auch noch der Schmuck angelegt werden müsse.[IMG 3]
Tracht zu tragen bedeutet für sie Heimatgefühl und Brauchtum. Es sei schön, an Anlässen die unterschiedlichen Trachten zu sehen. Und: «In Tracht kommt man einfacher miteinander ins Gespräch und man duzt sich.»
Wichtiger Tipp beim Nähen
Die Gotthelftracht hat Ursula Schüpbach als junge Frau in einem Kurs der Landfrauen genäht. Vorausschauend betonte die Kursleiterin, dass beim Nähen mehr Stoff eingearbeitet werden solle. Ein Frauenkörper verändere sich mit der Zeit, etwa nach Geburten. Mit diesem Vorgehen ist es möglich, die Tracht später auszulassen, also zu vergrössern. «Das war gut so», erzählt Ursula Lüthi und schmunzelt. Denn sie trägt heute immer noch die Tracht, die sie als 18-Jährige selbst nähte.
Die Merkmale
Albert Ankers Illustrationen der Werke Gotthelfs haben der einfachen Sonntagstracht den Namen gegeben. Guipurespitzen oder Samt verzieren das Schnabelmieder aus Wollstoff, Woll-Seide, Samt oder Jaquardsamt. Je nach Jahreszeit wird ein Kurz- oder Langarmhemd getragen. Die Schürze ist immer gestreift. Als Rückenabschluss deckt ein Fäckli in der Taille die Stehfältchen des Kittels. Als Schmuck wird eine Brosche aus oxidiertem Filigransilber oder geschnitztem Holz angesteckt. Die Schulter schmückt ein Gärnli aus Seide oder feinem Garn. Auch heute noch wird die Gotthelftracht gerne und häufig gewählt, weil sie einfach, vielseitig und doch schmückend ist.
Die Müngertracht
Regula Kobel aus Busswil bei Melchnau ist bei der Bernischen Trachtenvereinigung die Leiterin der Fachgruppe Kinder und Jugend. Sie trägt eine Müngertracht. «Ich hatte das grosse Glück diese Tracht in einem Kurs selbst nähen zu können», erzählt sie. Die Haube hat sie jedoch geerbt. Das Vorgängermodell der Tracht war ein Geschenk ihrer Mutter und stammte aus einer Börse.[IMG 4]
Das Thema Bügeln
Daneben nennt Regula Kobel auch eine Werktagstracht ihr Eigen. Sie kommt zum Einsatz, wenn es praktisch sein soll, etwa bei Kursen. Die Müngertracht hingegen zieht sie zu besonderen Anlässen an. Sie schätzt an ihr auch, dass bei den Vorbereitungsarbeiten, die nötig sind, wenn die Tracht getragen werden will, das Bügeln einfacher sei, als etwa bei der Gotthelftracht.
«Tracht bedeutet für mich Heimat, Verbundenheit und schöne Erinnerungen», erzählt sie. Sie ist durch ihre Mutter zum Trachtentanzen gekommen und begann als Erstklässlerin mit dem Kindertanzen.
Die Merkmale
Der bekannte Maler und Darsteller bernischem Volkstums, Rudolf Münger, schrieb 1927 über bernische Tachten: «Farbe sollte wieder auftreten, aber mit feinem Geschmack.» Nach alten Vorbildern erarbeitete er eine neue, farbige Bernertracht. Sie ist sehr beliebt, weil sie dem persönlichen Geschmack viel Spielraum lässt. Es gibt sie in Blau, Dunkelrot, Dunkelgrün und Schwarz. Zur Müngertracht gehört eine Rosshaarhaube. Im Sommer darf auch ein Strohhut getragen werden.
Die Einsätze an Mieder und Göller sind aus Seide und werden mit feinen beschwingten Blüten bestickt. Die Längstreifen der Schürze wiederholen den harmonischen Farbklang. Passend zum Gesamtbild ist auch der Filigransilberschmuck fein und leicht.
