«Ich beobachtete schon Touristen, die sich vor brünstige Rinder stellten, nur um ein ausgefallenes Selfie zu bekommen», erklärt der Schwyzer Älpler, der seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. Er sömmert mit seinen Tieren auf einer Alp mitten in einer boomenden Tourismusdestination.

Unwissende Touristen

Die Anzahl Feriengäste habe in den vergangenen Jahren infolge grosser Neuinvestitionen in die Infrastruktur enorm zugenommen. Das habe zwar einerseits auch für Mehrumsätze in der Alpwirtschaft und Direktvermarktung gesorgt. «Mit der steigenden Anzahl Gäste bewegen sich aber auch immer häufiger Personen auf den Weiden, die keine Ahnung haben, was für eine Gefahr von einem brünstigen Rind oder einer Mutterkuh ausgehen kann», so der Älpler weiter. Viele hätten auch keine Ahnung, warum man einen Weidezaun wieder schliessen sollte.

Auf Alpweide zelten

Die Touristen seien auch immer länger unterwegs. Früher sei auf den Alpen nach 16.00 Uhr kaum mehr ein Wanderer unterwegs gewesen, heute würden diese sogar auf den Alpweiden zelten. Auch wenn seine Milchkühe und Rinder grundsätzlich gutmütige Tiere seien, bestehe immer ein Restrisiko – gerade, wenn noch Hunde involviert seien. Mittlerweile zäune er die Hauptwanderwege teilweise beidseitig aus.

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Ein- und auszäunen

Eine Vorgehensweise, die entlang stark frequentierter Wege auch die Beratungsstelle für Unfallverhütung in der Landwirtschaft (BUL) empfiehlt. Ein Zaun habe im heutigen Verständnis eine Doppelfunktion. Einerseits hindere dieser Tiere am Entlaufen aus den Weideflächen, anderseits zeige ein Zaun den Menschen auch auf, dass es sich um einen den Tieren vorbehaltenen Bereich handle. Der Zaun müsse so erstellt sein, dass er für Menschen klar als Grenze wahrgenommen werde und somit kein ungehindertes Übersteigen oder Unterlaufen möglich sei. Die BUL teilt die Empfehlung von Zaunmaterial-Herstellern, dass an Aussenzäunen mindestens zwei Drähte oder Litzen angebracht werden. Hinweisschilder, die beispielsweise auf Mutterkühe hinweisen, seien zwar wichtig, aber als begleitende Massnahmen zu verstehen. Sie würden den pflichtigen Tierhalter nicht von der Verantwortung entbinden.

Weiden beurteilen

Basierend auf dem Zivilgesetzbuch dürfen sich Personen wie Wanderer im Sömmerungsgebiet auf den Weiden frei bewegen. Welche Wanderwege ausgezäunt werden sollten, ist gemäss BUL von vielen Faktoren abhängig. Basis bildeten die Gefährdungsbeurteilung und das erkannte Risiko. Die BUL empfiehlt jedem Rindviehhalter, seine Weiden anhand des Ratgebers «Rindvieh im Weide- und Wandergebiet» mittels Checkliste zu beurteilen und wo nötig Massnahmen zu treffen, die mögliche Risiken minimieren.

Tierhalter ist verantwortlich

Durch Rindvieh verletzte Wanderer sorgen in den Medien immer wieder für grosse Schlagzeilen. Reisserische Titel wie «tödliche Kuhattacke» oder «gefährliche Killer-Kühe», waren in den letzten Jahren öfters in den Medien zu lesen. Schnell wird dabei auch die Haftungsfrage zum Thema. Glücklicherweise gebe es selten Versicherungsfälle, wo Alpvieh und Touristen involviert seien, erklärt Christian Spiegel von der Emmental Versicherung. Gemäss Obligationenrecht seien Tierhalter für Schäden der ihnen anvertrauten Tiere haftbar. Als Tierhalter im Haftpflichtrecht gelte grundsätzlich diejenige Person, welche die Verfügungsgewalt über das Tier besitze. Tierhalter könnten somit beispielsweise auch Alpkorporationen sein. Entsprechend wichtig sei es, dass auch diese eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen hätten.

Regress auf Tierhalter möglich

Bei einem Unfall werden die Kosten primär durch die Unfallversicherung des Wanderers übernommen. Diese prüft anschliessend je nach Situation und Schadenhergang einen Regress auf den Tierhalter. Hier komme es jeweils auf die genauen Umstände an, ob die Tierhalter schliesslich haftbar gemacht werden könnten, sagt Christian Spiegel. Er empfiehlt, sich an die Empfehlungen gemäss dem Ratgeber zur Unfallverhütung «Rindvieh im Weide- und Wandergebiet» der BUL zu halten.

Zum Ratgeber «Rindvieh im Weide- und Wandergebiet»