Der Mutz
Beim Mutz gibt es regional unterschiedliche Modelle. Albert Walthert aus Schlosswil erklärt, dass er einen Oberländer Mutz trage. Er habe ihn von seiner Frau geschenkt bekommen. Sie war es auch, die ihn vor fast 40 Jahren zum Trachtentanzen gebracht hat.[IMG 5]
Der Mutz bedeutet Freizeit
Albert Walthert ist Mitglied der Trachtengruppe Neumühle-Zollbrück. Bevor er vor elf Jahren den Mutz geschenkt bekam, trug er ein Gilet. Das Trachtenwesen bedeutet für ihn Freizeit und Erholung. «Wir gehen nie in die Ferien. Aber wir besuchen diverse Trachtenanlässe in der ganzen Schweiz mit Leib und Seele. So tanke ich Kraft für den Alltag auf unserem Bauernbetrieb», erklärt er.
Sobald er den Mutz anzieht, wisse er, dass jetzt freie Zeit anstehe. «Denn ich trage den Mutz nicht nur zu Trachtenanlässen, sondern auch sonst oft, wenn wir weggehen. So muss ich nicht studieren, was ich anziehen soll», erklärt er.
Die Merkmale
Der Mutz Bern, der auf der Website der Bernischen Trachtenvereinigung beschrieben wird, ist der allseits bekannte Mutz mit der roten Astrachanborte und der parallel verlaufenden schmalen, weissen Litze. Er war früher den Kühern vorbehalten und hat sich dann regional unterschiedlich weiterverbreitet. So gibt es auch Modelle die lediglich eine weisse Einfassung haben. Die BTV hat am Bott fünf Mutze präsentiert, die neu beschrieben wurden. Es sind dies die Mutze Kandersteg, Adelboden, rund um den Thunersee (Oberhofen), Langnau i. E. und Schangnau-Bumbach. Der Beschrieb ist die Anleitung für Schneiderinnen, welche Kriterien es einzuhalten gibt. Noch nicht ganz einordnen kann die Trachtenberatung des BTV, woher Albert Walthers Modell ursprünglich stammt. Die Abklärungen dazu laufen, erklärt Marianne Gnägi vom BTV.
Die Landfrauentracht
Marianne Gygi aus Aarberg trägt die Landfrauentracht mit Latzschürze. In ihrem Besitz befinden sich auch eine Sonntags- und Gotthelftracht. Alle Exemplare hat Marianne Gygi in Kursen selbst genäht, darauf ist sie stolz. «Tracht zu tragen, bedeutet mir sehr viel. Ich habe alles selbst gemacht, auch die Handschuhe, die Haube und das Fichu der Sonntagstracht.»[IMG 6]
Einfache Reinigung
Marianne Gygi will jede Tracht regelmässig tragen. Daher wechselt sie ab und entscheidet je nach Anlass, welches Modell sie trägt. Die Landfrauentracht trägt sie, wenn sie mit der Trachtengruppe Lyss Tänze einübt. Denn sie ist waschbar, kann gebügelt werden und ist viel pflegeleichter, als etwa die Berner Sonntagstracht.
Wenn Marianne Gygi Heimatabende besucht, zieht sie die Gotthelftracht an. «Zu Heimatabenden geht man einfach in Tracht», sagt sie bestimmt. Die Sonntagstracht kommt bei speziellen Anlässen zum Einsatz, etwa beim Umzug am Trachtenfest oder in jüngeren Jahren, als sie als Ehrendame im Einsatz stand.
Die Merkmale
Die Landfrauentracht mit Latzschürze ist eine Arbeitstracht, die in verschiedenen Farben erhältlich ist. Sie wird aus Wolle, Wolle-Mischgewege oder Halbleinen mit der passenden, längsgestreiften Latzschürze angefertigt. Getragen wird sie ohne Schmuck, Gärnli, weisse Trachtenstrümpfe/Socken und Trachtenschuhe.
Daneben gibt es die Landfrauentracht – der heutigen Zeit angepasst. Sie hat eine Schürze ohne Latz. Sie kann mit weissen Trachtenstrümpfen und -schuhen oder mit hautfarbenen Nylonstrümpfen (im Sommer auch ohne Strümpfe) und schwarzen Halbschuhen oder Sandalen getragen werden. Als Schmuck sind eine oxidierte Filigran- oder geschnitzte Holzbrosche möglich.